Nach dem Erfolg von Van der Bellen und seiner breiten Wahlbewegung gibt es zuerst ein großes Gefühl der Erleichterung. Ein blauer Wahlsieg wurde verhindert. Nikolaus statt Krampus. Erstmals in dieser Republik wird ein Mann Bundespräsident, dessen politische Herkunft die Grünen sind, dem es aber in den vielen Wochen des Wahlkampfs zugleich gelang, quer über die Parteigrenzen und Weltanschauungen hinweg Menschen zu einen, um einen rechtspopulistischen Wahlerfolg für das höchste Amt im Staat zu verhindern.
Die Redensart „mit einem blauen Auge davongekommen“ eignet sich zur Situationseinschätzung. Zum einen wird damit ausgedrückt, dass es viel schlimmer hätte kommen können. Meine Angst war groß, dass nach den massiven blauen Wahlerfolgen in den letzten Jahren – Nationalratswahlen 2013, EU-Wahlen 2014, Landtagswahlen im Burgenland, der Steiermark, Oberösterreich und Wien im Jahr 2015 nun auch der Kandidat der FPÖ reüssieren hätte können.
Ein „blaues Auge“ hat aber neben dem Gefühl der Erleichterung noch eine zweite Dimension. Im blauen Auge liegt auch die Negativität. Der ehemalige Bundespräsidentschaftskandidat der ÖVP, Andreas Khol, sprach gar von einem „Traumergebnis für Strache“. (zit. in: Tiroler Tageszeitung, 5. 12. 2016) Fast 47 Prozent der Wähler und Wählerinnen haben einen Kandidaten und eine Partei gewählt, die sich auch während des Wahlkampfs mit den klassischen rechtspopulistischen Positionen nicht zurück gehalten hatten. Allein in meinem Heimatland gibt es 41 Gemeinden, in den Hofer mehr als 60 Prozent der Stimmen bekam. Markus Abwerzger meint nicht ganz zu Unrecht, dass der angesichts vielen blauen Stimmen auch Norbert Hofer und die FPÖ Sieger seien.
47 Prozent also für eine Gefährdung der Zusammenarbeit mit der Europäischen Union. Hofer und die FPÖ stehen für ein Bündnis mit mit den Visegrád-Staaten. 47 Prozent stimmten für eine freiheitliche Partei, die Freiheit als Freiheit vor Tempobeschränkungen definiert und internationalen Klimaabkommen kritisch gegenüber steht. 47 Prozent für eine Partei, die für ein radikales Schließen der Grenzen gegenüber den Flüchtlingen eintritt. Hofer wünschte sich einen Zaun wie in Ungarn herbei und Flüchtlinge titulierte er als „Invasoren“. 47 Prozent für die islamophoben Stimmungen, die die FPÖ im Laufe des Wahlkampfes immer wieder neu instrumentalisiert hatte. Es war wohl ein Freudscher Versprecher, als der FPÖ-Wahlkampfleiter Kickl in einer ersten Reaktion zum Wahlergebnis seinen abgewählten Kanditaten mit den Worten lobte, er habe „Unmenschliches“ geleistet.
Wenn ich an den Versuch der FPÖ denke, die christliche Religion für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, sind die letzten Wahlkampfwochen ein wichtiges Signal, das über den Wahltag hinausgehen könnte. Die höchsten Vertreter der evangelischen Kirche, Bischof Michael Bünker und Superintendent Olivier Dantine oder Landessuperintendent Thomas Hennefeld, die gewählten Vertreter der Katholischen Aktion und viele Theologen und Theologinnen haben sich mehrmals gegen den Versuch der FPÖ ausgesprochen, den blauen Positionen einen christlichen Touch zu geben.
Tu felix Austria. Du glückliches Österreich. Nun ist zu hoffen, dass Austria auch Schule macht für andere europäische Staaten, in denen die rechtspopulistischen Parteien in den letzten Jahren im Aufwind waren. Die „Knüppel-aus-dem-Sack-Politiker“ wurden hierzulande zunächst abgebremst, doch beginnen sie sich für die nächsten Wahlen bereits zu formieren. Beginnen muss jetzt eine große Überzeugungsarbeit, um die „blauen“ Wähler und Wählerinnen für einen Neubeginn zu überzeugen, der mit dem Wahlsieg vom 4. Dezember 2016 beginnen könnte.
Klaus Heidegger, 5.12.2016
Danke, gut kommentiert. Khol mit der Bemerkung „Traumergebnis für Strache“ spricht für sich. Ob er weiß, was er damit auslöst bzw. dass er damit seine traditionell „zwielichtige“ Haltung neuerlich bestätigt. Die Lektion durch sein schlechtes Abschneiden beim ersten Wahldurchgang hätte er besser reflektieren sollen oder?!
Dass ausgerechnet ein Religionslehrer eine Partei favorisiert, die für die Einführung eines allgemeinverpflichtenden Ethikunterrichts eintritt (siehe Parteiprogramm der „grünen“ sowie Aussagen von Herrn Walser) und den konfessionellen Religionsunterricht auf freiwillige Basis als „zusätzliches“ Angebot verstehen und nur so in der Schule situiert wissen will, entbehrt nicht einer gewissen Naivität und ideologischen Verblendung!
Also träumen Sie weiter von der heilen Welt, die Ihnen die grüne Ideologie und VdB – Fähnchen im Wind – zu versprechen scheinen.
Ich bin auch wahnsinnig erleichtert. Allerdings wird anhand der Reaktionen der fpö immer klarer, dass es nur eine kurze Verschnaufpause gibt. Hofers Aussage vom “ geweckten schlafenden Bären“ im Zusammenhang mit Straches Bürgerkriegsgerede beunruhigt mich sehr.
Außerdem kann ich mir nicht vorstellen wie van der bellen unter diesen Umständen Gräben zuschütten soll ohne dem rechten Rand nach dem Mund zu reden und damit seine Wähler zu enttäuschen.