In Tirol nützt Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe ihre Kompetenz als Umwelt- und Verkehrslandesrätin, um die KommunalpolitikerInnen zu ermuntern, sich für ein Tempo 30 im Ortsgebiet einzusetzen. Seit Jahrzehnten argumentieren Verkehrsexperten für ein solches Limit. Derzeit gilt generell 50km/h im Ortsgebiet, wobei vielerorts auch Tempo 40 oder 30 je nach Situation gesetzlich geregelt worden ist. Eine entsprechende Regelung ist Aufgabe der Gemeinden.
Die Argumente für Tempo 30-Zonen im Ortsgebiet sind seit langem bekannt. Die Vernunft spricht dafür. Tempo 30 wäre mehr Sicherheit. 39 Prozent aller Verkehrsunfälle, bei denen Personen mit Tempo 50 angefahren werden, enden tödlich. Bei 30 km/h sind es 8 Prozent. (Tiroler Tageszeitung, 4.3.2017) Generell würde das Unfallrisiko aufgrund des verkürzten Anhalteweges sinken. Bei 50km/h beträgt der Anhalteweg fast 28 Meter. Bei Tempo 30 kommt ein Auto dagegen schon nach gut 13 Metern zum Stehen. Bei Tempo 30 können Gefahren besser erkannt werden, weil der Blickwinkel breiter ist und Bewegungen am Fahrbahnrand besser wahrgenommen werden können. Es bleibt mehr Zeit für Reaktionen. Dies ist gerade wichtig, wenn Kinder auf der Straße sind. Tempo 30 wäre weniger Lärm und weniger Abgase. Man könnte leichter eine Straße überqueren. Die Lebensqualität in den Dörfern würde gewinnen. Langsamere Autos sind leiser.
Die derzeitigen Regelungen sind jedenfalls ökologisch und verkehrspolitisch unvernünftig. Ein konkretes Beispiel, das ich jeden Schultag vor Augen habe (und als radfahrender Mensch genauer beobachten kann). Auf der B 171 von Wattens nach Mils. Nach Tempo 40 im Ortsgebiet von Wattens gilt ca 500m Tempo 50 – durch verbautes Ortsgebiet, wo auch Zebrastreifen sind, beidseitig Geschäfte, dann nach Kreisverkehr in Volders Tempo 40, auch bei Schulen, Kindergärten, dann nach ca 500 Meter Ortsgebiet auf ca 200 Meter Tempo 50, dann beginnt 70er-Zone, Beschleunigung unmittelbar vor einem Zebrastreifen, wo oft Dutzende Schüler und Schülerinnen die Straße überqueren zum PORG Volders, unmittelbar vor einer Kurve und Innbrücke dann 70er ungefähr 2 Kilometer, wo dann beim Reschenhof wieder eine 50er-Zone beginnt. Diese Regelungen führen dazu, dass wir momentan einen ständigen Wechsel der Geschwindigkeiten haben. Tempo 40, 70 und 50 wechseln sich innerhalb weniger Kilometer mehrmals ab. Dieser zum Teil sehr kleinteilige Wechsel ist verwirrend. Er verhindert einen gleichmäßigen Verkehrsfluss. Beschleunigungsmöglichkeiten unmittelbar vor Zebrastreifen bei Schulen bringen ein Gefährdungspotenzial mit sich. Wenn kleinräumig zwischen Tempo 70, 50 und 40 gewechselt wird, bedeutet dies oftmaliges Beschleunigen. Den höchsten Verbrauch hat ein Auto während der Beschleunigungsphase. Mit durchgängigen 30er-Zonen könnte daher eine Emissionsreduktion erreicht werden: Weniger Stickoxid, weniger Reizgase, weniger Feinstaub, weniger Luftbelastung. Die Konsequenz aus diesem kleinen Beispiel: Es bräuchte großflächige Tempo-30-Zonen, die vermehrte Brems- und Beschleunigungsvorgänge reduzieren würden. Tempo 30 müsste also als Regelgeschwindigkeit für Ortsgebiete eingeführt werden. Nebenbei bemerkt: Als Radfahrer in 30er-Zone müsste ich weniger Angst haben. Der Platzbedarf schnell fahrender Autos ist wesentlich größer.
Als Katholische Jugend haben wir uns bereits vor 35 Jahren für Tempolimits 100/80/30 engagiert und sind dafür mit Flugblättern und Abziehbildern auf die Straßen gegangen. Damals gab es von Seiten der Politik kein Verständnis. Es tut so gut nun wahrzunehmen, dass es endlich in einer Landesregierung Einsicht und Engagement für diese Sache gibt. Die Einsicht und die Bereitschaft lokaler Politiker und Politikerinnen für Tempo 30 einzutreten, dürfte leider nicht so schnell kommen. Bürgermeister werden sich scheuen, Solches umzusetzen, weil sie mit dem Widerstand der Bürgerinnen und Bürger rechnen. Weitere Beschränkungen im ach-so-freien Automobilverkehr gelten als tabu. Die Straßenverkehrsordnung, die generell Tempo 50 als Basisgeschwindigkeit für das verbaute Ortsgebiet vorgibt, müsste so geändert werden, dass nicht Tempo 30 als Ausnahme gilt, sondern umgekehrt eine erhöhte Geschwindigkeit.
Auf solche gesetzlichen Änderungen müssen wir wohl noch länger warten. Daher bleibt jenen, die noch Auto fahren, die Möglichkeit, selbst durch freiwilliges Einhalten von Tempo 30 im Ortsgebiet zu zeigen, vernünftig und verantwortungsvoll zu sein und zu handeln. Autonomie vor Gesetz. Daher gilt: Freiwillig Tempo 30! Es ist als Basisgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften ein klares Bekenntnis für mehr Sicherheit und Lebensqualität in unseren Städten und Dörfern — überall dort, wo wir unterwegs sind und uns aufhalten. Jene, die dann hinter einem 30 km/h fahrenden Auto beginnen zu fuchteln und zu hupen, demonstrieren lediglich ökologische Unvernunft und Verantwortungslosigkeit.
Klaus Heidegger, 4. März 2017