Effata – das heißt „öffne dich!“
Im heutigen Sonntagsevangelium (Mk 7,31-37) der katholischen Kirche (6.9.2015) musste ich Wort für Wort an das aktuelle Flüchtlingsdrama denken. Im Evangelium ist die Rede davon, dass Jesus zunächst in ein fremdes, ein „heidnisches“ Land geht, in dem andere Gesetze und Regeln herrschen, die den Juden und Jüdinnen fremd oder gar anstößig waren. Das ist so typisch für diesen Jesus von Nazareth. Er überwindet die Grenzen: die realen Grenzen zwischen Völkern, Ethnien und Religionen und die Grenzen in den Köpfen der Menschen. Entgrenzung findet statt. Dazu gehört auch, dass Gesetze, die unnötige Grenzziehungen zementieren, überwunden werden. Das geschah gestern abends, letzte Nacht und am heutigen Tag. Die österreichische Staatsspitze bis hinauf zum Bundeskanzler und Regierungsmitgliedern vergaßen die Schengen-Gesetze und Dublin-Verordnungen, ignorierten die strengen Einreisbestimmungen für Flüchtlinge und machten sich kollektiv zu Fluchthelfern, unterstützt von einer breit demonstrierten Hilfsbereitschaft der Zivilgesellschaft. Jesus wendet sich den Ausgegrenzten zu. Eine typische Bewegung für ihn. Sein Blick galt denen, die ganz arm waren, die nichts mehr hatten, die in Not waren. In der besagten Evangeliumsstelle wird er sogar „handgreiflich“. Er berührt den Taubstummen. Seine Ohren und seine Zunge. Er kann wieder reden.
Das Wunder der Heilung des Taubstummen im 7. Kapitel des Markusevangeliums hat sich heute in Nickelsdorf und am Wiener Westbahnhof wiederholt. Menschen haben sich geöffnet – wie damals der Taubstumme. Mitgefühl und Solidarität waren die leitenden Kräfte. In den Worten von Johannes Voggenhuber lautet es so: „Es ist ein Befreiungsschlag. Die Hilfsbereitschaft zahlloser Menschen befreit nicht nur tausende Flüchtlinge aus Hoffnungslosigkeit und Entwürdigung. Dieser entschlossene Aufbruch der Zivilgesellschaft hat auch die giftige Atmosphäre von Argwohn und Abwehr und Hetze der letzten Monate durchbrochen, die Politik aus ihrer dumpfen Verweigerung und ihrer rigiden Erstarrung heraus gescheucht und unsere Werte wiederhergestellt. Man kann wieder frei atmen in diesem Land.“ (Facebook, 5.9.2015) Ein Wunder ist geschehen. Vielleicht doch der Anbruch eines neuen Umgangs mit Flüchtlingen in diesemEuropa.
Kommentare
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Ja, in diesen Stunden bin ich stolz auf die Menschen in unserem Land. Es ist wirklich die beste „Asylpolitik von unten“, die zeigt, dass die Menschen überwiegend keine Angst haben vor den Flüchtlingen, wie von rechten Politschreiern immer wieder getrommelt wird. Ein Sieg der Liebe und Menschlichkeit.
Diese Geschehnisse werden Europa verändern und ich glaube fest daran: zum Guten, denn die Liebe wird letztlich siegen über Angst und Hass.
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