WÄHLE GEWALTFREIHEIT UND FRIEDEN!

Dankbar bin ich, wählen zu können. Wählen werde ich, was mir richtig erscheint. Richtig erscheint mir, was vernünftig ist. Vernünftig ist, was den Fakten entspricht.

Faktum ist: Es drehen sich in der Welt die Spiralen von Gewalt und Gegengewalt. Waffen und noch mehr Waffen werden produziert – nicht für die Museen, sondern für ihre tödliche Verwendung auf den Schlachtfeldern der Welt. Wählen werde ich jene Kräfte, die für ein Ende jeder Gewalt sind, die von Frieden reden und nicht von Krieg, die Diplomatie einer Eskalation der Gewalt vorziehen, die Waffenstillstand fordern und nicht noch mehr Waffen liefern wollen, die nicht einer atomar gerüsteten Verteidigungsunion Vorschub leisten, sondern an die Friedensunion EU glauben.

Hoch über Innsbruck sitze ich am Tag davor an den steilen Abhängen der Innsbrucker Nordkette und sinniere über die morgigen EU-Wahlen und all die vielen Berichte, die es darüber in den letzten Monaten gab, denke nach über die Plakate weit unten in der Stadt, die spalterisch-hetzerische Propaganda jener, die Unfrieden in den Gesellschaften säen und doch zugleich die Stärksten bei den Wahlen sein könnten. Es sind Albträume, die mich bis in die Albträume des Schlafens verfolgen. Da gibt es aber auch Sujets, die wie eine Reduktion auf das Allerwesentlichste unserer Zeit sind: Auf hellblauem Hintergrund eine Friedenstaube und mit weißer Schrift steht groß am unteren Rand: FRIEDE. Ich beobachte die Schafe um mich, die mit natürlichem Instinkt nur jene saftigen Gräser finden und fressen, die ihnen guttun. Die dornigen Disteln und selbst manch schönes grelles Alpenblümchen finden kein Gefallen bei ihnen.

Einst konnte ich in meiner Dissertation ausführlich über einen der vier Bausteine der damals noch jungen Grünalternativen forschen und schreiben. Gewaltfreiheit sollte als Prinzip für die Grünen und Alternativen gelten. Ich zitierte in meiner Doktorarbeit aus dem Bundesparteiprogramm der Grünen „…Gewaltfreiheit gilt uneingeschränkt … auch zwischen Volksgruppen und Völkern.“ Wir luden Joschka Fischer nach Innsbruck ein, viele Jahre bevor er Außenminister Deutschlands wurde, und ich erinnere mich an ein Gespräch mit Biertrinken in einem Innsbrucker Gasthaus. Heute würde ich den einstigen Star-Grünen fragen, warum er selbst eine atomare Abschreckungsfunktion der EU befürworte, warum die Grünen heute jeglichen der militärischen Aufrüstungsschritte proaktiv unterstützen, warum die Vorsitzende der Grünen im Europaparlament von der Notwendigkeit einer militärischen Zusammenarbeit auf EU-Ebene spricht und gemeinsamen Rüstungsbeschaffungen. Ich konnte am Friedensprogramm der ALÖ (Alternative Liste Österreich) mitarbeiten, in dem vor allem Konzepte der Sozialen Verteidigung von Wissenschaftlern wie Theodor Ebert den militärischen Paradigmen gegenübergestellt wurden. Heute wehrt sich der grüne Bundesparteivorsitzende und Vizekanzler in Österreich gegen eine Zuschreibung, die die Grünen als pazifistisch bezeichnet. Es mutet aus heutiger Sicht merkwürdig an, dass die österreichischen Grünen vor nicht allzu langer Zeit noch die Initiative „Österreich ohne Armee“ unterstützt hatten. Im deutschen Nachbarland vertrat eine Petra Kelly glaubwürdig die gewaltfreien Optionen und heute entspricht die Politik von Bundesaußenministerin Analena Baerbock kaum mehr den grünen Idealen von gestern. Es werden aber die deutschen Grünen sein, die die gemeinsame Fraktion der Grünen im EU-Parlament wesentlich bestimmen werden.

Faktum ist zweitens: Die Treibhausgasemissionen steigen und die Erderhitzung schreitet voran. Es braucht eine rasche Umkehr im Verhalten jener, die jetzt schon einen großen ökologischen Fußabdruck haben, begleitet von entsprechend politischen staatlichen Rahmenbedingungen. Wir haben damals an den Umbau unserer Gesellschaften und Staaten geglaubt, der sich unter dem Sammelbegriff „ökologisch“ als erstes Prinzip der Grünen ausdrücken lässt. Niemand sprach damals von Erderhitzung. Tempobeschränkungen auf 30 (Ortsgebiet), 80 (Landstraßen) und 100 (auf Autobahnen) gehörten aber bereits vor 40 Jahren zum Kern grüner Programmatik. Man scheute sich im grünen Spektrum nicht, von einer „Umkehr“ zu sprechen, und es war erlaubt, von „Verzicht“ im Konsumverhalten zu sprechen. Zugleich waren wir uns bewusst, dass  eine Abkehr von kapitalistischen Paradigmen notwendig ist und es demgegenüber klare staatliche Regelungen braucht, damit die Umwelt geschützt werden kann. Nie hätten die Grünen damals in einer Koalition dem weiteren Ausbau von Straßen oder Flughäfen zugestimmt.

Ein paar der Schafe blöken. Auf ihrem gekrausten Wollfell sind grüne Kreuze und rote Punkte. Wer nachdenkt, wird sich selbst entscheiden können und müssen und nicht irgendwelchen Parolen hinterher laufen.

Klaus Heidegger

Kommentare

  1. Gewaltfreiheit muss ja in der Kindheit beginnen. Dass es einen realen Zusammenhang zwischen Gewalt in der Kindheit und Kriegen gibt, ist bereits ziemlich gut erforscht. Anhand internationaler Statistiken von Franz Jedlicka (Culture of Violence Scale), anhand von Einzelbiographien von Kriegstreibern z.B. von Sven Fuchs („Die Kindheit ist politisch!“).

    Georg

  2. Meinrad sagt:

    Ich bin, obwohl Mitglied und GR der Grünen, auch schwer enttäuscht von der kriegstreiberischen Linie der Grünen in Österreich. Um Frieden zu bekommen muss man verhandeln, wenn man nicht auf Gewalt setzt. Deshalb verstehe ich z.B. den heutigen Auftritt von BM Rauch – den ich bisher geschätzt habe – nicht, wo er die Friedensmission von Orban kritisiert. Was sonst, sage ich mir, könnte uns vor einem größeren Krieg in Europa noch retten, wenn nicht Verhandlungen und Kontakte? Bei den EU-Wahlen haben die Grünen bereits 3 Prozentpunkte verloren. Das wird sich bei den NR-Wahlen fortsetzen, wenn wir so friedensvergessen weiter tun!

    1. Lieber Meinrad, auch ich habe bei der Stellungnahme von BM Rauch ähnlich gedacht – er setzt damit die Linie fort, die die Grünen eingeschlagen haben. Die Grünen hätten zumindest dazu fügen können, dass sie zwar die rechts-populistische Ausrichtung der Orban-Linie ablehnen, aber nicht gegen Verhandlungen sind. Es wäre der dritte Weg. Leider fehlt dazu aber auch eine kirchliche Positionierung – auch von Pax Christi. glg, klaus

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