Dankbar bin ich, den Namen eines Mannes zu tragen, der damals schon drei Werthaltungen in einer Radikalität lebte, die herausfordert.
Erstens: Das Glück und Heil der Welt und des persönlichen Lebens liegen nicht in der Fülle an materiellen Dingen, sondern im Freisein von ihnen. Diese im Leben des Heiligen Klaus verdichtete Botschaft gilt vor allem für unsere Gesellschaft und Wirtschaft, in der Konsumismus zur Zerstörung des Planeten beiträgt. Der Mystiker aus der Schweiz lebte nach dem Grundsatz der Theresa von Avila: Solo dios basta – allein Gott genügt. Eines seiner Gebete begleitet mich seit Kindestagen: „Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Mein Herr und mein Gott,
gib alles mir, was mich fördert zu dir. Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir
und gib mich ganz zu eigen dir.“ Bruder Klaus konnte seinen ganzen Besitz loslassen.
Zweitens: Der politische Frieden für die Welt kommt nicht durch Bomben und Aufrüstung. Vom Klaus von der Flüe hieß es, dass er sich während des Krieges lieber in die Büsche zum Gebet schlug, als zu kämpfen. Ihm gelang es dann, durch Verhandlungen einen langandauernden Friedensvertrag zu schmieden, der ihn zum Friedenspatron werden ließ. In einer Welt und einem Österreich darin, wo aufgerüstet wird und auf Gewaltmittel gesetzt wird, verkörpert Bruder Klaus die pazifistische Option.
Drittens: Das größte Geschenk Gottes sei die Vernunft, sagte damals schon im ausgehenden Mittelalter der Einsiedler Klaus aus Sachseln. Vernunft und tiefer Glaube sind kein Gegensatz, sondern brauchen einander. Wo der Glaube ohne Vernunft ist, wird es gefährlich. Da sind wir bei den vielen destruktiven religiösen und politischen Fundamentalismen und bei den Phobien gegen Fremde oder Menschen, die anders als der Mainstream sind. Da sind wir bei Gesetzen, die völlig unvernünftig sind, aber als Produkte von Ängsten und Voreingenommenheiten doch gestaltende Macht besitzen. Wo Vernunft ohne Glauben ist, wird es nicht weniger gefährlich, wie ein Blick auf die gegenwärtigen Wirklichkeiten zeigt. Da wird vordergründig vernünftig argumentiert, man brauche mehr atomare Energie – und Großbritannien oder die Tschechische Republik lassen gegenwärtig neue Nuklearkraftwerke bauen. Die religiöse Dimension der Einheit mit der Schöpfung ist nicht mehr vorhanden. Da wird vordergründig vernünftig argumentiert, man brauche Mauern und Militär gegen Flüchtlinge. Der Glaube an die Menschlichkeit geht verloren. Auf meiner beruflichen Ebene als Religionslehrer erlebe ich sehr schmerzlich dieses Denkmuster – hier Glaube, dort Vernunft -, wenn Religionsunterricht einerseits und Ethikunterricht andererseits als zwei unterschiedliche Fachgebiete angeboten werden, ganz so, als würde eine vernunftgeleitete Ethik auf der einen Seite unterrichtet werden, auf der anderen Seite Religion, die eben mit Glauben zu tun hat, der nicht nach rationalen Mustern tickt.
Bruder Klaus aus Flüeli, Botschafter eines einfachen Lebens, für eine Welt, die nicht auf Gewalt aufbaut, für eine Verknüpfung von Vernunft und Glaube.
Klaus Heidegger, 25.9.2016