Der vom Bundeskanzler Kern und vom Vizekanzler Mitterlehner ausgearbeitete Regierungspakt (30. Jänner 2017) kommt dem Vorschlag von Integrationsminister Kurz nach einem Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst weitgehend entgegen.
Zunächst soll eine Vollverschleierung im öffentlichen Raum verboten werden. Dabei sind Burka und Niqab in Österreich sicherlich kein Problem, kommen sie doch so gut wie gar nicht vor. Man gibt also vor, ein Problem zu lösen, das letztlich für Österreich kein Problem darstellt. Der frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofes Ludwig Adamovic stellt sich dazu die Frage, ob ein solches Verbot tatsächlich notwendig sei.[1] Aus der Sicht des obersten Hüters der Verfassung würde das Verbot einer Vollververschleierung im öffentlichen Raum allerdings keine Grundrechtsverletzung darstellen, wie auch der Europäische Gerichtshof festgestellt hatte.
Doch eigentlich geht es gar nicht darum. Burka- und Niqabverbote sind der Einstieg für ein Kopftuchverbot. Im März 2017 soll ein entsprechender Vorschlag – Kopftuchverbot in Teilen des öffentlichen Dienstes und eine Verpflichtung für den Staat, weltanschaulich und religiös neutral aufzutreten – in einem neuzufassenden Integrationsgesetz diskutiert werden. Mit der Gegnerschaft zum Kopftuch ist implizit immer auch mehr oder weniger Islamfeindlichkeit verknüpft, da für viele muslimische Frauen durch das Kopftuch islamische Identität ausgedrückt wird und Gegner des Islams mit einem Kopftuchverbot ein Ventil sehen, um ihre feindschaftliche Haltung auszudrücken. Damit wird einem rechtspopulistischen Drängen nachgegeben, das mit plakativen Sprüchen von „Daham statt Islam“ bis zu Äußerungen, „der Islam sei nicht Teil Österreichs“ das Klima in den letzten Jahren bereits vergiftete hatte.
Der Blick auf die gegenwärtige Welt zeigt, wie sehr es notwendig wäre, alles zu unternehmen, um freundschaftliche Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Religionen zu pflegen. Schleichende Islamfeindlichkeit wird irgendwann dazu führen, dass Muslime unter Generalverdacht gestellt werden, die Balken für Muslime hinuntergehen oder im allerletzten Extrem Muslime und deren Einrichtungen angegriffen werden. Eine Symbolpolitik gegen eine bestimmte Religionsgemeinschaft wird sich auch negativ gegen alle Religionen, Glaubensgemeinschaften und die Kirchen richten. Religionsfreundliche Säkularität und gelingende Kooperationsmodelle zwischen Religionen und Staat werden damit unterspült. Die Zukunft im Zusammenspiel zwischen den Religionen und dem Staat in Österreich sollte geprägt sein von einer Wertschätzung der Religionen und ihrer Symbole, damit der Beachtung der freien Religionsausübung, wie sie im Menschenrecht auf Religionsfreiheit garantiert wird. Die Religionsgemeinschaften wiederum müssen sich selbstkritisch den Fragen stellen, wo es bei ihnen noch Intoleranz, Zwang oder Frauenverachtung geben könnte, die dem Wesen der Menschenrechte widersprechen würden.
Christen und Christinnen erleben heute in vielen Teilen der Welt Anfeindungen und Verfolgung. Der Staat Österreich könnte durch die volle Gewährung religiöser Grundrechte der Welt zeigen: Weltanschaulich und religiös neutrale Staaten brauchen das Zusammenspiel mit den Religionsgemeinschaften, wie auch die Religionsgemeinschaften auf den Staat angewiesen sind, um Religion frei leben und gestalten zu können. Religionsunterricht in den Schulen oder das Zulassen von religiösen Symbolen im öffentlichen Bereich gehören wesentlich dazu.
Klaus Heidegger, 1. Feburar 2017
[1] Vgl. Tiroler Tageszeitung, 1. Feburar 2017, 3.