Eindeutig spricht die IGGiÖ von einem Kopftuchgebot für Mädchen und Frauen ab der Pubertät. Das Tragen eines ebensolchen wertet sie nicht als religiöses oder politisches Symbol, sondern als „religiöses Gebot“ und „Teil der Glaubenspraxis“. Mit dieser Diktion freilich begibt sich die IGGiÖ auf eine fundamentalistische Linie, die Mädchen und Frauen tatsächlich auf das Tragen eines Kopftuches festlegen möchte. Nur mehr diese Linie soll gelten.
Als außenstehender Beobachter, zugleich aber als am Islam interessierter katholischer Theologe, frage ich mich: Vertritt die IGGiÖ nicht nur eine bestimmte, eben konservativ bis fundamentalistische Richtung? Jahrzehntelang war es bei uns in Österreich möglich, dass Mädchen und Frauen ohne Kopftuch lebten, genauso war es aber auch möglich, ein Kopftuch zu tragen. Während einerseits rechtspopulistische Kräfte Stimmung für Kopftuchverbote machen, postuliert nun andererseits beinahe zeitglich die IGGiÖ ein Kopftuchgebot. Die ohnehin schon gereizte Stimmung wird nochmals aufgeheizt. Cui bono? Wem nützt das Ganze?
Sicherlich nicht jenen, die es betrifft. Mädchen und Frauen brauchen weder Männer, die ihnen sagen, dass ein Kopftuch eine religiöse Pflicht sei, noch Männer, die ihnen am liebsten ein Kopftuch vom Kopf reißen würden. Zum Glück ist der Islam wesentlich bunter als die IGGiÖ, auch wenn sie den Anspruch vertritt, alle Muslime zu vertreten.
Da habe ich mehr Vertrauen in den islamischen Religionspädagogen Ednan Aslan, der mit Bezug auf das Fatwa eines Muftis, das von der IGGiÖ benützt wurde, im STANDARD wie folgt zitiert wird: „Statt gegenwartsorientierte Deutungen aufzugreifen, übernehme Mullaoglu mittelalterliche Interpretationen, um diese ‚als unantastbare Wahrheit und absolute Pflicht‘ anzupreisen. … Ich finde es gefährlich, wenn der Geist des 8. und 9. Jahrhunderts als Grundlage für das religiöse Leben der Muslime im heutigen Österreich dargestellt wird. … Übertrage man die Ansichten solcher Gelehrten unüberlegt in die Gegenwart, `legitimieren wir Gewalt und die Unterdrückung der Selbstbestimmung des Menschen`.“[1] Der frühere Vorsitzende der IGGiÖ distanzierte sich ebenfalls klar von einem Kopftuchgebot, denn der „Glaube müsse vom Herzen“ kommen. Vor allem aber finde ich den Einspruch der Frauensprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft gegen ein Kopftuchgebot sehr wichtig. Sie findet es problematisch, von einem „Gebot“ zu sprechen. Für Carla Amina Baghajati gäbe es kein Dogma, das das Tragen eines Kopftuchs vorschreibt, und es sei „keine Säule der Religion“.[2] Musliminnen seien gefragt, „die Deutungshoheit darüber, was sie anziehen oder nicht anziehen, bei sich selbst zu halten. Und die simple Gleichung ‚muslimische Frau = Kopftuch‘ nicht mitzuspielen – egal ob sie von innen oder außen kommt“. Mehrfach hat Baghajati in jüngster Zeit klargelegt, warum mit Blick auf den Koran ein Kopftuchgebot nicht begründet werden könne. Zugleich aber könne es für Musliminnen als Teil ihrer Glaubenspraxis gesehen werden.
Nun bleibt zu hoffen, dass alle in diesem Land auf solche Stimmen aus dem Islam hören und sich vom rechtspopulistischen Islambashing nicht beeinflussen lassen.
Klaus Heidegger, 7.3.2017
[1] Zit.in: derstandard.at/2000053683761/Religionspaedagoge-Aslan-Was-am-Kopftuch-Gebot-gefaehrlich-ist, abgerufen am 7.3.2017.[2] Zit.in: derstandard.at/2000053712107/Frauensprecherin-der-Glaubensgemeinschaft-gegen-Kopftuchgebot