Blaue „Morgendämmerungen“ – Teil I


Von Klaus Heidegger

„Was keiner geglaubt haben wird
was keiner gewusst haben konnte
was keiner geahnt haben durfte
das wird dann wieder das gewesen sein
was keiner gewollt haben wollte“
(Erich Fried)

 

Vorwort

Die erste Grundlage für dieses Manuskript wurde im September 2013 gelegt, als die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) bei den Nationalratswahlen große Zugewinne erreichen konnte.

Bei den EU-Wahlen am 25. Mai 2014 haben die rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien in vielen EU- Staaten, unter anderem in Österreich, ihren Stimmenanteile deutlich verbessert. Im Jahr 2015 konnten in Polen und Ungarn die regierenden rechtspopulistischen Kräfte mit ihren Mehrheiten einen gefährlichen Umbau der staatlichen Systeme beginnen. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn und amtierende EU-Ratspräsident sprach mit Blick auf diese Entwicklungen, dass ihn diese Umbauten „leider an den Kurs, den auch diktatorische Regime gegangen sind, erinnere“.

In Österreich brachten alle Wahlen auf Landesebene im Jahr 2015 sehr große Zugewinne für die FPÖ. Bei den Landtagswahlen in der Steiermark erreichten die Freiheitlichen fast so viele Stimmen wie die SPÖ und die ÖVP. Sie konnten ihren Mandatsstand verdreifachen. Im Burgenland verdoppelten die Freiheitlichen ihren Mandatsstand. Bei den Landtagswahlen in Oberösterreich verdoppelten die Freiheitlichen ihre Stimmenanzahl und kamen auf knapp über 30 Prozent. Bei den Landtagswahlen in Wien wurde ursprünglich sogar ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem SP-Spitzenkandidaten Häupl prognostiziert. Dazu kam es nicht, doch auch in der Bundeshauptstadt konnten die Freiheitlichen unter HC Strache um fast 8 Prozent der Wählerstimmen zulegen und erreichten 32,3 Prozent.

Im Jahr 2015 erfolgte schließlich auch der Tabubruch, der dazu führte, dass die FPÖ als Regierungspartner auf Landesebene einsteigen konnte. Im Burgenland gibt es seither eine rot-blaue Koalition und in Oberösterreich wurde eine schwarz-blaue Regierung installiert. In beiden Fällen übernahmen die Freiheitlichen das Sicherheitsressort und damit die Schlüsselstelle für den Umgang mit Minderheiten und Flüchtlingen.

Die Bundespräsidentschaftswahlen 2016 mit dem freiheitlichen Spitzenkandidaten Norbert Hofer markieren einen weiteren Punkt im scheinbar unaufhaltsamen Siegeszug der FPÖ. Der erste Durchgang der Bundespräsidentschaftswahlen im April 2016 markiert endgültig eine politische Zäsur in Österreich. Der freiheitliche Kandidat Norbert Hofer erreichte mit knapp 37 Prozent der Stimmen gegenüber seinen anderen fünf Mitbewerbern einen deutlichen Vorsprung.

Es scheint, dass in Österreich eine extrem ausländerfeindliche, islamophobe und rechtspopulistische Strategie Oberwasser gewinnt. Gerfried Sperl kommentierte im DER STANDARD am Tag nach den Landtagswahlen 2015 in der Steiermark und im Burgenland und den fulminanten Wahlerfolgen für die FPÖ: „In einer Zeit, da Ängste erfolgreich produziert werden und die gefühlte Sicherheit gilt, nicht die tatsächliche, sind Warnsignale aufzustellen.“

Meinungsumfragen haben den rechtspopulistischen Wandel im Wesentlichen aufgezeigt. Sie zeigten schon bald nach den Nationalratswahlen 2013, dass auch in Österreich das eintreten könnte, was in Frankreich und Großbritannien bei den EU-Wahlen geschah: Rechtspopulistische Parteien überholten die traditionellen Parteien.

Diese Beobachtungsskizze über Ereignisse in den vergangenen Monaten und Jahren ist daher eine Warnschrift geworden, weil die Entwicklung tatsächlich Angst machen sollte, eine Angst jedoch, die zum Handeln verleiten will.

Der Begriff „Morgendämmerung“ passt, auch wenn mir bewusst ist, dass mit Bezug auf eine griechische Partei der Titel genauso mit „Morgenröte“ übersetzt werden könnte. Insofern ist „Morgendämmerung“ ein politisches Kunstwort, das mit dem Begriff „Dämmerung“ eine Gefahr anzeigen möchte. Im Blau steckt nicht das Blau des Himmels, sondern das Marineblau der FN von Marine Le Pen genauso wie das Blau der Freiheitlichen in Österreich. Ein Satz stimmt, den der FPÖ-Parteichef in seinem Hetz-Comic zur EU-Wahl 2014 schreiben ließ, wenngleich er ihn ganz anders versteht: „… wenn wir nicht alle sehr gut aufpassen, …“Und der freiheitliche Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer meinte in einem ORF-Interview im April 2016 vor den Wahlen kryptisch: „Wir werden uns noch alle wundern.“

 

Inhalt

1       Blaubraune Entwicklungen seit September 2013. 4

1.1         Rückblicke von außen nach den Nationalratswahlen 2013. 4

1.2         Blaue Entwicklungen nach den Nationalratswahlen 2013. 4

1.3         Mit einem blauen Auge davongekommen: Landtagswahlen 2015. 5

1.4         Die Bundespräsidentschaftswahlen 2016. 6

1.5         Blaue Morgendämmerungen außerhalb der FPÖ.. 7

2       Politisch fragwürdige Eckpunkte rechtspopulistischer Parteien. 8

2.1         Ausgrenzung von Flüchtlingen und Asylsuchenden als „blaues“ Markenzeichen. 8

2.2         Anti-Islamismus als Programm.. 12

2.3         Wahlkampf und Wahlerfolg auf Kosten der Schwachen und Minderheiten. 16

2.4         Unklare Grenzziehungen zur nationalsozialistischen und antisemitischen Vergangenheit. 19

Exkurs: FPÖ und ihre Verstrickung mit den Burschenschaften. 20

2.5         Das Völkische als Programm.. 22

2.6         Law and Order. 23

2.7         Zerschlagung der EU.. 24

2.8         Negation ökologischer Problemfelder. 24

 


 

1         Blaubraune Entwicklungen seit September 2013

1.1      Rückblicke von außen nach den Nationalratswahlen 2013

Die Grundtendenz in den Kommentarspalten ausländischer Printmedien unmittelbar nach den österreichischen Nationalratswahlen vom 29. September 2013 war eindeutig: Da wurde vom Erstarken der „radikalen Rechten“ (La Repubblica) bzw. der „extremen Rechten“ (Il Messaggero) geschrieben. Der Wahlerfolg der FPÖ wurde als „schauriger Triumph“ (Süddeutsche Zeitung) gewertet. In La Stampa hieß es nach dem Wahltag: „Doch aus den österreichischen Urnen geht vor allem ein weiteres Resultat hervor: Der unbremsbare Erfolg der extremen Rechten in Europa.“ Die Washington Post bezeichnete die Politik der FPÖ als „typical radical-right“. Die 20,5%-Marke der FPÖ wurde in Verbindung gebracht mit dem generellen Erstarken der radikalen Rechten in Europa – wie der „Alternative für Deutschland“ (AfD), der „Goldenen Morgendämmerung“ in Griechenland oder den Erfolgen rechts-nationalistischer Parteien in Norwegen, Schweden und Finnland. Es war bezeichnend, dass HC Strache der AfD zum Erfolg gratulierte. Auch in dieser Partei sind Islamfeindlichkeit und Fremdenhass zuhause. Genauso demonstriert die FPÖ ihre Nähe zur norwegischen Fortschrittspartei und sieht deren Regierungsbeteiligung als Signal, dass auch in Österreich die FPÖ zur Mitregierung hätte eingeladen werden sollen.

Diese Deutlichkeit in ausländischen Zeitungen wird von österreichischen Kommentatoren nur selten gewählt. Eine Ausnahme bildet Hans Rauscher im STANDARD, der weiterhin die NS-Affinität mancher Personen im Dunstkreis der FP nicht verschweigt und schreibt: „Der Wähler von Rechtsaußenparteien nimmt damit demokratiepolitisch bedenkliche Entwicklungen und Maßnahmen in Kauf.“

 

1.2     Blaue Entwicklungen nach den Nationalratswahlen 2013

Nach der Angelobung der Abgeordneten im Parlament Ende Oktober 2013 wurde auch der Dritte Nationalratspräsident gewählt. Wie gewohnt wurde dieser repräsentative Posten der drittstärksten Fraktion zugeteilt. Norbert Hofer von der FPÖ wurde als Dritter Nationalratspräsident gewählt. Drei Jahre später wird er Bundespräsidentschaftskandidat.

Mit Hofer als Nationalratspräsident steht an der Spitze des parlamentarischen Österreichs eine Person, die im Dunstkreis von Ausländerfeindlichkeit groß geworden ist. Von Hofer stammt die Aussage, Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen sollten zunächst ein von den Eltern finanziertes gesondertes Kindergartenjahr vor dem Schuleintritt durchlaufen. In einem von ihm verantworteten Handbuch über freiheitliche Politik wird gefordert, dass afrikanische Asylwerber besser in den afrikanischen Herkunftsländern verbleiben sollten. Ebendort deutet er Österreich als „Teil der deutschen Volks-, Sprach- und Kulturgemeinschaft.“ Wie auch die anderen FP-Abgeordneten trug Norbert Hofer bei der Angelobung die blaue Kornblume, das Symbol der Nationalsozialisten in Österreich, als die anderen Symbole wie das Hakenkreuz 1933 von Schuschnigg verboten worden waren.

1.3     Mit einem blauen Auge davongekommen: Landtagswahlen 2015

Die Redensart „mit einem blauen Auge davongekommen“ eignet sich zur Situationseinschätzung nach den Landtags- und Gemeinderatswahlen 2015 in Wien. Zum einen wird damit ausgedrückt, dass es noch viel schlimmer hätte kommen können. Meine Angst war groß, dass nach den massiven blauen Wahlerfolgen bei den Landtagswahlen im Burgenland, der Steiermark und in Oberösterreich nun auch Wien blau dominiert werden könnte, eine Befürchtung, die durch Umfragen bestätigt worden war, die ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Häupl und Strache orakelten. Am Wahlabend war ich dann doch erleichtert, dass Häupl mit seiner klaren Politik der Abgrenzung von ausländer- und flüchtlingsfeindlichen Inhalten weiterhin an der Macht sein wird. Nur ein „blaues Auge“ hat aber noch eine zweite Dimension. Im blauen Auge liegt auch die Negativität. Ein Drittel der Wiener und Wienerinnen hat eine Partei gewählt, die sich angesichts der Flüchtlingskrise für eine Schließung der Grenzen und eine Abweisung der Flüchtlinge ausgesprochen hatte, die knapp vor dem Wahlabend Thilo Sarrazin als Galionsfigur ihrer Politik einlud, die einen offensiv islamophoben Stil praktiziert hat und bei der Abgrenzung gegenüber den braunen Rändern fehlt. Das „blaue Auge“ deutet Gewalt und Verletzung an, die nun in der Stadt Wien durch einen Vizebürgermeister Johann Gudenus sichtbar werden. Für seine neue Tätigkeit wird der selbsternannte Repräsentant der „kleinen Leute“ als nicht-amtsführender Vizebürgermeister monatlich 9 500 Euro verdienen. Die Metapher vom „blauen Auge“ passt zu etlichen Äußerungen von Gudenus und passt zu einem Mitglied der schlagenden Verbindung „Vandalia“, der auch der FPÖ-Obmann angehört. Ich erinnere an den Sager von Gudenus bei einer FP-Wahlkampfrede: „Wenn H.-C. Strache den Bundeskanzler stellt (…), dann heißt es bei Bedarf auch Knüppel aus dem Sack. Es kann nicht sein, dass uns solche Menschen in Österreich auf der Nase herumtanzen. Wir müssen ihnen die Tür zeigen. Ab nach Hause, hatsch ma ham nach Pakistan.“ Wenn dieser von Gudenus herbeigesehnte absolute Worst Case eintreten sollte, dann freilich würde die Knüppelpolitik mehr als nur blaue Augen schlagen. Das genannte Zitat von Gudenus passt „wie die Faust auf’s Auge“ zu einem FP-Wahlkampfcomic, in dem Strache als schwertbewaffneter Kreuzesritter einen blondhaarigen Wiener Knirps lobt, der mit einer Steinschleuder auf einen „Mustafa“ zielt. Dazu passt auch, dass Gudenus wie sein Parteiführer nicht müde wird, die Knüppelpolitik Orbáns zu loben. „Principiis obsta“, Ovids Aufforderung, auf eine politische Ebene übertragen, lautet: „Wehre den Anfängen …“ Ein blaues Auge könnte erst der Anfang gewesen sein.

 

1.4     Die Bundespräsidentschaftswahlen 2016

Norbert Hofer wurde zu Beginn des Jahres 2016 als Bundespräsidentschaftskandidat der FPÖ nominiert. Von Beginn an war es sein Verständnis, voll auf der Parteilinie der FPÖ zu sein – das heißt ihre Inhalte 100% zu vertreten. Hofer war auch mitbeteiligt an der Erstellung des Parteiprogramms. Wer daher Hofer wählte, wählte die Inhalte der FPÖ. Für die FP-Führung waren die Präsidentschaftswahlen die Vorstufe zur Machtergreifung hin zu ihrem Ziel, den Bundeskanzler zu stellen.

Der freiheitliche Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer erreichte beim ersten Wahldurchgang am 24. April 2016 36% der Stimmen. Von einem „blauen Wunder“ wurde geschrieben. Der FPÖ-Chef Strache meinte: „Heute wurde Geschichte geschrieben“. Es sei ein neues Zeitalter aufgeschlagen“. Postwendend kamen auch gleich die Gratulationen der Rechtsextremen aus anderen europäischen Ländern. Zu den ersten Gratulanten für Hofer zählten Marine Le Pen, Geert Wilders und Matteo Salvini sowie die Chefin der rechtsextremen AfD.

Fakt ist jedenfalls, dass der enorme Zuwachs der Stimmen für den FPÖ-Mann Norbert Hofer vor allem mit dem Flüchtlingsthema zusammenhängt. Hier spielte der freiheitliche Kandidat voll auf der Klaviatur der Abschottung gegenüber Flüchtlingen, eines verdeckten Anti-Islamismus und einer Militarisierung der Flüchtlingspolitik. Erinnert sei an seine erste offizielle Rede als Präsidentschaftskandidat, bei der er Flüchtlinge als „Invasoren“ bezeichnet hatte.

Demgegenüber hatte beispielsweise Van der Bellen in der Flüchtlingsfrage eine andere Linie eingebracht. Er meinte, dass es Europa gemeinsam schaffen könnte, zwei Millionen Flüchtlinge aufzunehmen. Keine Rede also von „Festung Europa“.

Die Kommentare in den internationalen Medien nach dem ersten Wahldurchgang zu den Bundespräsidentschaftswahlen 2016 waren jedenfalls erwartungsgemäß eindeutig. Das Erstarken einer „far right“-Partei sei wie eine Schockwelle in diesem Europa.

 

1.5     Blaue Morgendämmerungen außerhalb der FPÖ

Blau-braune Entwicklungen gab es – besonders mit Beginn des Jahres 2016 – zuhauf auch in den etablierten Parteien SPÖ und ÖVP. Die regierende Koalition aus beiden Parteien näherte sich in ihren politischen Entscheidungen mehr und mehr den Inhalten der FPÖ an. Bisherige Grundwerte und Haltungen wurden aufgegeben. Besonders in der Flüchtlingspolitik wurde dies sichtbar. Aus einer Haltung der Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen im Spätsommer 2015 wurde innerhalb weniger Monate eine Politik der Abschottung.

In puncto Stimmenzuwachs freilich ging die Strategie der beiden Regierungsparteien nicht auf: Im Gegenteil. Obwohl sich beide dem Rechtspopulismus der FPÖ annäherten, wählten jene – die ohnehin bisher auf FPÖ-Linie lagen – lieber gleich den „Schmied“ als den „Schmiedl“. Im Zusammenhang mit dem Debakel, das der rote und der schwarze Bundespräsidentschaftsbewerber im April 2016 erlebten, schrieb Bernhard Hainzlmaier, dass es sich nicht lohnte, dem rechtspopulistischen Schnellzug FPÖ hinterherzulaufen, ihn aber nicht erreichen zu können.

 

Politisch fragwürdige Eckpunkte rechtspopulistischer Parteien

 

1.6     Ausgrenzung von Flüchtlingen und Asylsuchenden als „blaues“ Markenzeichen

Das Drama von Lampedusa in der Woche nach den Nationalratswahlen 2013 führte schon vor drei Jahren sinnfällig vor Augen, wohin eine Politik der Menschenfeindlichkeit führt. Wer eine asylfeindliche Politik zu verantworten hat, wird mitschuldig an diesem Leiden und Sterben. Wer dafür eintritt, die Mauern der Europäischen Union noch mehr hochzuziehen und zugleich Nächstenliebe gegenüber den verhungernden Massen in den Ländern des Südens vermissen lässt, trägt bei zum Massenelend in dieser Welt. Mit Papst Franziskus können wir von einer „Schande“ sprechen.

Die FPÖ mit ihrem ehemaligen Rechtsaußen-Vertreter im EU-Parlament, Andreas Mölzer, und ehemaligen EU-Spitzenkandidaten forderte angesichts der Tragödie vor Lampedusa im Herbst 2013 nicht Solidarität mit den Flüchtlingen, sondern eine Verstärkung von Frontex im Mittelmeer. Flüchtende Menschen sollen noch rigider zurückgewiesen werden. Je mehr aber die Grenzen dicht gemacht werden, desto gefährlicher werden die Flüchtlingswege.

Seit Jahren vergeht kaum ein Tag, ohne dass von FP-Mandataren Stimmung gegen Flüchtlinge und Asylsuchende gemacht wird. Dies hat System. Ein FP-Nationalratsabgeordneter beschimpft die Flüchtlinge in Traiskirchen als „Erd- und Höhlenmenschen“. Auf Facebook dichtete dieser Abgeordnete zu einem Video, das Bootsflüchtlinge zeigt, „eine Seefahrt ist lustig, eine Seefahrt ist schön, holladria, holladrioh…“.

Bis hinunter in die kleinen Bereiche wird die FPÖ-Position, Flüchtlingen in Österreich ein Asyl zu erschweren, merkbar, etwa wenn der Tiroler FP-Nationalratsmandatar Peter Wurm Kräfte unterstützt, die die Aufnahme in einem Tiroler Dorf erschweren. Ähnliches geschieht in ganz Österreich. In den Sommerdiskussion 2014 um die Aufnahme von Flüchtlingen vertrat die FPÖ unermüdlich den Standpunkt, keine weiteren Flüchtlinge aufzunehmen. Als in Tirol erstmals eine größere Kundgebung gegen ein Asylheim war, waren wiederum FPÖ-Redner am Podium zu finden.

Typisch für eine populistische Politik ist es, immer wieder auf die Kosten hinzuweisen, die für die Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen aufgewendet werden. Das weckt dumpfe Gefühle, dass „dem heimischen Volk“ etwas weggenommen wird, das ihm gehört. Während die Welt an die humanitären Katastrophen im Mittelmeer denkt, unmittelbar nach den Tagen, an dem innerhalb kurzer Zeit mehr als 1000 Menschen im Mittelmeer ertranken, rechnete der FPÖ-Klubobmann Tirols vor, was jedes Flüchtlingsheim in Tirol kosten würde.

Die blau-braune Politik rechtspopulistischer Parteien ist geprägt von einer Abwehr von Flüchtlingen. Wenn FPÖ-Chef Heinz Christian Strache die Errichtung von Auffanglagern in Nordafrika fordert, dann passt dies wie ein Puzzlestück zu den Forderungen von Rechts-außen Viktor Orbán, die Grenzen der EU mit Militär stärker zu bewachen und aufgegriffene Flüchtlinge schneller abzuschieben. Im Mai 2015 forderte der Tiroler Landtagsabgeordnete Rudi Federspiel ein Dichtmachen der Grenze am Brenner mit der Bemerkung „Das Boot ist voll“. Ein Jahr später wurde ebendiese Forderung von der rot-schwarzen Regierung in Aussicht gestellt.

Auch in den Landtagswahlkämpfen spielte das Asylthema für die FPÖ eine zentrale Rolle. Dabei folgt die FP-Propaganda dem gleichen Strickmuster. Flüchtlinge werden zum einen mit Kriminalität in Beziehung gebracht, zum anderen wird permanent auf die angeblich hohen Kosten verwiesen, die durch die Aufnahme von Flüchtlingen für die Allgemeinheit erwachsen würden. Für den steirischen FPÖ-Chef Mario Kunasek waren im Wahlkampf „Asylschwindler“, „Kriminaltourismus“ und „Das Boot ist voll“ die Ankerworte. Auf der Bildebene werden Emotionen gegen Ausländer und Flüchtlinge geweckt.

Der FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache verknüpft dabei seinen Antiislamismus mit der Flüchtlingsfrage, wenn er meint, Österreich solle vorwiegend christliche Flüchtlinge aufnehmen, während die Muslime in den islamischen Ländern Zuflucht suchen sollen.

Bei einer Asyldebatte im Nationalrat im Frühsommer 2015 forderte die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein mehr Abschiebungen. Flüchtlinge sollten in Transportmaschinen außer Landes gebracht werden, um Widerstand unmöglich zu machen. Zum möglichen Protest der Flüchtlinge bei der Abschiebung meinte sie menschenverachtend: „Da können sie so laut schreien, wie sie wollen.“

Mit Beschimpfungen von Ausländern und plumpen Unterstellungen tat sich immer wieder die blaue Landtagsabgeordnete aus Tirol, Hildegard Schwaiger, hervor. In einem Facebook-Beitrag postete sie: „Heute sind wir tolerant, morgen fremd im eigenen Land.“ Und weiters: „Flüchtinge sollten in Gewehrläufe und Mistgabeln blicken.“

Im Herbst 2015, als die Flüchtlingskrise in Europa besonders greifbar war, in den Tagen, als Tausende Flüchtlinge aus Syrien nach Österreich kamen bzw. über Österreich nach Deutschland und andere EU-Staaten reisen wollten, waren zugleich zwei Landtagswahlen. Geschickt konnte die FPÖ damit Stimmen auf sich ziehen. Der Chefredakteur der TT Mario Zenhäusern schrieb dazu am Tag nach den Wahlen in Oberösterreich, bei denen die FPÖ ihren Mandatsstand auf über 30% verbessern konnte, „FPÖ nützt eiskalt Ängste, die sie selber schürt“. Kommentatoren und Politologen buchten jedenfalls die Erfolge der FPÖ einheitlich auf die Flüchtlingsfrage.

Menschenrechtswidrige Äußerungen von Seiten der Freiheitlichen geschehen in einem Klima, wo die Grenzen gegenüber Flüchtlingen von der herrschenden Politik zunehmend mehr aufgebaut werden. Im Juni 2015 begann Ungarn mit dem Bau eines 175 Kilometer langen Grenzzaunes zu Serbien. Die Grenzen Bulgariens und Griechenlands zur Türkei wurden bereits dicht gemacht.

Gleichzeitig wird auch von Politikern anderer Parteien in abgeschwächter Form auf die Forderungen der FPÖ eingegangen. Die österreichische Innenministerin Mikl-Leitner kündigte im Juni 2015 – unmittelbar nach den blauen Wahlerfolgen in der Steiermark und im Burgenland – an, die Bearbeitung von neuen Asylverfahren zu stoppen und Dublin-Flüchtlinge abzuschieben. Der Sinn ihrer Aktion: Erstens solle Österreich als Asylland unattraktiver werden, wenn es keine neuen Asylverfahren mehr geben würde; zweitens würden jene, die aus ihrer Sicht laut Dublin-Verordnungen unrechtmäßig in Österreich sind, schneller abgeschoben. Damit wird die FPÖ-Forderung, Abschiebung statt Aufnahme, Abschreckung statt Hilfe für Flüchtlinge von Seiten der bestehenden Regierung umgesetzt.

Im Sommer 2015, zwei Tage vor dem schrecklichen Ereignis erstickter Flüchtlinge bei Parndorf, kritisierte der österreichische Außenminister Sebastian Kurz Griechenland, weil es sich zu wenig um den Schutz der EU-Außengrenze kümmere. Zugleich erinnerte er daran, dass Griechenland eine der größten Armeen Europas hätte. Mit den Forderungen, Grenzen dicht zu machen, entsprach Sebastian Kurz genau den Forderungen der Rechtspopulisten. Diese Äußerungen müssen im Kontext gesehen werden, dass die FPÖ sich im Aufwind befindet, gerade in einer Zeit, in der in Österreich zwei wichtige Landtagswahlen stattfinden. So meinte der wahlkämpfende oberösterreichische Landeshauptmann einen Tag nach der Flüchtlingstragödie von Parndorf: „Man muss die EU-Außengrenzen schärfer kontrollieren.“

Bis hinunter auf Gemeindeebene lässt sich jener Populismus auch in anderen Parteien festmachen, den die FPÖ gekonnt instrumentalisiert. Der SPÖ-Bürgermeister aus Rum, Edgar Kopp, meinte etwa: „Es gibt daher gar keine andere Lösung, als Europa dichtzumachen. Je eher dies geschieht, umso besser für unsere Bevölkerung.“ Geflissentlich wird dabei ignoriert: Je dichter die Grenzen sind, desto mehr werden verzweifelte Flüchtlinge auf Schlepperei und gefährliche Fluchtversuche angewiesen sein, um überhaupt nach Europa gelangen zu können.

Auf FP-Wahlplakaten und in Postwurfsendungen wird gerade in Wahlzeiten Angst vor Flüchtlingen und Asylsuchenden gemacht. Dargestellt wird in folgendem Bild aus einer Postwurfsendung der FPÖ vor den Landtagswahlen in der Steiermark eine Figur, die als Terrorist charakterisiert wird. Im Hintergrund ist ein steirisches Dorf. Allerdings gibt es in diesem Dorf weder einen Flüchtling noch ein Asylheim.

Nach dem Wahlerfolg der steirischen FPÖ war HC Strache siegessicher und nützte dies einmal mehr, um seinen Sager „das Boot ist voll“ zu platzieren und fügte hinzu, dass es „selbstverständlich“ sei, illegale Flüchtlinge nach Afrika zurückzuschieben. In Wien demonstrierten Anhänger der FPÖ mit FP-Werbeplakaten gegen ein Asylheim.

Das Thema Flüchtlinge war auch omnipräsent im Bundespräsidenschaftswahlkampf 2016, bei dem die FPÖ mit Norbert Hofer antrat. Bei Wahlkampfkundgebungen gemeinsam mit HC-Strache forderte dieser eine „Null-Obergrenze“ und Hofer erklärte, man müsse die „Invasion von Muslimen“ stoppen und einen Zaun wie in Ungarn bauen.

 

1.7     Anti-Islamismus als Programm

Mit der Flüchtlingsfrage eng verknüpft wird von den Rechtsaußenparteien ein offener oder latenter Anti-Islamismus.

Als im Herbst 2014 in Dresden und anderen deutschen Städten die Anti-Islam-Bewegung „PEGIDA“ (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) entstand, die jeden Montag mit Demonstrationen auf die Straßen ging, solidarisierte sich der FPÖ-Parteichef sofort mit dieser Bewegung. Auf seiner Facebook-Seite gratulierte er zu einer der PEGIDA-Demonstrationen. In einem Interview mit der Tiroler Tageszeitung vom 30.12.2014 nannte er PEGIDA eine „seriöse Bürgerrechtsbewegung“. Sekundiert wurde der Parteichef auch vom Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger: „Wir brauchen keine Pegida-Bewegung, weil die Tiroler FPÖ dieses Spektrum abdeckt, …“, meinte er in einem Interview, in dem er sich vollinhaltlich zu den Anliegen wie zu dem Phänomen von Pegida bekannte.

Islamfeindliche Äußerungen durchziehen die Reden von Politikern der FPÖ. Bei seiner Rede zum „politischen Aschermittwoch“ 2015 bekräftigte HC Strache einmal mehr, dass der Islam „kein Teil Österreichs“ sei. Dies geschah bewusst mit Blick auf eine vielfach diskutierte Äußerung von Angela Merkel, die den Islam als Teil Deutschlands wertete. Dagegen sprach sich auch der CSU-Vorsitzende Stoiber bei einer Aschermittwoch-Veranstaltung aus, wo er – ähnlich wie HC Strache – argumentierte, dass er sich den Satz von Merkel keinesfalls zu eigen machen wolle.

Symptomatisch für die Islamfeindlichkeit der Freiheitlichen Österreichs war die Einladung an den wohl prominentesten Islamhasser Europas, den Chef der niederländischen Rechtsextremisten, Geert Wilders.

Geert Wilders wurde dabei sowohl von der FP-Spitze wie von der FP-Basis hofiert. In dem Einladungsplakat zu dieser Veranstaltung unter dem Titel „Europas Bedrohung durch die Islamisierung“ wurde einmal mehr das Motiv verwendet, wie Minarette das Land durchlöchern. Über den Islam sagte Wilders seine bekannte Position: „Diese Kultur hat nichts mit Freiheit und Demokratie zu tun. Wenn man dagegen auftritt, wird man Rassist genannt oder es wird gleich eine Fatwa verhängt.“ Man solle die Immigration aus islamischen Staaten stoppen.  „Ich will keine Moscheen, keine Imame und keine islamischen Schulen in meinem Land“, so Wilders. Wilders klare Botschaft an das Publikum: „Der Islam wird Wien, die Niederlande, das freie Europa nicht besiegen. Wir werden den Islam besiegen.“ Ebenso eindeutig ist sein Kulturverständnis: „Wir tragen die Fackel einer Zivilisation, die jeder anderen weit überlegen ist. Unsere Kultur ist besser als die islamische.“ Einwanderer sollten die Gepflogenheiten des Ankunftslandes übernehmen, nicht umgekehrt. Frenetischer Applaus – in Wien waren es durchwegs FPÖ-WählerInnen – folgte seinen Forderungen: „Keine Moscheen mehr. Keine. Alle islamischen Schulen schließen. Noch heute. Keine weitere Zuwanderung aus islamischen Ländern.“ Zu den vielen umstrittenen Äußerungen Wilders gehört sein Vergleich von Hitlers „Mein Kampf“ mit dem Koran, der deswegen auf die Verbotsliste gehören sollte.

Der FPÖ-Chef nutzte die Gelegenheit zur innenpolitischen Profilierung. Er zeichnete ein Bild der drohenden „Über-Islamisierung“: Mitte des Jahrhunderts könnten Muslime in Wien die Bevölkerungsmehrheit stellen, prophezeite Strache. Strache und Wilders unterstrichen ihr freundschafltiches Verhältnis. Strache über Wilders: „Er ist ein ganz großer Europäer, der im legitimen politischen Spektrum steht.“ Wilders über Strache: „Er ist ein Held.“ Strache verteidigte Wilders gegen den Vorwurf, er sei ein Hetzer: „Dieser Begriff wird von Gegnern dann benutzt, wenn ihnen die Argumente ausgehen.“ Wilders muss sich in den Niederlanden bereits zum zweiten Mal wegen Verhetzung vor Gericht verantworten, 2011 wurde er freigesprochen. Bei anderen Gelegenheiten hatte er ein Verbot des Korans in den Niederlanden gefordert und den Islam als faschistische Religion bezeichnet.  Auf die Frage, ob Strache Wilders‘ umstrittene Sager inhaltlich teile, relativierte er: „Ich würde diese Vergleiche nicht anstellen, jeder hat seine eigene Sichtweise.“ Jedoch: „Der Islamismus ist sehr wohl der Faschismus unserer Zeit.“

In den Bundesländern setzt die FPÖ in jedem Wahlkampf auf die Karte „Islamfeindlichkeit“. Die steirische FPÖ trat unter dem populistischen Namen „Wir Steirer“ auf und garnierte den Landtagswahlkampf 2015 mit der Kampagne „Stopp dem Moscheenbau“, verbunden mit permanenten antiislamischen Meldungen.

Dabei wurde bewusst auf eine wahrheitsgetreue Darstellung verzichtet. Graz hatte bis dato keine einzige Moschee. Jene, die gerade gebaut wird, wird mit keinem Cent aus der öffentlichen Hand finanziert. Die populstische Stimmungsmache, dass für Moscheebau Gelder verwendet werden, die den sozial Schwachen weggenommen werden, stimmt einfach nicht.

 

1.8     Wahlkampf und Wahlerfolg auf Kosten der Schwachen und Minderheiten

Die Tatsache, dass bereits bei den Nationalratswahlen 2013 jede 5. Wählerstimme an die FPÖ ging, dass in der Steiermark die FPÖ zur stärksten Partei wurde und in Tirol zur zweitstärksten und dass Gemeinden wie Kufstein, Jenbach, Wattens, Telfs und Wörgl mehrheitlich FP dominiert sind, verhieß nichts Positives. Nach der Wahl wurde die FPÖ in der Bevölkerung als „Sieger gesehen“. Es ist ein Erfolg für eine populistische Politik, die Menschen mit einem Migrationshintergrund ausgrenzt. Der „Ausländerwahlkampf durch die Hintertüre“ (©sabl) durch das Nächstenliebe-Thema ist aufgegangen. In fast hetzerischer Weise wurden türkischstämmige und muslimische Menschen abqualifiziert. Mit Sprüchen wie „Willst du eine Wohnung haben, musst du Kopftuch tragen“ wurden Migrationsfamilien zu Sündenböcken gemacht. In der neuen blauen steirischen Hochburg wurde in Massensendungen mit Sprüchen polemisiert, wie „FPÖ baut Pflegeheime, ÖVP baut Moscheen.“ Symptomatisch für eine ausländer- und islamfeindliche Propaganda stand das Comic-Heft „Sagen aus Österreich“, das als Gratisaussendung allen Jungwählern und Jungwählerinnen zugeschickt worden ist. Darin wird gezeigt, was sich hinter dem FP-Slogan „Integration als Pflicht“ verbirgt. Türken sollen zum Christentum konvertieren und als Sklaven arbeiten, so der Grundtenor dieser „blauen“ Hetzschrift.

Das Grundgebot der Nächstenliebe wurde in seinem biblischen Anspruch verdreht. Im Evangelium wird dieses Gebot als praktische Solidarität mit den Schwächsten einer Gesellschaft definiert. Religiöse Wertvorstellungen wurden von Kickl und Co benützt, tatsächlich aber wurde gegen den Islam und die Muslime Stimmung gemacht. Im FP-Wahlkampf 2013 wurden Asylsuchende generell unter den Verdacht von Asylbetrug („Asylbetrüger abschieben“) gebracht. Die steirische FP-Frontfrau Susanne Winter konnte durch den Wahlerfolg ebenfalls ins Parlament einziehen. Sie ist einschlägig bekannt durch die Herabwürdigung des Propheten Muhammad. Deswegen ist sie auch wegen Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren verurteilt worden. Anfang November 2015 machte die FPÖ-Abgeordnete wiederum auf sich aufmerksam, als sie in einem Facebook-Posting einen zustimmenden Kommentar zu einem antisemitischen Beitrag lieferte. In diesem Posting wurde den „zionistischen Geldgebern“ die Schuld an der Flüchtlingskrise gegeben. Winter schrieb dazu: „Schon, dass Sie mir die Worte aus dem Mund nehmen.“

Auch Barbara Rosenkranz, ebenfalls bekannt geworden durch nazi-affines Gedankengut, wurde neue Nationalratsabgeordnete. Wer gegen die Schwachen einer Gesellschaft polemisiert, verrät jedenfalls das Gebot der Nächstenliebe. Wer gegen eine Religionsgemeinschaft polemisiert, stellt sich gegen den Dialog der Religionen.

Nach den Nationalratswahlen sah sich die FPÖ-Führung jedenfalls bestärkt in ihrem ausländerfeindlich-islamophoben Politikstil. So meinte Strache in seiner Rede zum Nationalfeiertag 2013, umrahmt von rot-weiß-roten Fahnen: „Es ist unsere Aufgabe, Sorge zu tragen, dass unsere Kinder nicht zur Minderheit in diesem Land werden.“ Wer die „Leitkultur unseres Landes nicht anerkenne, habe in unserem Land nichts zu suchen“, wetterte Strache. Das „Grundproblem Österreichs“ ortete Strache in der „Massenzuwanderung aus islamischen Ländern“. Strache spielt damit eine nationalistische Karte aus, wie sie überall in Europa auftritt, beispielsweise in Gestalt des Schweizer Populisten Blocher und der Schweizer Volksabstimmung.

In dem FPÖ-Werbefilm, der eine Woche vor den EU-Wahlen auf youtube veröffentlicht worden war, konnte auch Thilo Sarazin zu Wort kommen. Dieser zählt zu den meistgelesenen islamkritischen Autoren Deutschlands.

Rechtspopulistische Politik folgt dem einfachen Strickmuster. Man erklärt die ohnehin schon schwächste Menschengruppe zu Feinden, diffamiert sie und stellt sie als Bedrohung für die nächst-schwächere Bevölkerungsgruppe hin. Die Tiroler FP-Mandatarin Schwaiger beispielsweise schreibt in einem FB-Eintrag: „Tausende Menschen fremder Kulturen werden in unser Land gelockt und überaus großzügig unterstützt, ohne dass sie hier etwas geleistet haben. unsere Mütter und Großmütter müssen oft mit weniger auskommen … Die Sozialtöpfe müssen zuerst für unsere Leute geöffnet werden.“

Zur beinahe alltäglichen Politik, die wirklich Schwachen in diesem Land auszugrenzen – was vor allem Menschen mit Migrationshintergrund betrifft – könnten zahlreiche Beispiele angeführt werden. „FPÖ wettert gegen Mindestsicherung“, lautet beispielsweise eine Schlagzeile in der Tiroler Tageszeitung vom 10.3.2015. Im Text dazu heißt es, dass NRAbg. Peter Wurm fordert, dass „nur noch Österreicher, die arbeitsfähig sind“, Sozialleistung beziehen sollten. Der Anteil der Österreicher daran betrage, so Wurm, ohnehin nur 55 Prozent. Außerdem sollten Sozialleistungsbezieher zu Arbeitsdiensten verpflichtet werden können. Sekundiert wurde er in diesen Forderungen von der damaligen Landtagsabgeordneten Hildegard Schweiger, die meinte: „Es kann doch nicht sein, dass sich Nichtstun mehr bezahlt macht als die tägliche Arbeit.“ Ein Vorfall am Innsbrucker Bahnhof, bei dem zwei jugendliche Nordafrikaner in Streit gerieten, wurde von einem freiheitlichen Nationalratsabgeordneten mit den menschenverachtenden Bemerkungen kommentiert „Gesindel ist Gesindel und bleibt Gesindel.“

Als Anfang Februar 2014 die Schweizer Volksinitiative gegen „Massenzuwanderung“ mit Erfolg ausging, waren die FPÖ gemeinsam mit den rechtsextremen Parteien Europas die ersten, die zum Sieg applaudierten. Kommentar von Strache: „Auch in Österreich würden sich die meisten Menschen für eine Begrenzung der Zuwanderung aussprechen“. Gleich darauf wünschte er sich auch eine ähnliche Volksabstimmung wie in der Schweiz. Integrationsmaßnahmen wurden von der FPÖ immer wieder unterlaufen. So wurde der Vorschlag kritisiert, Türkisch als Maturafach zuzulassen.

 

1.9     Unklare Grenzziehungen zur nationalsozialistischen und antisemitischen Vergangenheit

„Ich habe gemischte Gefühle, wenn ich Österreich besuche, was ich selten tue, weil der Antisemitismus heute genauso verbreitet ist wie damals.“ Dieses Zitat stammt vom Chemienobelpreisträger des Jahres 2013, Martin Karplus, der 1938 mit seiner Familie aus Österreich geflüchtet war. Auch dieser Blick von außen, dem Blickwinkel eines emigrierten Juden, spricht von einem weiterhin grassierenden Antisemitismus. Politologen verorten diesen im Dunstkreis der FPÖ.

Signale dafür gibt es viele. Da war im Herbst 2013 der Einzug der Freiheitlichen in den Nationalrat nach den Wahlen mit der blauen Kornblume, ein früheres NS- und heutiges Neonazi-Symbol. Da war die neuerliche Infragestellung des NS-Verbotsgesetzes durch Norbert Hofer, der dann kurz darauf zum Dritten Nationalratspräsidenten gewählt wurde. Und da war beispielsweise der Drittes-Reich-Vergleich des ehemaligen FPÖ-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Andreas Mölzer. Dieser meinte, die EU sei eine Diktatur, dagegen sei „das Dritte Reich wahrscheinlich formlos und liberal“. Auch auf die Kritik an diesem Vergleich blieb Mölzer bei der Aussage, dass der NS-Staat im Vergleich zur EU liberal gewesen sei. Erst nach breiter öffentlicher Kritik wurde Mölzer vom FPÖ-Parteichef am 7. April 2014 als EU-Spitzenkandidat der FPÖ abgesetzt. Kommentatoren sahen darin jedoch keine wirkliche Abgrenzung von Strache gegen den rechtsnationalistischen Rand in seiner Partei. Dies kann als wahltaktisches Machtkalkül gewertet werden, um nicht einen Wahlerfolg bei den EU-Wahlen zu gefährden. Fakt bleibt, dass die deutschtümelnden Mölzer-Fans weiterhin einen wesentlichen Teil der FPÖ bilden. Die Liste von Politikern, Journalisten und Politikwissenschaftlern, die die FPÖ als „rechtsradikal“ einstufen, ist umfangreich. So begründete der langjährige EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin seinen Ausstieg aus der Politik mit seinem Frust mit dem „Sog hin zur rechtsradikalen FPÖ“.

Rechte Sprüche mit nationalsozialistischem, antisemitischem bzw. rassistischem Touch haben in der FPÖ Tradition und es sieht so aus, als würden sie – besonders in Wahlkampfzeiten – ganz verwendet. Mit NS-Verharmlosung und rassistischen Sprüchen wird Stimmenfang gemacht. In diesem Sinne ist auch der „Neger-Spruch“ von Andreas Mölzer zu werten, der von einigen seiner FPÖ-Freunde, die im Nationalrat sitzen, verteidigt wurde. In diesem rassistischen Kontext wurde auch aufgedeckt, dass von Mölzer rassistische Bemerkungen über den Fußballstar David Alaba gemacht worden sind. Diesen Star zu beleidigen, war wohl der Auslöser, dass Mölzer von seinem Parteichef als Spitzenkandidat zurückgezogen war. Zu groß war die Angst, wegen der Verunglimpfung Alabas Stimmen zu verlieren.

Exkurs: FPÖ und ihre Verstrickung mit den Burschenschaften

Da war die Diskussion rund um das Treffen der „deutschnationalen“ und schlagenden Burschenschaften in Innsbruck im Herbst 2013, bei dem ehemalige Spitzenpersönlichkeiten der FPÖ wie Andreas Mölzer oder Ewald Stadler teilnahmen und das von der FPÖ – insbesondere der FPÖ-Tirol – energisch verteidigt wurde. Die Bürgermeisterin wurde vom FPÖ-Tirol-Parteichef Markus Abzwerger massiv kritisiert, weil sie andeutete, in Zukunft für solche Treffen öffentliche Einrichtungen wie die Messehalle nicht mehr zur Verfügung zu stellen. Ein FPÖ-Bezirksparteisekretär sprach überhaupt mit Blick auf die Bürgermeisterin von „Mörderin der Versammlungsfreiheit“. Von der FPÖ wurde die Bügermeisterin als „geistige Brandstifterin“ bezeichnet und der FPÖ-Parteichef Heinz Christian Strache sprach von einem „demokratiepolitischen Skandal“. Und immer wieder geschieht dabei die so bekannte Opfer-Täter-Umkehr. Wird Kritik an den Burschenschaften geübt, so sehen diese sich sofort als unschuldige Opfer linksfaschistischer Kreise und vergleichen sich sogar mit den Opfern des Nationalsozialismus.

Die Verstrickungen zwischen Burschenschaften und FPÖ sind offensichtlich. Im freiheitlichen Parlamentsklub ist mehr als jeder Dritte bei einer schlagenden Verbindung, das sind 18 FPÖ-Nationalratsabgeordnete von insgesamt 40, im Wiener Landtag sogar jeder Zweite. Die Zahl der Mitglieder der schlagenden, deutschnationalen Verbindungen wird in Österreich auf 4000 geschätzt. Ihr Einfluss auf Wirtschaft und Politik ist dennoch beträchtlich, da sie aufgrund von Seilschaften oft einflussreiche Positionen besetzen.

Häufig wird kritisiert, dass sich die Deutschen Burschenschafter nicht ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit stellen wollen und ihr gegenüber auch keine klare Abgrenzung vornehmen. Der Politologe und Rechtsextremismus-Experte Reinhold Gärtner meint, dass immer wieder die Vergangenheit „verharmlost“ werde. Sprechendes Beispiel dafür ist die Tatsache, dass dem Mitglied der Suevia-Verbindung, Gernot Lausegger, der beim November-Pogrom 1938 in Innsbruck einen Juden ermordete, weiterhin auf einem Denkmal der Studentenverbindung in einem Innsbrucker Friedhof die „Ehre“ erwiesen wird. Obwohl die Zahl der Deutschen Burschenschafter relativ klein ist, sind sie gerade aufgrund ihrer Einbindung in die FPÖ an zentralen Schlüsselstellen – bis hin zum Dritten Nationalratspräsidenten – politisch mächtig.

Neuerlich sichtbar wurde das enge Verhältnis zwischen FPÖ und Deutschen Burschenschafter rund um die Diskussionen des sogenannten „Akademikerballes“ im Jänner 2014. Die FPÖ übernahm für die Burschenschafter – den Wiener Korporationsring – die Einladung und die Verantwortung für diesen Ball, um es so zu erreichen, dass dieser Ball weiterhin in der Hofburg stattfinden konnte.

Das Urteil von Politologen über die Burschenschafter fällt eindeutig aus. So schreibt der Innsbrucker Politologe Reinhold Gärtner über den Versuch der Burschenschafter, unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit ihre Ideologien zu vertreten: „Die Crux dabei ist, dass manche von ihnen nur zu gerne einer Ideologie nachweinen, die mit Meinungsfreiheit aber schon gar nichts zu tun hatte. Sie betonen, die Freiheitsideale von 1848 hochhalten zu wollen, und landen doch wieder bei plumpem Deutschnationalismus oder beim Arierparagraphen. Sie meinen, von den Nationalsozialisten verboten worden zu sein, verschweigen aber die feierliche Aufnahme in den NSDAP-Studentenbund. Und sie wollen ja nur Zukunftsfragen ansprechen, zeigen aber keinerlei Initiative, mit der eigenen NS-Vergangenheit aufzuräumen. Das ist das Problem: Viele der Burschenschafter wollen (oder können) partout nicht verstehen, dass Österreich nicht erst im Jahre 2014 bereit und willens ist, den Nationalsozialismus als das zu benennen, was er war: ein zutiefst verbrecherisches Regime. Und dass für dieses Regime und seine Ideologie nun einmal kein Platz in einem demokratischen System sein kann.“

Die These der Burschenschafter, sie seien zur Zeit des Nationalsozialismus verboten worden, ist in sich nicht haltbar. Zum einen wäre es das klare Programm der Nationalsozialisten gewesen, nichts außerhalb der eigenen Partei zuzulassen, zum anderen bot man aber den Burschenschaftern an, sich als Kameradschaften im Rahmen des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes zu integrieren, was die meisten Burschenschaften auch getan haben. Jedenfalls könnte in keinster Weise behauptet werden, dass die Burschenschafter in irgendeiner Weise im Widerstand gegenüber dem Nazi-Regime waren, wie etwa Teil der katholischen Studentenverbindungen.

In den Kommentarspalten heimischer Medien wird ebenfalls meist ein eindeutiges Urteil über die Burschenschafter gefällt. Günter Traxler beispielsweise stellt sich mit Blick auf die Burschenschafter die Frage, ob „Rechtsextremismus in Österreich zu einem gesetzlich gestatteten Kultus erhoben werden soll“. Anlass für diesen Kommentar war eine Aussage von Andreas Mölzer in der Zeitschrift „Aula“, in der er die Ausschreitungen im Zusammenhang mit dem Akademikerball mit dem Novemberpogrom verglich.

Historisch gesehen waren die Burschenschaften ab 1933, als die NSDAP in Österreich verboten war, „perfekte Tarnorganisationen für NSDAPler“. Die deutsch-nationalen Burschenschaften bereiteten den „Weg Österreichs in den Nationalsozialismus“. Bereits in den 1920er Jahren wurden sie daher als „Hakenkreuzler“ bezeichnet. Nach dem Anschluss wurden zahlreiche Spitzenpositionen mit Burschenschafter besetzt. Der Rechtsextremismusforscher Andreas Peham sieht seither die bleibende Überschneidungen zu Neonazikreisen. Die Burschenschaften würden noch heute – etwa wegen des Konventsgeheimnisses – als Rückzugsorte für Männer mit neonazistischer Gesinnung dienen. Den Zusammenhang zwischen FPÖ und Burschenschaften definiert Peham wie folgt: „Es ist eine wechselseitige Abhängigkeit. Sie sind das intellektuelle Rückgrat der Partei, haben Einfluss in der Wirtschaft und bekommen von der FPÖ Mandate und Jobs im Parlamentsklub, bei Bildungsvereinen und Publikationen.“ Die Tatsache, dass die FPÖ 2011 das „Bekenntnis zur deutschen Volksgemeinschaft“ in ihr Programm aufnahm, sieht Peham jedenfalls als deutliches Signal in eine bestimmte Richtung.

1.10  Das Völkische als Programm

Das völkisch-nationalistische Gehabe der FPÖ, ihre nationalistisch geprägte Kritik an der EU und der zelebrierte Österreichpatriotismus finden zeitgleich in einer Welt statt, in der an vielen Ecken und Enden das Völkische Blutspur und Chaos hinterlassen. Die völkischen Separatisten zerstören den Frieden in Europa, wie gerade in den Wochen vor den EU-Wahlen am Beispiel der Ukraine sichtbar wurde. Vor hundert Jahren war es auch völkisches Denken, das zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges geführt hatte.

1.11  Law and Order

Typisch für eine Rechtsaußen-Partei ist die permanente Konzentration ihrer Politik auf alles, was den klassischen Mustern einer staatlichen Sicherheitspolitik entspricht. Die sicherheitspolitische Ausrichtung der FPÖ lautet: Mehr Polizei und mehr Militär. So kritisierte die FPÖ vehement die beschlossenen Einsparungen im Verteidigungsressort und verlangte den Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers, da es unter ihm eine Budgetkürzung in seinem Bereich geben sollte. Mit der Härte des Gesetzes soll gegen jene vorgegangen werden, die unerwünscht sind oder als unerwünscht definiert werden. Dazu zählen für die FPÖ die Bettler. Entsprechend forderte die FPÖ-Tirol ein Bettelverbot in Innsbruck. Der FPÖ-Klubchef Rudi Federspiel sprach von einer „Invasion“ von Bettlern – wobei die offizielle Zahl der Bettler in Innsbruck mit 30 angegeben wurd.e Bei einer Gemeinderatssitzung Ende April 2014 rief der FP-Mandatar dazu auf, Menschen aus der „Nordafrikanerszene Tag und und Nacht zu „jagen“. Die FPÖ-Innsbruck brachte gemeinsam mit der Liste Federspiel Ende Mai 2015 in den Innsbrucker Gemeinderat einen Antrag für ein Bettelverbot ein, das so gut wie das ganze Jahr über gelten sollte.

Zum Image eine Law-and-Order-Partei zählt auch, dass bewusst auf eine Führungspartei gesetzt wird, in der starke Männer den Ton angeben. So verglich beispielsweise Heinz Christian Strache seinen EU-Wahlkampfkandidaten Harald Vilimsky mit Bruce Willis – „ein Mann, der aufräumt“. Der Wunsch nach einem „autoritären Machthaber“ ist tatsächlich in der Bevölkerung vorhanden, wie eine Studie des Instituts SORA Anfang Mai 2014 zeigt. Demnach sprachen sich 29% der Befragten für einen autoritären Machthaber aus, weitere 29% stimmten wenig zu und lediglich 42% stimmten gar nicht zu. Der Historiker Oliver Rathkolb ergänzte dazu, dass die Zustimmung vor allem aus dem Bereich der Wähler und Wählerinnen der FPÖ komme. Zwar sei das Bewusstsein über die negativen Folgen des Nationalsozialismus vor allem bei den besser Gebildeten gestiegen, doch würden immer noch 36 Prozent der Befragten sowohl Positives wie Negatives im Nationalsozialismus sehen.

1.12  Zerschlagung der EU

Die FPÖ unter Heinz-Christian Strache hatte sich in der Ukraine-Krise auf Seiten Russlands positioniert. Der autoritäre Stil von Wladimir Putin, sein völkischer Nationalismus und die Verachtung liberaler Ideen kommen der FP-Ideologie genau entgegen. Die Annexion der Krim wurde begrüßt. Die EU-Sanktionen wurden verurteilt. Hans Rauscher sieht dies durchaus im Zusammenhang mit der Politik der rechtsextremen Kräfte innerhalb der EU. Er meint, dass eine demokratische EU der stärkste Widerstand gegen das Erstarken der rechtsextremen Kräfte darstellen würde.

1.13  Negation ökologischer Problemfelder

Umweltschutzinitiativen, die der Verkehrseindämmung und Verkehrsberuhigung dienen sowie eine Reduktion von schädlichen Emissionen zum Ziel haben, wurden von FP-Politikern stets hämisch quittiert. Statt Tempo 100/80/30 redeten sie einer Erhöhung der Tempolimits das Wort. Stimmen für einen FPÖ-Kandidaten sind daher auch Stimmen gegen eine ökologische Politik. Bei den Nationalratswahlen im Herbst 2013 wurde gewählt, als wäre nicht gerade in diesen Tagen der 5. Weltklimabericht veröffentlicht worden. Jahrhunderthochwasser, Dürreperiode und Rekordtemperaturen bis über 40 Grad – das waren Ereignisse in Österreich im Sommer 2013. In den Wahlkampfreden der FPÖ fehlten stets ökologische Themen – wie auch zuletzt im Wahlkampf von Norbert Hofer. Noch in seiner Rolle als FP-Umweltsprecher hatte Hofer gemeint, Österreich solle sich nicht an internationalen Klimaabkommen beteiligen.