Feiern wir erstens! Österreich ist eine ethnisch bunte Nation!
Erst an der Universität in den USA habe ich erfahren und gelernt, was mit dem Begriff „Nation“ auch gemeint sein könnte: Die Amerikaner verstehen Nation nicht völkisch bzw. ethnisch, sondern im Sinne einer Bindung der Menschen an ein staatliches Gemeinwesen, in dem sie Heimat gefunden haben. So zählen zur amerikanischen Nation White Americans genauso wie African Americans, Latinos wie Chinesen usw. usf. Das ist so weit weg von jener nationalistischen Deutschtümelei, die sich immer noch in manchen politischen Kreisen hierzulande hält. Besonders ausgeprägt finden wir diesen völkischen Ansatz bei den Burschenschaften. Ironischerweise bewirbt sich bei den letzten Bundespräsidentschaftswahlen einer aus diesem Kreise für das höchste Amt im Staat. Die Burschenschaft Marko-Germania bekennt sich lieber zum deutschen Vaterland, unabhängig von bestehenden staatlichen Grenzen. Laut einer Festschrift aus dem Gründungsjahr 1994 „lehnt die Burschenschaft die geschichtswidrige Fiktion einer ‚österreichischen Nation‘ ab“, die „seit 1945 (…) in den Gehirnen der Österreicher festgepflanzt“ worden sei.
Dagegen wollen wir am 66. Geburtstag feiern: Mit allen die zu dieser Nation zählen. Österreicher und Österreicherinnen sind wir – Deutsche und Kroaten, Slowenen und Türken, Ungarn und Tschechen und so viele, die in den letzten Jahren ihre Heimat verlassen mussten und nun als Österreicher bei uns leben. „Jeder Fünfte nicht in Österreich geboren!“ – so die Schlagzeile der größten Tageszeitung in Österreich am Nationalfeiertag. Die Stärke der österreichischen Nation kann in ihrer Buntheit liegen.
Feiern wir zweitens: Österreich ist eine Nation mit immerwährender Neutralität!
Was Neutralität heute bedeuten könnte, zeigt uns die Welt der Gegenwart und zeigt uns ein Blick in die Geschichte.
Es hat noch keiner Nation gut getan, wenn sie hochrüstet ist. Im Gegenteil: Jene Staaten mit dem größten Rüstungsetat sind zugleich jene, die am meisten in Kriege verwickelt sind. Die Gleichung Rüstungsanstrengungen = Kriegsvorbereitungen zeigt täglich neu ihre zerstörerische Logik. Auch die Umkehrgleichung könnte – leider nicht so häufig – verifiziert werden: Je weniger Rüstung eine Nation hat, desto weniger wird sie in Kriege verstrickt.
Daher hat Österreich nach der Schreckenszeit des Zweiten Weltkriegs aus freien Stücken seine Neutralität erklärt: Dass diese Nation sich nie wieder an Kriegen beteiligen wird, daher auch nie fremde Truppen auf heimischem Territorium stationieren wird und keinerlei militärischen Bündnisse mit anderen Staaten eingehen wird.
Mit Blick auf diese Kernelemente der Neutralität muss heute Kritik geübt werden: Die Bundesregierungen der letzten Jahren haben permanent eine militärische Aufrüstung gutgeheißen. Zugleich werden österreichische Soldaten im Rahmen der EU für gemeinsame militärische Aktionen eingesetzt. Hier wird der antimilitärische und pazifistische Geist der Neutralität verraten.
Das friedenspolitische Zauberwort für die österreichische Nation lautet weiterhin aktive Neutralität. Die genannten Kernelemente der Neutralität wären ein guter Boden, auf dem sie gedeihen könnte. Wenn dieser Boden aber durch Beistandsverpflichtungen und Aufrüstungsmaßnahmen zugepflastert wird, verschwinden auch jene Handlungsstrategien, die unter dem Begriff „aktive Neutralität“ subsumiert werden könnten.
Aktive Neurtralität würde bedeuten, dass sich das offizielle Österreich – vor allem durch Bundeskanzler und Außenminister – verstärkt in Friedensverhandlungen engagiert.
Klaus Heidegger, zum Nationalfeiertag 2016
danke für all deine Kommentare zum Nationalfeiertag!