Seit meiner Zeit im Priesterseminar wird über das Zölibat diskutiert. Schon damals, Ende der 70er-Jahre, als wir noch weit über 50 Seminaristen waren – heute sind es nur mehr ein paar wenige – wurde die verpflichtende Ehelosigkeit als Voraussetzung zur Weihe zum Priester infrage gestellt. 40 Jahre danach – ein ganzes biblisches Lebensalter später – scheint nun auch von vatikanischer Seite ein wenig Bereitschaft gegeben, dieses Kirchengesetz auf seine Sinnhaftigkeit zu prüfen. Berge von Büchern, Artikeln und Abhandlungen sind in den vergangenen Jahrzehnten darüber geschrieben worden. Ich muss die Argumente für die Abschaffung des Zölibats bzw. für die freiwillig gewählte Ehelosigkeit von Ordensleuten oder für die Zulassung von Frauen zur Ordination daher nicht wiederholen. Meine Unzufriedenheit mit den jüngsten Äußerungen zu dieser Frage seitens der Vertreter der heimischen Bischofskonferenz will ich jedoch nicht verbergen. Wenn Erzbischof Schönborn heute vor „vorschnellen Lösungen“ warnt, so ist dies eine merkwürdige Zeitdimension. Wenn nach vielen Jahrzehnten der Auseinandersetzung zu diesem Thema endlich eine Lösung erwartet wird, so kann wohl nicht mehr von „vorschnell“ gesprochen werden. Vor allem aber stehen hinter der Zölibats-Frage Lebensschicksale von Männern und deren Beziehungen – also auch die Schicksale von Priester-Frauen und deren Kinder. Es sind Geschichten von Männern, für die ein Leben als Priester nicht auch gleichbedeutend war mit einem Leben ohne eheliche Partnerschaft. Deswegen sind mir die Äußerungen der Vertreter der heimischen Bischofskonferenz zu vorsichtig und zaghaft und verbergen andere Wirklichkeiten. Mehr als alle anderen im Kirchenvolk wissen die Bischöfe von der Art und Weise, wie eben das Zölibat für viele Priester nicht lebbar ist. Sie wissen von der Not der Gemeinden, die sich fähige Männer und Frauen wünschen, die als Priesterinnen und Priester vor Ort wirken könnten, mit Zeit und Verständnis für die Gläubigen. Zu beschwichtigend sind mir die Worte von Bischof Benno Elbs, wenn er meint, es gäbe keinen Notstand in den Gemeinden. Als Religionslehrer kann ich mit Jugendlichen zusammenarbeiten, die kaum mehr in den kirchlichen Gemeinden vor Ort beheimatet sind. Die Pfarreien sind ihnen mit wenigen Ausnahmen fremd geworden. So manche bischöfliche Stellungnahme klingt dann so, als hätten sie zu wenig Glauben, wenn beispielsweise Bischof Schönborn von einem „Gläubigenmangel“ im Zusammenhang mit dem „Seelsorgemangel“ spricht. Nein, es ist kein Mangel an Glauben, sondern der Mangel an einem gemeindlichen Leben, das authentisch und begeisternd ist, wo die Lebenswelt junger Menschen in ihrer Sprache zur Sprache kommen kann und nicht in einer Sprache und in Ritualen, die Jahrhunderte von den Jugendlichen entfernt sind.
Das größte Ärgernis und der wohl größte Widerspruch zur Rolle der Frauen in der Jesusbewegung bleibt allerdings der Ausschluss von Frauen vom Priesteramt. Das bischöfliche man ist bereit, über die Zulassung von „bewährten verheirateten Männern“ zum Priesteramt zu reden, die Frauenordination wird in den aktuellen bischöflichen Stellungnahmen nicht einmal erwähnt. Einmal mehr werden mich Schülerinnen und Schüler fragen, warum keine Frauen Priesterinnen werden können? Dafür haben Jugendliche heute zurecht noch weniger Verständnis als für das Zölibat. Vielleicht würde sich Papst Franziskus über Mitbrüder im Bischofsamt freuen, die ihn auch in kirchenstrukturellen Fragen mit Reformeifer ermutigen.
Dr. Klaus Heidegger