Du sollst schön und sehr gescheit gewesen sein. Eine kluge Frau. So stehst du für die klugen Frauen in der Geschichte und gegen die hartnäckigen sexistischen Klischees, die eine Frau nur auf das äußere Erscheinungsbild reduzieren.
Du warst eine kluge Theologin, die herrschende Ideologien in Frage stellte. Mit dem größten christlichen Gelehrten der Antike, Origines aus Alexandria, warst du in einem Dialog. So stehst du für eine kirchliche Tradition, in der Frauen das Denken und Lehren in der Kirche mitgetragen haben.
Du warst eine widerständische Frau, die sich den damaligen herrschenden Ideologien verweigerte. Du wolltest nicht, dass Götzen angebetet werden, sondern jene Gottkraft sollte verehrt werden, die sich nicht in ein begrenztes Korsett einsperren lässt. So stehst du für die weibliche Tradition des Widerstands, die von den hebräischen Sklavinnen Pua und Shiphra zur Zeit der Sklaverei in Ägypten über Maria von Magdala bis zu Greta Thunberg im Heute reicht.
Du hast dich patriarchaler Verfügungsgewalt widersetzt. Dein Schicksal weist uns auf das Schicksal so vieler Frauen, die Formen sexueller und körperlicher Gewalt erleiden oder eingesperrt sind in frauenfeindliche Strukturen. Orange the world – so die politische Sprache im Heute.
Mit Blick auf dich können wir heute beten: Lass uns auftreten gegen die Gewalt an Mädchen und Frauen, die Opfer von sexueller und körperlicher Gewalt sind. Lass uns heute Strukturen verändern, die Frauen von der gleichberechtigten Teilnahme am gesellschaftlichen oder kirchlichen Leben ausschließen. Lass uns heute dankbar sein, wenn wir unseren Glauben in Freiheit leben können und lass uns nicht untätig sein, solange irgendwo in der Welt die Religionsfreiheit eingeschränkt wird. Lass uns erkennen, wo wir uns selbst in die Kerker unserer Mittelmäßigkeiten und unseres Kleinglaubens eingesperrt haben, die ein Leben in Fülle verhindern. Schenke uns Zweige, die zum Blühen beginnen, damit wir Trost finden in schweren Zeiten, und lass uns selbst immer wieder zum Barbarazweig werden, der Hoffnung schenkt.
Klaus Heidegger, 4.12.2020