Kommunion für Geschieden-Wiederverheiratete verweigern?

Pfarrer Johannes Laichner nennt in seinem Leserbrief in der Kirchenzeitung „Sonntag“ (16.7.2015) keine Argumente, die für die Nichtzulassung von Geschieden-Wiederverheirateten zur Kommunion spricht. Im Hintergrund seines Leserbriefes steht der Justament-Standpunkt, der anscheinend auf der Lehre der Kirche, den Aussagen des Papstes und der Bibel beruhen würde: Keine Kommunion für Geschieden-Wiederverheiratete.
Ich frage mich zunächst, was ich tun würde, wäre ich ein geschieden-wiederverheiratetes Pfarrmitglied im Seelsorgeraum Inntal, in Karres, Karrösten, Roppen oder Mils, vier Pfarrgemeinden, in denen Pfarrer Laichner wirkt. Würde ich ebendort zur Kommunion gehen wollen, würde mir der Pfarrer das gewandelte Brot verweigern, wäre ich sozusagen „ex-kommuniziert“?
Pfarrer Laichner würde mir vielleicht anstelle der verweigerten Kommunion ein „Gebet für Gläubige, die die heilige Kommunion nicht empfangen können“ reichen. Man kann es auf der Website seines Seelsorgeraumes nachlesen. Darin wird implizit auf die Sündhaftigkeit des Geschiedenen hingewiesen, wenn gebetet werden soll: “Lass mich deine Wahrheit über mein Leben immer besser erkennen und auf deine barmherzige Liebe vertrauen.“ Ich müsste mich also als reumütigen Sünder zu erkennen geben, der ein „Opfer“ zu erbringen hat. Wörtlich heißt es: „Mach mich eines Tages wieder bereit, dich in der heiligen Kommunion auch leiblich zu empfangen. Den Schmerz, dich derzeit nicht im heiligsten Sakrament aufnehmen zu können, opfere ich dir auf.“ Was heißt es, wieder „bereit“ zu sein? Verlangt Laichner etwa einen Ausstieg aus einer neuen Beziehung, um wieder zugelassen zu werden.
Hinter solchen Verboten steckt jedenfalls keine Pastoral, die vom Leben der Menschen ausgeht, sondern eine, die scheinbare Gesetzlichkeiten in die ganzen menschlichen Widersprüchlichkeiten hinein oktroyieren möchte. Auch in den Pfarrgebieten von Laichner wird es viele Menschen geben, deren Beziehungen zerbrochen sind, oftmals unfreiwillig, manchmal, und das sei nicht in Abrede gestellt, weil Beziehungen zu wenig gepflegt wurden, weil es selbst in den Liebesbeziehungen egoistisch statt partnerschaftlich zuging. Es wird aber auch Frauen geben, die sich zum Glück von despotischen Ehemännern getrennt haben, die vielleicht danach auf den „Richtigen“ gestoßen sind, und nun auf einen Neuanfang setzen. Es wird Männer geben, die sich nicht leichtfertig von ihren Frauen getrennt haben, sondern mit viel Schmerz, weil es einfach nicht funktionierte, weil der Traum von einer gelingenden Partnerschaft nicht aufgegangen ist. Es wird Kinder in diesen und aus diesen neuen Beziehungen geben. Und jede dieser neuen Beziehungen ist gerade in den dörflichen Strukturen des Inntales vielfach vernetzt mit den Menschen vor Ort. Dieses Leben sollte sich wiederum in den Gottesdiensten zeigen können. Inmitten solcher Lebenswirklichkeiten ist stets Gott zu finden – als eine Kraft der Barmherzigkeit, der Zärtlichkeit (Lieblingswort von Papst Franziskus), des Verzeihens und des Neubeginns.
Von diesem Gott wiederum erzählt die Bibel, auf die sich Pfarrer Laichner beruft, über die er Woche für Woche predigt. Was ist mit der Geschichte vom „verlorenen Sohn“ und dem „barmherzigen Vater“? Was ist mit den Worten Jesu, „nicht zu richten…“ und vor allem seinen vielen Warnungen vor gesetzesstarrer Gottesfrömmigkeit? Dieser Jesus wendet sich vor allem jenen zu, die im Leben „gestrauchelt“ sind – gestrauchelt auch in Beziehungen. Dieser Jesus richtet auf und hält nicht mahnend den Zeigefinger hin, wenn das Gesicht voller Tränen ist, weil eine Beziehung trotz aller Bemühungen nicht funktionieren wollte.
Ähnlich wie Pfarrer Laichner schrieb vor zwei Wochen Pater Volker vom Franziskaner-Gymnasium in Hall einen Leserbrief zu dieser Causa. Ich habe darauf wie folgt geantwortet:
Wo hört es auf, wenn man beginnt, anderen vorzuhalten, man sei vom „rechten Glauben“ abgekommen? Die salafistischen Extremisten begründeten ihren Anschlag auf eine schiitische Moschee in Kuwait (26.6.2015) mit dem Argument, die Shiiten seien vom rechten Glauben abgekommen. Der Grundakkord des Glaubens an einen barmherzigen Gott wird wegen eines einseitig interpretierten, historisch bedingten Glaubenssatzes missachtet.
Wer bestimmt die Rechtgläubigkeit? Fundamentalisten machen sich selbst zum Richter über das, was wahr sein soll. Die Welt wird fein säuberlich sortiert: Hier sind wir, die Rechtgläubigen, dort sind die Ketzer, die Irrgläubigen, die es zu bekämpfen gilt. Das unbeugsame Diktum lautet: „Die Kirche lehrt den Willen Gottes, der auch heute gilt.“ Das ist der Boden, aus dem sich die Glaubenskriege der Vergangenheit nährten. Es wird zum „Höllensturz der Irrlehrer“, wie er sich landauf landab in den barocken Fresken unserer Kirchen abgebildet hat. Die Kreuzzüge des Mittelalters, die brutale Verfolgung der hutterischen Gemeinden hierzulande, der Dreißigjährige Krieg und vor allem die Pogrome gegen Juden und Jüdinnen: Jene, die zu den Schwertern griffen, die Scheiterhaufen errichteten, Guillotinen aufbauten, Gewehre munitionierten, um den eigenen Glaubenssatz zu verteidigen, gaben jede Barmherzigkeit auf.
Die selbsternannten Rechtgläubigen gründen ihre Ideologie auf eine fundamentalistische, meist buchstäbliche Umsetzung von willkürlich ausgewählten Sätzen von heiligen Schriften, die auch die Basis wurden für religiöse Doktrinen, die wiederum nicht interpretiert, sondern exekutiert werden sollen. Historisch-kritische Exegese und Bezug auf vernunftgemäße, human- oder sozialwissenschaftliche Erkenntnisse werden ignoriert.
Wir kennen die selbsternannten „Rechtgläubigen“ auch in der katholischen Kirche. Das Scheidungsverbot aus dem Matthäusevangelium war von Jesus und der matthäischen Gemeinde gedacht, um Frauen vor der Willkür der Männer in Schutz zu nehmen. Kein Mann sollte mehr seine Frau einfach in die sprichwörtliche Wüste schicken können, in die Rechtlosigkeit, in die Sexsklaverei – nur weil er sich in eine andere verschaute oder mit dem Vorwand, seine rechtmäßige Ehefrau habe ihm den Hirsebrei nicht gut genug gekocht. Barmherzigkeit war das Motiv für den Satz „was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen“. Mit Unbarmherzigkeit wollen die Rechtgläubigen heute einer Situation begegnen, in der sich Frauen von ihren Männern oder Männer von ihren Frauen trennen, weil die Erwartungen an eine Beziehung nicht erfüllt werden konnten. Die ursprüngliche Intention wird von den traditionalistischen Rechtgläubigen ins Gegenteil verkehrt, wenn sie Geschieden-Wiederverheiratete vom Empfang der heiligen Kommunion ausschließen wollen oder den neuen Beziehungen den Segen der Kirche verweigern. Geschiedene sollen sich wie Sünder und Ausgestoßene fühlen.
Ähnlich ist auch der Umgang mit Homosexuellen. Der Apostel Paulus hatte nicht die Absicht, schwule Beziehungen zu diskriminieren, wenn er vor der Homosexualität warnte. Ihm ging es um eine berechtigte Kritik an der Praxis von Lustknaben, die heute unter den Pädophilenparagrafen fallen würde.
Die Grundmelodie von Papst Franziskus ist der „Dialog des Lebens“ (Evangelii Gaudium). Das hat nichts mit Beliebigkeit zu tun, sondern mit der Grundentscheidung, die Zärtlichkeit und Barmherzigkeit unseres Gottes inmitten der Lebenswirklichkeiten zu entdecken und durchzuhalten. Wenn kirchliche Lehre mit dem „Wort Gottes“ identifiziert wird, dann widerspricht es wohl dem Grundgebot, sich kein fixes Bild von Gott zu machen. Daher würde ich jenen Satz von Pater Volker (Kirchenzeitung, „Sonntag“, 25.6.2015) „… das Wort Gottes und die kirchliche Lehre stellen sich wenn notwendig der menschlichen Sicht- und Lebensweise entgegen…“ selbst nie schreiben können, sondern erfahre vielmehr. Gerade in den Gebrochenheiten und Unzulänglichkeiten unseres Lebens kann Gottes Gegenwart – vermittelt durch menschliche und gemeinschaftliche Nähe – erlebt werden. Gott stellt sich nie gegen unser Leben, sondern hilft uns, dass wir – wenn wir wollen – uns an ihr ausrichten können. Jedenfalls ist es ein Gott, der den Regenbogen zu seinem Zeichen erkoren hat: Ein bunter Regenbogengott, fern von allen fundamentalistischen Kleinkariertheiten, ein Gott, der leben lässt, eine Geistkraft, die immer wieder neue Anfänge schenkt, nicht verurteilt, sondern aufrichtet.
In der offiziellen Website der Diözese Innsbruck steht daher auch nichts von einem Kommunionverbot, sondern das Bemühen wird an die Verantwortlichen eingefordert, den Menschen nach einer Scheidung in ihrer Pfarre wieder Heimat zu geben. Es heißt dort: „Christen und Christinnen, deren Ehe zerbrochen ist, haben oft eine schmerzliche Geschichte hinter sich. Es muss unser gemeinsames Bemühen sein, ihnen und jenen, die eine zweite standesamtliche Ehe eingehen, mit Aufmerksamkeit und Wohlwollen zu begegnen und weitere Beheimatung in der Kirche zu ermöglichen.“ Dies sind Worte, die leben lassen und Neubeginn ermöglichen.
Klaus Heidegger, 17. Juli 2015

Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Heidegger,
    ich sehe Ihren Kommentar aus 2 Blickrichtungen:
    erstens:
    zu Ihrem Kommentar habe ich mir Markus 10, Verse 2-10 durchgelesen.
    Die katholische Kirche hat bei der Verweigerung der Kommunion für Geschiedene
    sich also etwas dabei gedacht:
    grundsätzlich haben Ehepaare, die sich scheiden ließen und kirchlich heirateten
    ein Sakrament, eine Gnadengabe Gottes verworfen. Jesus sagt ja: ..sie sind ein Fleisch
    geworden…, und was Gott zusammenfügt soll der Mensch nicht scheiden.
    Damit entfernt man sich vom liebenden, zusammenfügenden Gott.
    GOTT steht über den Dingen, nicht der Mensch.
    Der Kirche geht im Falle der Scheidung der Paare nicht einfach über diesen Tatbestand hinweg.
    Die Kirche ist durch Jeus Weisung und Vollmacht der Spender der Gnadengaben:
    was ihr auf Erden bindet, ist auch im Himmel gebunden !,
    was ihr auf Erden löst, ist auch im Himmel gelöst !.
    Machen wir uns die Schwere dieser Worte einmal klar.
    Es ist nicht immer bequem den Worten Jesu Folge zu leisten.
    Um Spannungen in einer ehelichen Beziehungen zu ertragen und zu bewältigen,
    haben wir schon im Mutterschoß alles vom dreifaltigen Gott an Fähigkeiten
    mitbekommen. Diese Fähigkeiten einsetzten kann Spaß machen und uns voranbringen,
    diese Fähigkeiten zur Lösung von ehelichen Problemen einsetzen macht aber so manchen
    Ehepartner nicht keinen Spaß, und diese gehen lieber bequemere Wege,
    ähnlich wie es das Gleichnis vom verlorenen Sohn aufzeigt.

    zweitens:
    Mitleid habe ich für meinen Teil für den Partnerteil eines geschiedenen Ehepaares,
    der sich nicht scheiden lassen wollte, es gegen seinen Willen geschah und eigentlich
    die Ehe weiter fortsetzen wollte.
    Hier kann ein solcher Ehepartner sicher im Gespräch mit dem zuständigen Pfarrer
    und/oder dessen Vorgesetzten durch Darlegung der Gründe das Sakrament
    der Kommunion weiter empfangen. Heutzutage wird an der katholische Kirche immer nur
    das Negative gesehen und betont und nicht auch die Möglichkeiten die sie bietet,
    und das was sie auch Gutes tat und auch weiterhin tut. Und das gilt auch hierfür.

    Die Behandlung des Themas Homosexualität sprengt sicher die Übersichtlichkeit
    dieser email.
    Aber beide Themen zusammengenommen lassen mich an die Kritiker der katholischen
    Glaubenslehre die Frage richten:
    was ist uns allen miteinander das geschriebene Wort des alten und neuen Testamentes wert,
    wenn es dem heutigen humanistischen Zeitgeist widerspricht ?
    Meine persönliche Bewertung ist: es ist vielen Menschen zuwider dieser Lehre zu folgen.
    Im alten und neuen Testament stehen Dinge, die da eben stehen,
    und die vom Zeitgeist, der die persönliche Freiheit über alles setzt,
    nur allzu widerstrebend wahrgenommen werden und daher nur zu gerne
    auch umgedeutet werden, damit man sich der Lehre der katholischen Kirche entziehen kann.
    Auch für mich war manches nicht einfach hinzunehmen, habe es aber,
    -wie das dauernde Vergeben- konsequent eingeübt, und muß es auch weiterhin tun.
    Wenn die Worte der Bibel Wahrheit sind, müssen sie auch so umgesetzt werden,
    auch wenn es manchmal unbequem und schmerzlich ist.
    Ich mache für mich jedenfalls klar, daß ich für die Umsetzung seiner Worte
    Eigenverantwortung habe. Immer aber kann ich für mein Fehlverhalten
    die Gnade der Verzeihung im Bußsakrament, der Beichte, erhalten und neu
    meine Kräfte für die Umsetzung der Worte Jesu einsetzen.
    Die katholische Kirche nimmt das ernst. Und dies bisher aus Ehrfurcht vor dem Wort Gottes.

    Dies sind meine Gedanken zu Ihrem Beitrag, auf den ich heute zufällig gestoßen bin.
    Ich hoffe verträglich auf Sie eingegangen zu sein

    Mit den besten Wünschen
    Roland Hotzy

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