Zur Frage der Bischofsernennung in der Diözese Innsbruck

 

Sedisvakanz

Diözesanbischof Manfred Scheuer wurde im Oktober 2015 von Papst Franziskus zum Bischof der Diözese Linz ernannt. Die Verantwortlichen der Diözese hatten sich dann gleich in Abstimmung mit der Diözesanleitung auf eine Suche nach einem Nachfolger gemacht. Die Basis wurde miteinbezogen, Pfarrer und Dekane konnten sich einbringen sowie Verantwortliche aus den verschiedensten Bereichen der Kirche. In einem großen Hearing konnte ausgetauscht werden, welche Anforderungen ein neuer Hirte erfüllen müsste und wer diesen Aufgaben gut gewachsen sei. Ein Vorschlag mit Namen wurde erarbeitet und dem Nuntius übergeben.

Seit nun mehr als einem Jahr steckt nun dieser Prozess. Das lange Warten begann und mit ihm die Spekulationen über Namen. Es wurde vermutet, dass nach der Herbstbischofskonferenz der katholischen Bischöfe (10.-12. Oktober 2016) eine Bekanntgabe des künftigen Bischofs erfolgen könnte. Doch dann hieß es nur: Eine Liste mit Namen sei nun vom Nuntius nach Rom übermittelt worden. Welche Namen stehen da drauf? Ist es vielleicht gar jene Liste, die vor einem Jahr bereits dem Nuntius übergeben worden ist?

Ob „man“ sich jedoch an den Vorschlag aus der Basis halten wird, ist allein Sache von Papst und Nuntius. Es bleibt uns – als Menschen die in der katholischen Kirche beheimatet sind und mitarbeiten – nur die Hoffnung mit Blick auf Papst Franziskus und auch darauf, dass es wieder so gut ausgehen werde wie mit den Innsbrucker Bischöfen zuletzt. Die positiven Erfahrungen mit Erzbischof Kothgasser und Bischof Scheuer geben auch keinen Anlass für eine grundsätzliche Kritik an solchem Bestellungsmodus. Weit entfernt ist er jedoch von den Spielarten einer echten Demokratie, zu der sich die Kirche auf gesellschaftlicher Ebene bekennt. Die Kirche predigt demokratische Grundsätze und hält es bei Bischofsbestellungen mit monarchistischen Traditionen. Eine Beteiligung der Ortskirchen ist bei der Auswahl neuer Bischöfe nicht gefragt. Die Kultur der Verschwiegenheit hat System. Während die Vorbereitungen für die Pfarrgemeinderatswahlen im kommenden Jahr bereits voll anlaufen und während es in vielen Bereichen – vor allem in den Gliederungen der Katholischen Aktion – eine bewusste Pflege demokratischer Partizipation gibt, setzt diese an der Spitze der Hierarchie aus. Dass es nicht so sein müsste, zeigt uns auch die Art und Weise, wie in der evangelischen oder altkatholischen Kirche die bischöflichen Repräsentanten durch das Volk gewählt werden.

Längst wünschen sich Gläubige ein anderes Prozedere bei der Ernennung von Bischöfen, das mehr dem Geist der Kirche entspricht und von einem Vertrauen in das Volk Gottes geprägt ist. Ein Bischof soll nicht mehr aus der Tiara des Papstes und der Mitra des Nuntius gezaubert werden – bzw. durch die einflussreichen vatikanischen Seilschaften, sondern soll durch das Hinhören und Mitentscheiden jener, für die ein Bischof  „Hirte“ ist, aus dem Volk heraus wachsen.

Eine Stellungnahme, die aufregt

In diese Situation hinein – als wieder einmal neue Namen als mögliche Bischofsanwärter auftauchten – nahm ich den 1700. Gedenktag von Bischof Martin zum Anlass, dessen Wahl zum Bischof von Tours mit der gegenwärtigen Frage der Bischofsnachfolge in Innsbruck zu artikulieren. Zweimal wurde davon in der Tiroler Tageszeitung berichtet. Seitens der Diözesanleitung wurde offiziell von Diözesanadministrator zur Geduld ermahnt. Es gebe keinen Anlass, die gegenwärtige Vorgangsweise kritisch zu sehen. Der Befragungsprozess sei nun abgeschlossen und der Dreiervorschlag sei nun nach Rom gegangen. Eine äußerst polemische Reaktion auf meine Kritik wurde von einem diözesanen Mitarbeiter in einem Leserbrief artikuliert Andererseits gab es gerade von Seiten der aktiven KA-Verantwortlichen zustimmende Meldungen auf meine kritischen Anfragen.

Tiara als Metapher

Freilich weiß ich,  dass die Tiara bereits unter Johannes Paul XXIII. abgeschafft worden ist. Dennoch ist die frühere päpstliche „Tiara“ ist zu einer Metapher geworden für einen monarchistischen Leitungsstil von Päpsten, für Relikte einer Amtsausübung, die an eine Tiara-Ära erinnern. Dazu zählt das Prozedere rund um die Bischofsernennungen.

Vatikanische Seilschaften

Der zweite Begriff, der in meiner Stellungnahme kritisiert wurde, betrifft die „vatikanischen Seilschaften“. Damit wollte ich auf den Punkt gebracht, dass es innerkirchlich sehr wohl ein verstecktes Machtspiel gibt, wer Bischof einer Diözese wird. Tatsächlich weiß wirklich niemand außer einem Kreis von Insidern, wie letztlich die Entscheidung für einen Bischof zustande kommt.

Ich sehe mich mit meiner Kritik an der Praxis von Bischofsernennungen in sehr prominenter Gesellschaft. Erinnert sei an Kardinal Karl Lehmann. Er hat erst im Mai 2016 gemeint, wie brüskierend es sei, wenn Vorschläge der diözesanen Gremien in Rom übergangen würden und Namen für Bischofsnachfolger ebendort einfach gestrichen würden und  aus Rom dann ganz andere Listen zurückkämen. Er sprach mit Bezug auf Bischofsernennungen von „einer schwer erträgliche Missachtung der Kirche im Land“. Es passiere trotz Papst Franziskus leider auch heute noch, dass „unbefugte Leute“ sich einmischten. Im Namen des Rechts müssten „die Seiteneinflüsse, die nicht legitim sind“, zurückgedrängt werden, damit diejenigen zu Wort kämen, die nachher auch mit dem gewählten Kandidaten leben müssten. Wenn gegen einen Kandidaten wirklich etwas vorliege, dann müssten der Nuntius oder Rom mit dem an der Spitze eines Domkapitels stehenden Domdekan oder Dompropst reden. Rom dürfe nicht einfach kommentarlos Namen streichen. Und weiters: „Es ist einfach schon zu viel passiert. Sonst wird immer mehr das ganze Verfahren infrage gestellt werden.“ Kurzum: Der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz hat sicherlich pointierter und mit so unvergleichlich größerer Kompetenz hier beschrieben, was ich zugegeben etwas salopp als „vatikanische Seilschaft“ bezeichnet hatte.

Bischofsernennungen der frühen Kirche

Die Kritik am gegenwärtigen Modus der Bischofsernennung ist durchaus auf dem Boden der Tradition, nämlich jener Tradition der ersten Jahrhunderte, in denen nicht einfach ein Bischof vom Papst bestimmt worden ist, sondern das Volk bestimmen konnte. Unter Papst Leo (440-461) hieß es noch: „Wer allen vorstehen soll, soll auch von allen gewählt werden“ oder bei Papst Cölestin I. (422-432): „Kein Bischof soll denen aufgezwungen werden, die ihn nicht wollen“. Selbst im 11. Jahrhundert konnten noch Klerus und Volk ihre Bischöfe bestimmen. Tatsächlich ist das alleinige Ernennungsrecht des Papstes im Gesamt der Kirchengeschichte relativ jung. Erst im Codex Iuris Canonici von 1917 (Can. 329 § 2) bekommt der Papst die Machtstellung zur Ernennung von Bischöfen, die er – mit wenigen Ausnahmen – weltweit noch heute besitzt.

Bischof vom Volk und für das Volk

Mit Blick auf die Aufwertung des Volkes Gottes im Zweiten Vatikanischen Konzil vertraue ich darauf, dass sich ein anderer Geist durchsetzen wird, den ich bereits in der Amtsführung von Papst Franziskus erkennen kann. Die Eigenständigkeit der Ortskirchen – beispielsweise jene der Diözese Innsbruck – gewinnt mehr an Bedeutung. Der Einfluss der Nuntien freilich wird zurückgehen. Das Hinhören auf den „sensus fidelium“ – den „Gemeinsinn der Gläubigen“ – der theologisch so gerne genannt wird, ist kein Lippenbekenntnis mehr. Die Ernennung von Männern zu Bischöfen muss nicht länger ein bürokratischer Top-down-Prozess sein, sondern Männer – und hoffentlich bald auch Frauen – können, wie damals eine Maria Magdalena oder ein Bischof Nikolaus, zu Apostelinnen und Episkopoi in einem Bottom-up-Verfahren ernannt werden.

Bischof Martin und die Frage der Bischofsernennungen heute

Der Mantelteiler, dessen 1700. Geburtstag soeben gefeiert wurde, steht für eine andere Kirche. Bekannt ist seine anfängliche Weigerung, dem Ruf auf das Bischofsamt zu widerstehen. Ruhm, Macht und Karriere sind nicht sein Lebensziel und nicht der Grund, warum er sich für Jesus entschied. Daher versteckte er sich laut Legende in einem Gänsestall. Er hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass die Gänse ihn verraten würden. Heute müssten sich Bischofsanwärter wohl nicht mehr in einem Gänsestall verstecken, um dem Ruf des Volkes, Hirte zu sein, zu entgehen. Längst schon werden Bischöfe nicht mehr – wie zu Martins Zeiten – vom Volk und auf Wunsch des Volkes bestellt, sondern hinter den dicken vatikanischen Mauern beschlossen.

Es gibt Bischöfe im Stile von Martin, der jeglichen Prunk vermied und in seinem Lebensstil auf Insignien der Macht verzichtete. Der heutige Bischof von Rom setzt Zeichen in diese Richtung. Ein Bischof passt auf keinen Thron, darf sich nicht beweihräuchern lassen und vor einem Bischof soll sich kein Mensch niederwerfen: Das war die Botschaft des Martin zu einer Zeit, als sich die Kirche mehr und mehr dem römischen Herrschaftsgehabe anzupassen begann. Da passt Martin von Tours so ganz zu Martin Luther, dem der päpstliche und bischöfliche Pomp seiner Zeit ein Gräuel war. Es ist ein schönes, symbolisch kräftiges Zusammentreffen, dass der Beginn zur Feier des Reformationsjahres sich fast genau deckt mit der Feier zum 1700. Geburtstag des Bischofs von Tours.

Mantelteilen als antike Friedensdividende

Der Heilige aus dem 4. Jahrhundert entspricht auch dem Pazifismus eines Martin Luther King. Landauf landab wird Martinus als römischer Soldat hoch zu Ross dargestellt. Martin – der dem Kriegsgott Mars „Geweihte“. Dieses Bild passt besser zu einer militärischen Kultur als ein Christ, der sich aufgrund seines Glaubens entscheidet, keine Waffe mehr zu tragen. Es stimmt zwar, dass Martin zunächst als Berufssoldat gedient hatte. Mehr und mehr aber dürfte Martin dies nicht mehr als vereinbar mit seinem Christsein empfunden haben, obwohl damals die Kaiser Soldatendienst und Christsein nicht mehr wie in der frühen Kirche als Gegensatz gesehen hatten. Sulpicius Severus berichtet in seiner Vita Sancti Martini, verfasst um 395, von dessen Absage an den Kaiser. Martin soll ihm gesagt haben: „Bis heute habe ich dir gedient, Herr, jetzt will ich meinem Gott dienen und den Schwachen. Ich will nicht mehr länger kämpfen und töten. Hiermit gebe ich dir mein Schwert zurück. Wenn du meinst, ich sei ein Feigling, so will ich morgen ohne Waffen auf den Feind zugehen.“ Wenn später aus dem Martin der Patron der Soldaten und Waffenschmiede gemacht wurde, so stimmt dies mit dem Leben des Bischofs von Tours in keinster Weise überein. Wer immer nun auf monarchistischem Weg unseren Diözesen als Bischof vorgesetzt wird, es ist zu hoffen, dass er diesem pazifistischen Wesenszug des Christentums gerecht wird.
Option für die Armen

Ein dritter Wesenszug des beliebten Martin ist integral mit den zuvor genannten verknüpft. Er entscheidet sich für Jesus Christus und den gewaltfreien Weg aufgrund seiner Begegnung mit den Armen. Bei ihm findet eine Friedensdividende statt. Sein Schwert dient nicht mehr zum Kämpfen, sondern zum Teilen von Besitz. Seine Rüstung – der Mantel – wird aufgelöst, um die Armen damit zu kleiden. Er spricht kein sanftes Bettelverbot und kein Schlafverbot für Obdachlose in den Lauben der Innsbrucker Altstadt, sondern steigt vom Ross, um auf Augenhöhe mit dem Bettler zu sein. Wer den Mantel teilt, macht sich freilich verletzlich. Auch Martin, so die Legenden, musste zunächst mit dem Spott der Umstehenden rechnen, weil er mit einem halben Mantel sehr hässlich ausgesehen habe.

Entrüstet euch für die Armen dieser Welt und steigt von euren Thronen – so die Botschaft des Martin. Mit Blick auf die Bilder des Heiligen Martin fällt mir ein Bild ein, das ein Schüler auf Facebook gepostet hat. Es zeigt Jugendliche mit einem Pappschild, auf dem „Armut bekämpfen, nicht die Armen!“ steht. Sie sitzen dort, vor den Lauben der Innsbrucker Altstadt, wo heute die Obdachlosen weggedrängt werden. Martin lebt. „An der Reißwunde des Mantels geht der Himmel auf…“, interpretierte eine Künstlerin das Wunder des Heiligen Martin.

 

Dr. Klaus Heidegger,
Vorsitzender der Katholischen Aktion der Diözese Innsbruck, überarbeitete Fassung vom 17. Dezember 2016
www.klaus-heidegger@aon.at

 

 

Kommentare

  1. Was am Beginn als neuer Stil erschien, nämlich Verantwortliche Laien und Priester Vorschläge einbringen zu lassen , ist vielleicht aus heutiger Sicht eher eine „Tratzerei“. Wie sonst ist es erklärbar dass nach einem vollen Jahr erst die Vorschläge in Rom einlangen. Vermutlich wieder eine „Ent-Täuschung“ im doppelten Sinn.

  2. Jüngst war im Vorarlberger KirchenBlatt zu lesen (und auch auf der Homepage der Diözese Feldkirch), dass P. Dr. Peter Willi FSO – meines Wissens ein Tiroler – auf seinen bisherigen (eigentlich auf Lebenszeit angelegten) Posten als Chef der FSO = Geistlichen Familie „Das Werk“ resigniert hat. Es wird ja gemunkelt, dass er also durchaus verfügbar wäre für Innsbruck, einen durchaus angemessen bedeutsamen Bischofsitz. Die Verdienste des „Werkes“ sind in den Augen zahlreicher katholischer Würdenträger respektabel; die Romtreue des Werkes steht ausser Frage; der Umgang mit Skandalen entspricht den unausgesprochenen Regeln (schweigen, aussitzen, Zeit vergehen lassen) der klerikalen Kommunikation; dazu kommt die strategische Positionierung von Priestern der Geistlichen Familie als Sekretäre in verschiedenen Dikasterien; das Werk hätten schon bei der Feldkircher Besetzung – von vielen Katholischen im Ländle erwartet – zum Zug kommen sollen. Niemand weiß, weshalb der jetzige Bischof bevorzugt worden ist. Es ist nicht verwunderlich, dass die leitenden Kleriker in Innsbruck da Ruhe haben wollen, für Rom und vor allem wohl für sich selber. Es ist ja sprichwörtlich, dass Geld und Personal in der Kirche „lieber im Dunkeln bleiben“. Der Bregenzerwälder Priester Dr. Thomas Felder (bisher Kaplan in Gisingen) ist als Nachfolger von Dr. Peter Willi FSO eingesetzt worden ist. (http://www.kath-kirche-vorarlberg.at/organisation/kirchenblatt/artikel/leiterwechsel-beim-werk).

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