Schöngeredete Flüchtlingsabwehr und Doublespeak in der heimischen Flüchtlingspolitik

1280px-Natodraht_2_fcmNoch Ende August 2015 begann ich zu hoffen, dass sich die Bundesregierung meines Landes, zumindest in politischer Gestalt von Faymann und Mikl-Leitner, einer humanen Flüchtlingspolitik zuneigen könnte. Die damals demonstrierte Haltung der deutschen Bundeskanzlerin, Syrienflüchtlinge möglichst ungehindert aufzunehmen, wurde vom österreichischen Kanzler unterstützt. Selbst die heimische Innenministerin reiste nach Nickelsdorf, um Flüchtlinge zu begrüßen. Man schien die Dublin-Regelungen dem höheren Prinzip der Menschenrechte unterzuordnen. Zugegeben: Das war in diesen Tagen in österreichischem Lande nicht ganz so schwierig, weil die meisten Flüchtlinge nur durch Österreich durchreisen, aber nicht bleiben wollten. Die Kritik von Faymann an der Politik seines ungarischen Amtskollegen Viktor Orbán war jedenfalls schärfer als die gewohnt-diplomatischen Äußerungen. Gut so, also, aus der Perspektive von „Refugees welcome“!
Zwei Wochen später sieht die Situation anders aus. Die ÖVP schickt ihren obersten Repräsentanten vor, der Verständnis für die Politik von Orbán zeigt. Mitterlehner und Faymann treten unisono dafür ein, dass die Grenzen der EU „besser „geschützt“ werden sollten. „Grenzen schützen“ – den zynischen Euphemismus in dieser Sprachregelung kann ich schon nicht mehr hören. Aus dem Drama von Parndorf, den Bildern von ertrunkenen Kindern in der Ägäis, den Hunderten, für die das Mittelmeer zum Massengrab wurde, daraus wurde nichts gelernt. „Grenzen schützen“ heißt, dass Flüchtlinge in die verbrecherischen Hände von Schlepperorganisationen gelangen, dass die Flucht noch schwieriger wird. „Grenzen schützen“ erzeugt in den Herzen und Hirnen der hiesigen Menschen, dass die Flüchtlinge eine Gefahr sind, die mit NATO-messerschärfe abzuhalten sind – oder noch martialischer mit Soldaten an der Grenze. Ehrlicher wäre es, würden Faymann und Mitterlehner gemeinsam mit Orbán nicht von „Grenzschutz“ reden, sondern von „Flüchtlingsabwehr“.
Klaus Heidegger, 26.9.2015

Kommentare

  1. Also ich denke, die österreichische Bundesregierung und die Zivilgesellschaft habe die Situation einer humanitären Katastrophe bisher mit Anstand gemeistert. Wenn nun auch gesagt wird, dass der Grundkonflikt beendet werden muss, damit die Situation nicht weiter eskaliert und auch unsere Nachbarländer aufgefordert werden ihre Anteil zu leisten, dann sehe darin noch immer ein verantwortungsbewusstes und humanes verhalten.

  2. Ich fürchte nach wie vor dass die entscheidenden Politiker viel zu spät einsehen werden warum die Flüchtlinge kommen, dass nämlich wir (der Norden + USA) sehr viel Schuld haben dass es zu den großen Konflikten gekommen ist und dass wir alle sehr viel Geld verdient haben mit dem Waffenhandel. Oder hat schon jemand Frau Merkel und andere sagen hören „leider töten unsere Waffen auf fast jeder Seite und wir haben damit gut verdient“. Das gilt wohl angefangen von Vietnam bis heute. Was war doch das für ein Schauspiel wie man die Büste von Hussein vom Sockel gerissen hat! Im Grunde haben wir (der Norden) diese Völker weder gekannt noch abschätzen können welche Kräfte sie entwickeln können. So fürchte ich auch, dass wir schon zu lange mit dem Feuer gespielt haben und uns gar nicht ausdenken können welchen Brand es noch geben wird.

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