Im Lukasevangelium gibt es eine wunderschöne Auferstehungsgeschichte. Sie zählt zu den Erscheinungserzählungen. Es waren da die zwei Jünger Jesu. Drei Tage nach der Hinrichtung von Jesus gingen sie von Jerusalem aus in das Dorf Emmaus. Und sie unterhielten sich miteinander.
„Die Zeit mit Jesus war so wichtig für uns.“
„Er hat uns gezeigt, wie wir leben können.“
„Mit ihm haben wir gefeiert.“
„Mit ihm sind wir durch das ganze Land gezogen und jetzt?“
„Die Zeit mit Jesus war wirklich sehr schön. Ich denke an die Wunder, die er gewirkt hat. Ja, es war wunderbar, wie er dem blinden Bartimäus die Augen geöffnet hat. Wer wird jetzt den Blinden die Augen öffnen.“
„Was sollen wir nur tun?
„Warum haben sie ihn umgebracht???“
„Es hat also doch nicht gestimmt, was Jesus uns gesagt hat: dass das Reich Gottes kommen wird, dass alles gut werden wird, die Menschen in Frieden miteinander leben werden und wir alle glücklich werden.“
„Wie sollen wir ohne Jesus jetzt weiterleben?“
„Wir haben so viele Feste mit Jesus gefeiert. Jesus konnte gut feiern! Als bei einer Hochzeit der Wein ausgegangen ist, hat er einige Krüge Wasser zu Wein verwandelt. Und als wir in der Wüste waren und Hunderte Menschen bei uns, die nichts zu essen hatten, haben wir begonnen das wenige Brot zu teilen, und es reichte für so viele. Aber jetzt: Können wir ohne Jesus noch feiern?“
„Unsere Freunde daheim werden uns auslachen. Sie werden sagen: Haben wir doch gleich gewusst, dass der Jesus, dem ihr gefolgt seid, ein Schwindler und Hochstapler ist!“
„Ich bin so traurig ohne Jesus.“
„Ich bin so zornig, dass sie Jesus getötet haben!“
„Ich bin so wütend, dass die Soldaten und Mächtigen uns dies angetan haben!“
„Wer gibt uns Halt, wenn Jesus nicht mehr bei uns ist?“
Und während sie so redeten, begegnet ihnen ein Fremder. Es wird Abend. Sie laden den Fremden ein, bei ihnen zu bleiben. Er bricht mit ihnen das Brot – uns sie erkennen in diesem Fremden: Es ist Jesus, er ist auferstanden.
Die Erfahrung der Emmausjünger ist eine Erfahrung, die wir immer wieder machen können. Die Emmauserfahrung ist eine österliche Erfahrung: Durch all die Dunkelheit hindurch können wir zur Erfahrung kommen: Jesus ist bei uns. Jesus ist bei uns, wenn wir über ihn reden. Jesus ist bei uns, wenn wir miteinander das Brot brechen. Jesus ist bei uns, wenn wir Menschen in die Mitte nehmen, die fremd sind. Jesus ist auferstanden.
Die Emmausgeschichte beschreibt so deutlich, was notwendig ist, damit wir solche Ostererfahrungen machen können. Fünf österliche Motive werden in der Emmausgeschichte deutlich. Es sind sozusagen die fünf Bausteine, auf denen der Glaube an Auferstehung aufbaut.
Erste Ostererfahrung. Es ist die Erfahrung, dass Jesus auferstanden ist, eine Sache, die in Gemeinschaft geschieht. Die Osterberichte in den Evangelien sind immer eine Sache von mehreren Personen. So die Emmauserfahrung der zwei Jünger, so Maria Magdalena und die andere Maria, die vom Auferstandenen zu den anderen Jüngern geschickt werden, so die Geschichte von Petrus und Johannes, die gemeinsam zum Grab laufen. Damit hat Auferstehung mit Gemeinschaft zu tun. Auferstehung hat eine soziale Qualität. In Gemeinschaften geschehen Auferstehung, gerade in Krisenzeiten, wenn ich traurig bin, wenn ich „Kreuz“ erfahre – gerade dann brauche ich diese Gemeinschaft. Auch als Gemeinschaft braucht es zugleich diese Bereitschaft, sich auf den Weg zu machen. Ein Schüler sagte mir vor den Osterferien beim Einkehrtag: „Weil ich mich von der Klassengemeinschaft getragen weiß, gebe ich nicht auf!“ Das ist eine Ostererfahrung.
Eine zweite Ostererfahrung wird in der Emmausgeschichte angesprochen. Ich darf zweifeln, traurig sein, wütend sein – und dies auch aussprechen. Die Emmausjünger haben den Mut, ihre Zweifel und ihre Hoffnungslosigkeit auszudrücken. Sie verdrängen die Enttäuschung nicht.
Daraus folgt aber der dritte Auferstehungsschritt. Osterglaube wächst durch das Gespräch. Es heißt in dieser Perikope im Lukasevangelium: Während sie miteinander redeten, trat er in ihre Mitte. Es braucht für Auferstehung das Hören, Hinhören und Miteinanderreden. Es ist auch ein Hinhören auf die Heilige Schrift. Die Emmausjünger scheinen mit den biblischen Texten sehr vertraut zu sein. Sie sprechen die Dinge offen an und kommen über die zentralen Glaubensfragen ins Gespräch.
Der vierte Schritt, von dem uns die Emmausgeschichte erzählt, hat mit der Öffnung dem Fremden gegenüber zu tun. Es ist der Prozess, aus mir herauszutreten und auch das anzunehmen, was mir fremd ist. Für die Emmausjünger war der Begleiter ein Fremder und sie erkennen im Fremden Jesus selbst. Diese Dimension hat auch gesellschaftliche Konsequenzen. Gott gibt sich gerne in den Ausländern oder in den Flüchtlingen zu erkennen.
Die fünfte Auferstehungs- und Osterdimension hat mit dem gemeinsamen Mahlhalten und Teilen zu tun. Dort, wo das Leben geteilt und gefeiert wird, wird Auferstehung begreifbar und real – durchaus mit materiellen Konsequenzen. Dieser Jesus ist ja „leibhaft“ auferstanden. Es ist nicht nur eine geistige Vorstellung!
Osterglaube – der Glaube an die Auferstehung – wächst durch Gemeinschaft, wächst durch das Zulassen von Zweifeln, wächst durch das Gespräch, wächst, wenn wir uns Fremdem öffnen und wächst durch das gemeinsame Mahlhalten und Teilen.
Klaus Heidegger (zum Auferstehungsgottesdienst am PORG 2017)