TEXT 1: Andrä Stigger, Klimabündnis Tirol
Sonntag, 6. Dezember 2020, Tiroler Tageszeitung
Was sich Kinder wünschen
Gegenseitige Rücksichtnahme ist vermutlich der stärkste Motor beim Bewältigen einer Krise, ob Corona oder Klima.
Eine Klage von sechs Kindern aus Portugal hat kürzlich für Aufsehen gesorgt: Sie ziehen gegen 33 europäische Staaten vor Gericht mit dem Vorwurf, der mangelnde Einsatz gegen den Klimawandel zerstöre die Zukunftsperspektive junger Generationen. Ein Vorwurf, der von der „Fridays For Future“-Bewegung schon 2018 ins Spiel gebracht wurde. Diese Jahreszeit bietet – nicht nur in Zeiten einer Pandemie – Gelegenheit zur Besinnung und Reflexion. Was wünschen sich unsere Kinder wirklich? Und: Was können wir aus der Gesundheitskrise lernen, um eine noch größere Krise – die Klimakrise – zu meistern?
Das Pariser Klimaabkommen besagt, dass wir den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad halten müssen – im Alpenraum sind wir über dieses Ziel schon hinausgeschossen. „Global denken, lokal handeln“ ist ein Credo, an dem Organisationen wie das Klimabündnis Tirol seit Jahrzehnten festhalten und das sich in diesem Jahr so klar bestätigt hat wie noch nie. Ob Virus oder Klimawandel – um globale Herausforderungen zu meistern, sind große Kraftanstrengungen nötig, die von allen getragen werden. Paradoxerweise hat uns die Gesundheitskrise einem nachhaltigen Lebensstil nähergebracht: Wir legen kürzere Wege zurück, die am gesündesten zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewältigt werden. Wir beschränken uns beim Einkaufen auf das Notwendige und haben den Laden ums Eck wiederentdeckt. Im Home-Office merken viele, dass lange Reisen oft überflüssig sind. Und wir haben gelernt, dass wir aufeinander schauen müssen, um resilient – also krisensicher – zu sein.
„Global denken, lokal handeln“ gilt auch beim Einkauf von Lebensmitteln. Denn auch wenn es momentan so wirkt, als wären wir isoliert vom Rest der Welt, kommen wir fast täglich mit Konsumgütern in Kontakt, die weite Strecken zurückgelegt haben. Heute – am Nikolaustag – sind viele Produkte hoch im Kurs, die nicht aus der Region kommen: Orangen, Nüsse, Schokolade. Die Gaumenfreuden tragen häufig einen schweren CO2-Rucksack im Gegensatz zu regionalen, biologischen Produkten. Aber auch der Weg vom Supermarkt nach Hause – die so genannte letzte Meile – fällt stark ins Gewicht. Einige Studien sprechen sogar vom größten Anteil an Emissionen in der Lieferkette. Wer zu Fuß oder mit dem Fahrrad einkauft, tut nicht nur dem eigenen Körper etwas Gutes, sondern auch der Umwelt.
Wir haben im zu Ende gehenden Jahr gelernt, aufeinander zu schauen. Die gegenseitige Rücksichtnahme – die Sorge um unsere Mitmenschen und unsere Natur – ist vermutlich der stärkste Motor beim Bewältigen einer Krise, ob Corona oder Klima. Während wir aktuell besonders darauf achten, das Leben älterer Menschen zu schützen, bringt uns der Klimawandel dazu, in die Zukunft zu blicken: Das Leben kommender Generationen steht auf dem Spiel. Hören wir auf die Wünsche unserer Kinder! Um ihnen und ihren Nachkommen – nicht nur in Tirol, sondern weltweit – einen intakten Planeten zu hinterlassen, müssen wir jetzt handeln. (Quelle: Tiroler Tageszeitung, 6.12.2020)