„Friede!“

In den Sonntagsevangelien der Auferstehungszeit lesen und hören wir, wie der Auferstandene stets mit dem Wort „Friede“, „Salam“, „Schalom“ die vom Terror der römischen Besatzungsmacht, von jahrzehntelanger erfolglosem jüdischem Guerillakampf, von Gewalt und Gegengewalt erschütterten Jüngerinnen und Jünger begrüßte. Die Sehnsucht nach Frieden schwingt bei der Geburt des Jesuskindes über den Feldern von Betlehem, Friedensworte ziehen sich wie ein roter Faden durch die Botschaft Jesu und Friede wird wieder der Schlüsselbegriff, um den Auferstandenen zu erkennen.

Den österlichen Friedensruf im Ohr gehen christliche Machthaber aus den Kirchen und setzen Kampflugzeuge in Aktion, lassen Marschflugkörper auf Ziele in Syrien los und spielen selbst mit der Gefahr eines Dritten Weltkrieges. In der Nacht vom 13. auf den 14. April 2018 hatten Donald Trump und Emanuel Macron vier Luftschläge gegen Ziele in Syrien angeordnet. 105 Bomben wurden abgefeuert. Eine neue Eskalation im Krieg in Syrien, der bereits 7 Jahre andauert, wo bereits mehr als 500.000 Menschen getötet wurden und 11 Millionen Menschen auf der Flucht sind. Jede kriegerische Maßnahme in den letzten Jahren erhöhte den Blutzoll und führte nur zu weiteren Zerstörungen.

Zum 1×1 des Religionsunterrichtes zählt die Beschäftigung mit der klassischen „Lehre vom Gerechten Krieg“. Die traditionellen Argumente der katholischen Kirche, die eine Rechtfertigung der Anwendung von militärischer Gewalt bieten könnten, sind weiterhin auch für die Beurteilung des aktuellen Kriegsgeschehens brauchbar. Nur wenn alle Kriterien erfüllt sind, wäre eine Rechtfertigung für Militärschläge möglich.

  • Völkerrechtliche Legitimation durch die Vereinten Nationen

Nur die höchste politische Autorität – nicht aber ein einzelner Staat oder ein militärischer Pakt – könne die Anwendung militärischer Gewalt als Maßnahme beschließen, so die Lehre der Kirche. Die Schlüsselposition nimmt dabei der UN-Sicherheitsrat ein. Nur er allein könnte internationale Militäreinsätze legitimieren. Dabei sind jedenfalls die Grundsätze des Völkerrechts einzuhalten.

Politikwissenschaftler und Völkerrechtler haben in den letzten Tagen mehrfach darauf hingewiesen, dass das Vorgehen der USA, Frankreichs und Großbritanniens, als sie Ziele im Syrien bombardieren ließen, ein Bruch des Völkerrechts darstellt. Für diesen Einsatz gab es kein Mandat des UN-Sicherheitsrates.

  • Ultima ratio: Wenn militärische Gewalt als letztes Mittel bleibt

Selbst nach sechs Jahren Krieg in Syrien sind die beteiligten militärischen Mächte nicht bereit, die ganze Breite nichtmilitärischer Maßnahmen und Möglichkeiten zu nützen, um dem Schlachten und Morden ein Ende zu bereiten. Militärschläge dürfen nicht sein, solange nicht die Waffenlieferungen für die kriegsführenden Parteien in Syrien gestoppt wurden. Dies wäre der einfachste Schritt: Der Krieg könnte ausgehungert werden, wenn die Händler und Produzenten von Kriegsgeräten in dieser Gegend kein Geschäft mehr machen dürfen. Vor allem aber müssten alle Wege der Diplomatie und der Vermittlung gewählt werden.

  • Aussicht auf Erfolg

Von Erfolg von den Luftangriffen könnte nur dann gesprochen, wenn Frieden in diesem vom Krieg so arg betroffenen Land hergestellt würde. Seit den Luftschlägen ist das Gegenteil passiert. Die Truppen von Assad gehen gestärkt hervor, das Klima zwischen den beteiligten Mächten – vor allem zwischen Russland und den USA – ist schlechter als je zuvor. Das Wort vom „Kalten Krieg“ erlebt ein Revival. Wieder zeigt sich: Militärische Gewaltmaßnahmen sind wie Öl ins Feuer. Jeder Dollar, Rubel oder Euro, der für militärische Maßnahmen ausgegeben wird – und es sind Milliarden – fehlt  zugleich für friedenstaugliche Wege.

  • Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit des militärischen Mitteleinsatzes

Durch die Militärschläge werden nicht die Drahtzieher des Krieges getroffen. Der Krieg in Syrien zeigt von Beginn an, dass es in erster Linie die Zivilbevölkerung ist, die unter den Folgen des Krieges leidet.

  • Schwerwiegender Grund als Legitimation für militärische Gewaltanwendung

Zu den im Völkerrecht definierten Beispielen für schwerwiegende Gründe zählen Völkermord bzw. völkerrechtliche Verletzungen. Trump, Macron und May nannten als Grund für ihren Angriff, dass die Assad-hörigen Gruppen Giftgas eingesetzt hätten. Allerdings fehlt es dazu an entsprechenden und von unabhängigen internationalen Beobachtern genau dokumentierten Bestätigungen. Der Kriegseinsatz wurde verordnet, noch bevor ein entsprechender unabhängiger Bericht vorlag.

  • Redlichkeit und Uneigennützigkeit

Im Krieg in Syrien spielen von Beginn an die Interessen internationaler Mächte eine entscheidende Rolle. Die USA, die die Rebellen in Syrien unterstützt, Russland, das genauso wie der Iran Assad und seine Truppen unterstützt, aber auch Saudi Arabien oder Israel haben in Syrien ihre Interessen. Man kann von einem multiplen Stellvertreterkrieg schreiben.

Papst Franziskus hat wie viele andere christliche Organisationen zu einem gewaltfreien Weg aufgerufen, der im Widerspruch zu Militärschlägen steht. Stellvertretend für viele Äußerungen sei hier der Vorsitzende der Katholischen Bischofskonferenz Deutschlands, Kardinal Marx, genannt. Er sagte: „Militärische Lösungen wird es nicht geben, das ist ganz klar, und auch Militärschläge führen nicht zum Ziel.“

Klaus Heidegger, 17. April 2018