In der Friedensbewegung gab es für uns immer die logisch-einfächen Sätze wie: „Wer Bomben sät, wird Krieg ernten.“ Seit den Terroranschlägen von Paris wurde mehrmals ein Satz eines amerikanischen Autors zitiert: „Krieg ist wie ein Bumerang.“ Die widersinnige Logik des Krieges drückt auch ein Zitat von Anna Schreiber aus: „Wir töten viele Menschen, die keinen Menschen getötet haben, um ein paar Menschen zu töten, die Menschen töten, weil Menschen töten falsch ist.“
Das Reden von „Krieg“ unterscheidet sich fundamental in der Absicht der Sprechenden. Präsident Hollande und seine „Waffenbrüder“ reden von „Krieg“, weil sie den Krieg gegen Daesh wollen. Papst Franziskus redet von „Krieg“, weil er den Krieg nicht will, seine Realität aber zur Sprache bringt. Andere reden nicht von „Krieg“, weil sie die Wirklichkeit des Krieges nicht sehen wollen oder weil sie den Krieg der Oberbefehlshaber Hollande, Obama, Putin und Cameron nicht wollen. Ich möchte mich Papst Franziskus anschließen und spreche von „Krieg“, den Friedensbewegte nicht wollen.
Hollande will sogar einen „Vernichtungskrieg“. Daesh muss vernichtet werden, so seine Worte. Ihm angeschlossen haben sich die mächtigsten NATO-Verbündeten. Bomben aus Kampfjets fallen in diesen Tagen über syrischem Gebiet, töten Abertausende, bringen Zerstörung. Artikel 42,7 der EU-Verfassung mit seiner militärischen Solidaritätsverpflichtung wird eingemahnt. Das offizielle Österreich nützt nicht seine Möglichkeiten für eine aktive Neutralitätspolitik und stellt sich nicht in die erste Reihe jener, die für eine nicht-militärische Antiterrorkoalition steht. Die Militarisierung im Zusammenhang mit dem Antiterrorkampf führt zu kräftigen Impulsen für die Kriegswirtschaft. Wer Aktien bei einem der Rüstungskonzerne hat, kann sich seit den Attentaten von Paris über unvergleichliche Kursgewinne freuen. Die Kurse von Boeing, General Dynamics, Raytheon oder Thales kletterten unmittelbar nach der Terrornacht vom 13.11. um bis zu 10 Prozent. Das bedeutet letztlich: Die kriegsführenden Staaten stecken noch mehr Milliarden von Steuergeldern und Volksvermögen in die Taschen der Waffenproduzenten.
Religiöse Menschen und Friedensbewegungen halten hingegen fest: Es gibt andere – nicht-militärische – Wege, um Daesh zu bekämpfen. „Eine Ideologie ist kaum mit Bomben zu besiegen.“ So sprach die ehemalige italienische Außenministerin und EU-Kommissarin Emma Bonino. Die wichtigste Antwort auf den Terrorismus liegt im Aufdecken der Wurzeln desselben. Es ist, wie es zuletzt der Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei nannte, die Frustation über das massenhafte Elend, die Demütigungen der verarmten Massen, der ungelöste Nahostkonflikt. Konkret: Wenn 80 Milliardäre so viel besitzen wie die Hälfte der Weltbevölkerung, dann müsste dieser Tatbestand angepackt werden.
Der Innsbrucker Dogmatikprofessor Jozef Niewiadomski zeigt jenen dritten Weg auf, der weder feige Flucht und Resignation noch gezieltes Zurückschlagen bedeutet. Im „Jahr der Barmherzigkeit“, das von der katholischen Kirche mit Beginn des ersten Adventsonntags gefeiert wird, redet er selbst mit Bezug auf die Daesh-Mörder von Vergebung. Dies sei der einzige Weg, um aus dem Teufelskreis von eskalierender Gewalt zu kommen. Auch die Mörder von Daesh, so Niewiadomski, müssten als „Opfer“ gesehen werden. Wie kann dieser Ausbruch aus schrecklicher Gewalt und Terror und reaktiven Vernichtungsschlägen und zunehmender Terrorgefahr und weiterer Militarisierung und Abbau von Grund- und Menschenrechten durchbrochen werden? Nächste Woche feiern wir das Fest Mariä Empfängnis. Im Kern unseres christlichen Glaubens steht das Vertrauen, dass in der Kraft Gottes ein Ausbruch aus den erbsündenhaften Verstrickungen in Gewaltstrukturen möglich ist. In diesem Glauben könnten sich jene bewähren, die von einem „christlichen Abendland“ sprechen.
Klaus Heidegger, zum 1. Adventsonntag 2015, Tag 1 des Jahres der Barmherzigkeit