Was die Benützung zentraler christlicher Werte und Signalwörter für Wahlkampfzwecke anlangt, ist die FPÖ in den letzten Jahren zur Wiederholungstäterin geworden. Der Schriftzug „so wahr mir Gott helfe…“ auf den jüngsten Plakaten von Norbert Hofer für die Bundespräsidentschaftswahlen ist eine Fortsetzung vom Nationalratswahlkampf 2013 mit dem „Nächstenliebe“-Narrativ und von den vielen Plakaten und Slogans vom christlichen Abendland, das es vor allem gegenüber dem Islam zu schützen gelte. Unvergesslich eingeprägt hat sich das Bild von HC Strache, der bei einer Rede zum Wiener Landtagswahlkampf mit einem Kreuz fuchtelte, als wäre er eine Inkarnation eines mittelalterlichen Kreuzritters.
Wenn die FPÖ schon mit einem offensiv plakatierten christlichen Anspruch um Wählerstimmen wirbt, so muss sie auch an diesem Maßstab gemessen werden. In der Bergpredigt bei Matthäus (7,20f) spricht Jesus davon, dass nicht die großen Worte zählen, sondern „an den Früchten“ werden wir erkennen, wie sehr jemand den „Willen Gottes“ wirklich erfüllt.
Repräsentanten und Organisationen der römisch-katholischen und evangelischen Kirche in Österreich haben in den letzten Jahren unmissverständlich klargemacht, was es bedeutet, die christlichen Werte im politischen Alltag umzusetzen.
Erstens: Es würde bedeuten, wie Jesus auf die Schwächsten und die Hilflosen zuzugehen. Daher engagieren sich die Kirchen und Abertausende Christen und Christinnen in diesem Land für Asylsuchende und Flüchtlinge, eben für Menschen, die von Norbert Hofer gleich zu Beginn seines Wahlkampfauftakts mit dem Begriff „Invasoren“ in Verbindung gebracht worden sind. Keine Partei tritt vehementer für die Abschiebung von Flüchtlingen und für eine rigorose Abdämmungspolitik ein als die FPÖ mit ihrem Vizebundesparteiobmann Hofer. Der biblische Gott offenbart sich in den Flüchtlingsgeschichten, von Abraham über Josef und das Volk Israel in Ägypten, zu Ruth und Noomi, den Exilszeiten bis zur Jesusgeschichte.
„Es ist Heuchelei, wenn man sich als Christ bezeichnet und gegen Menschen ist, die bei uns Zuflucht suchen“, hatte Papst Franziskus auf die Frage eines Mädchens aus Halle an der Saale geantwortet, das die Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland angesprochen hatte.
Was es bedeuten könnte, christliche Werte wirklich zu leben, hat uns Angela Merkel in den letzten Monaten eindrucksvoll demonstriert. Mit dem ausdrücklichen Verweis auf das C in ihrer Partei lässt sie sich von ihrer „wir-schaffen-das-Flüchtlingspolitik“ nicht abbringen.
Zweitens: Aus theologischem Blickwinkel ist es nicht möglich, sich auf Gott zu berufen und zugleich permanent mit der Angst vor dem Islam zu spielen. Der Gott, an den wir Christen glauben, ist der Gott von Abraham und Sarah und Hagar, Isaaks und Ismaels, es ist Jahwe, Gott und Allah, an den Juden, Christen wie Muslime glauben, ein Glaube letztlich, der uns verbindet.
Wenn Norbert Hofer heute behauptet, er hätte wegen der Frage der Frauenordination die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche beendet und sei deswegen in die evangelische Kirche gewechselt, so entspricht dies wohl nicht den Tatsachen. Sein Austritt erfolgte 2009, als sich vornehmlich Professoren und Professorinnen der katholischen Fakultäten in Österreich in einem offenen Brief gegen die fremdenfeindliche Politik gestellt hatten. Daraufhin rezitierte Norbert Hofer die ganze Polemik gegen die katholische Kirche, angefangen von der Inquisition und den Kreuzzügen bis zu den Missbrauchsskandalen, und antwortete mit einem Kirchenaustritt.
Vertreter der evangelischen Kirche distanzieren sich heute jedoch von der Wahlkampfstrategie von Hofer, Strache und Kickl. Sowohl der Bischof der Evangelischen Kirche in Österreich, Michael Bünker, also auch der Superintendent von Tirol und Salzburg, Olivier Dantine, kritisierten offen die Vereinnahmung Gottes auf den Hofer-Wahlplakaten.
Wie sollen wir mit der bewusst kalkulierten Vereinnahmung des christlichen Glaubens durch Hofer und sein Wahlkampfteam also umgehen? Falsch wäre es vorschnell zu postulieren, Religion und Politik müssten klar voneinander getrennt werden, so als hätte das eine nichts mit dem anderen zu tun. Ich habe auf Merkel verwiesen, die auch aus christlicher Motivation handelt, aber in der Flüchtlingsfrage zu ganz anderen Optionen findet als etwa ihr CSU-Pendant aus München. Mit anderen Worten. Wenn eine Politik mit aufgeklärtem Blick sich der christlichen Werte besinnt und nicht nur wahlkampfstrategisch einen Glaubensbezug konstruiert, dann steht es weder im Widerspruch zur Trennung von Staat und Kirche und einer freien Religionsausübung in einem freien Staat, noch verstauben die Glaubensinhalte unfruchtbar in Sakristeien, leerer werdenden Kirchen und theologischen Zirkeln. Glaube und Religion zielen immer auch auf Gestaltung dieser Welt ab. Das Reich Gottes, das Jesus und seine Bewegung im Blick hatten, ist keine Vertröstung auf das Jenseits, sondern will Wirklichkeit werden im Hier und im Jetzt. Der Religionsmissbrauch, von dem heute mit Blick auf „so wahr mir Gott helfe“ auf den Hofer-Plakaten geschrieben wird, liegt also in der Tiefe darin, welche Politik damit verknüpft wird. Im großen Stil geschieht das beim russischen Präsidenten Putin, der die orthodoxe Kirche als Schutzmantel für seine Herrschaftspolitik benützt, oder beim wahlkämpfenden Donald Trump, der sich immer wieder strategisch als gläubigen und kämpferischen Christen mit der Bibel in der Hand inszeniert. Papst Franziskus hat ihm bei seinem USA-Besuch in Frühjahr 2016 mitgeteilt, wer eine solche Mauer gegen die Armutsflüchtlinge aus den USA baue, wie sie gegenwärtig zwischen den USA und Mexiko entsteht, könne sich nicht als Christ bezeichnen.
Hoffnungsvoll stimmt mich das Datum der Bundespräsidentschaftswahlen. Christen denken am 4. Dezember an die Heilige Barbara. Barbara heißt auf Deutsch: „die Fremde“. Mit ihr werden an diesem Tag die Fremden in unserem Land zu Heiligen.
Klaus Heidegger, 23.10.2016
Ihre Stellungnahme finde ich gut. Was mich verwundert ist, dass Sie im gesamten Artikel kein Wort über Bischof Laun schreiben.
MfG
Margit Dablander
… stimmt, aber dazu habe ich bereits einmal einen Kommentar geschrieben. Vielen Dank für die freundliche Rückmeldung.
Die zweifache Ansage „So wahr mir Gott helfe“ auf den Wahlkampfplakaten Norbert Hofers kann verschieden interpretiert werden. Der Bericht über eine Umfrage unter deutschen Politikern zu diesem Ausspruch beginnt mit dem Satz: „Die überwiegende Mehrheit unserer Politiker fügt ihrem Amtseid den Nachsatz „… so wahr mir Gott helfe“ an, obwohl der Eid auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden kann.“ ( http://www.humanistische-aktion.de/eid.htm ). So gesehen signalisiert Hofer damit, dass er im Jänner 2017 angelobt werden möchte. Den „frommen“ Wunsch unterstreicht er mit dem gleichlautenden Stoßgebet: Gottes Hilfe im Wahlkampf, damit er mit Gottes Hilfe dann seine Amtszeit absolvieren kann. An sich eine demutsvolle Geste, wenn sie aus einem ehrlichen Herzen kommt. Mir ist sie aber eher ein Ansporn, alles mir Mögliche zu tun, um das zu verhindern…
Ich finde besonders die Unterscheidung wichtig, dass nicht das öffentliche Argumentieren mit christlichen Inhalten an und für sich Missbrauch des Namens Gottes ist. Wie im Falle von Fr. Merkel ist es m. M. nach sogar öffentliches Einstehen und Zeugnis eines Lebens aus dem Glauben. Und das ist vom Evangelium her erwartet. Der Missbrauch und die Heuchelei beginnt dort, wo man „Herr! Herr!“ sagt aber das Gegenteil des in der Schrift mitgeteilten universalen Heils-Willens Gottes für alle Menschen herbeiredet und tut. (Mt 7,21)