Last Christmas – die implizite religiöse Lyrik von George Michael

lastchristmasOb es der Einkehrtag mit einer Schulklasse unmittelbar vor den Weihnachtsferien war oder ob es die Weihnachtsfeiern mit meinen Schülern und Schülerinnen waren, jedes Mal, wenn in solchen Situationen der Wunsch auftauchte, weihnachtliche Lieder zu singen, dann stand jeweils „Last Christmas“ ganz oben auf der Wunschliste. Die traditionellen Lieder mit ihren explizit religiösen Weihnachtsbotschaften können von den Jugendlichen kaum mehr gesungen werden. George Michael mit seinem „Last Christmas“ rührt die Herzen mehr an als „Süßer die Glocken nie klingen“. Was bedeutet dies theologisch und religionspädagogisch? Die einen würden nun schnell von einer Säkularisierung selbst der zentralen christlichen Feste sprechen, dass also Religiöses eben verdunstet sei. Schnell sagen manche jungen Menschen auch: Ich bin nicht religiös, weil an die Menschwerdung Gottes in Betlehem glaube ich nicht oder weil die Kirche bedeutet mir nichts usw. usf. Wenn dann aber tiefer nachgefragt, was die Mitte der Religion ist, nämlich die Erfahrung einer unbedingten Liebe, einer Liebe, die nicht berechnend ist, einer Liebe, die nicht nur eine Show-Liebe am Weihnachtstag ist, und dass in der Erfahrung einer solchen Liebe Göttliches erfahrbar wird, ja Göttliches menschlich werden kann, dann trifft es die tiefste Sehnsucht. Kurzum: Die Sehnsucht nach solcher Liebe – und davon handeln wohl die Texte von George Michael – ist zugleich die Sehnsucht nach Göttlichem, also zutiefst religiös. Solche Liebe, und auch dafür steht George Michael, kann auch eine Liebesbeziehung eines schwulen Paares sein. Die Kritik, die George Michael in seinem Song „Shoot the Dog“ gegen die Kriegspolitik von Bush und Cameron formulierte, entsprach jedenfalls der Kritik des Vatikans am Krieg gegen den Irak. Die Texte und das Leben des Singer-Songwriters George Michael sind nicht einfach und eindeutig-klar. Seine Musik aber zeigt uns, dass – wie er in „Praying for Time“ formulierte, wir unter dem „verwundeten Himmel“ stets noch die Hoffnung haben, dass die Zeit Wunden heilen kann – und Hoffnung wiederum ist wie ein anderes Wort für Gott. Es ist auch die Hoffnung, dass nach einem „last Christmas“ ein neues, ein echtes Christmas aufgehen kann.

Klaus Heidegger