- Pluralistische religiöse Welt: der neue Ausgangspunkt auch in Österreich
Die religiöse Situation in Österreich hat sich in den vergangenen Jahrzehnten rapide verändert. Vorbei ist die Zeit, in der die katholische Kirche in Österreich quasi ein Monopol auf Religion zu haben schien. Michael Zulehner spricht von einer „Verbuntung“. In den größeren Städten bekennen sich nur mehr rund die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher zur katholischen Kirche. Noch hat sie zwar 5,16 Millionen Mitglieder, doch auch unter ihnen lässt eine aktive Mitgliedschaft mehr und mehr nach. Selbst in Tirol liegt die regelmäßige Teilnahme an den Sonntagsgottesdiensten bei 20 Prozent. Genauso hoch war 2017 die Beteiligung an den Pfarrgemeinderatswahlen. Würde der Identifikationsgrad der Jugend mit ihrer Kirche ausgewertet werden, so ergäbe dies wahrscheinlich einen sehr niedrigeren Wert. Die zweitgrößte Religionsgemeinschaft ist der Islam mit rund 700.000 Mitgliedern,[1] gefolgt von den orthodoxen Kirchen mit rund 500.000. 302.964 Mitglieder haben die evangelischen Kirchen und rund eine Million sind ohne Religionsbekenntnis. Die jüdische Gemeinschaft hat in Österreich rund 15.000 Mitglieder. Die Zahl der Muslime dürfte sich in den nächsten Jahren auf 800.000 bis 900.000 erhöhen. Die religiöse Vielfalt zeichnet sich weiters durch 16 vom Staat anerkannte Religionsgemeinschaften aus, die alle das Recht auf einen eigenen Religionsunterricht an den Schulen haben.[2] Zudem gibt es noch eine ganze Reihe von eingetragenen Bekenntnisgemeinschaften wie die Baha’i oder die Hindus.
Multireligiosität spiegelt sich daher vermehrt in der soziologischen Zusammensetzung der Schulkassen in Österreich wider. Dabei geht es nicht nur darum, dass katholische neben muslimischen, orthodoxe neben Schülerinnen und Schülern ohne Religionsbekenntnis sitzen. Die Situation ist weit komplexer, wenn wir von einem weiten Religionsbegriff[3] ausgehen. Demnach lässt sich Religiosität zunächst nicht über die Konfessionalität bestimmen, über Zugehörigkeit zu einer bestimmten Pfarre, über die Teilnahme oder Nichtteilnahme am Sonntagsgottesdienst, ja auch gar nicht mehr über Getauftsein oder Nichtgetauftsein. Matthias Scharer bringt die Situation heutiger Schulklassen mit folgender Wahrnehmung auf den Punkt: „… jede Schulklasse repräsentiert eine multireligiöse Gruppe Jugendlicher, in der spezifisch christliche oder kirchliche Ausprägungen von Religiosität in der Minderheit sind, in der aber gleichzeitig etwa das Musikerleben Jugendlicher, ihr Konsumieren, ihre virtuelle Kommunikation, aber auch ihre ausdrücklichen Fragen nach Lebenssinn und Lebenspraxis religiöse Züge im engeren oder weiteren Sinn aufweisen.“[4] Herausfordernd an dieser Beschreibung ist die Tatsache, dass Scharer so weit geht, dass er den Begriff „multireligiös“ nicht vorrangig versteht als Zugehörigkeit zu einer der verschiedenen Religionen. Multireligiosität, um diesen Gedanken fortzuführen, kann selbst innerhalb einer Gruppe sein, in der die Mitglieder der gleichen Konfession angehören.
- Konfessionsunterricht als religiöser Fleckerlteppich
Das multireligiöse Setting, das die Kinder und Jugendlichen mehr noch als die Erwachsenenwelt betrifft, stellt die Schule im Allgemeinen sowie den Religionsunterricht im Besonderen vor neue Herausforderungen. Die Vertreterinnen und Vertreter der Religionsgemeinschaften und ihre Schulämter haben sich in dieser Situation geeinigt, am Konzept eines konfessionellen Religionsunterrichtes festzuhalten, also ein multireligiöses Fleckerlteppichmodell in der Schule zu etablieren. Die Strategie, damit den Religionsunterricht zu retten, wird jedoch nicht aufgehen. Im Gegenteil: Das konfessionalistische Modell – jede Religionsgemeinschaft und Kirche „pickt“ sich ihre Mitglieder heraus – wird letztlich dazu führen, dass der Religionsunterricht sukzessive aus der Schule fliegt. Was man bewahren wollte, wird so ganz verloren gehen.
Das Sezieren der Klassen für den Religionsunterricht oder einen Ethikunterricht ist nicht nur unzeitgemäß, pädagogisch falsch und theologisch unlogisch, sondern wird vor allem aus administrativer Perspektive ein schier unlösbares Problem. Pädagogisch nachhaltiges religiöses Lernen im Gesamt der Schule wird erschwert. Religionslehrende können kaum mehr einen fächerübergreifenden Unterricht machen, wenn sie nur vor der Hälfte der Klasse stehen. Gerade mit Blick auf die Kompetenzorientierung wäre es wichtig, sich auch im Fach Religion mit anderen Fächern zu vernetzen. In den höheren Schulen wird Religion als Maturafach oft nicht möglich sein, weil es nur mehr einstündig zustande kommt. Ein einstündiger Unterricht in kleinen Gruppen wiederum führt dazu, dass die Religionsstunden an den Rand gedrängt werden. Vielfach wird dies zu Abmeldesituationen führen. Dann wird in Zukunft vielleicht ein Ethikunterricht angeboten, der breit besucht wird, zweistündig sein kann, als Maturafach geeignet ist und damit auch nicht an den Rand gedrückt wird. Überhaupt tut sich ein Einstundenfach – wie es vor allem für die kleineren Religionsgemeinschaften die Regel ist – schwer, um die Fülle dessen, was erarbeitet werden sollte, irgendwie zu schaffen. Mit fünfzigprozentiger Reduktion korreliert auch eine Abnahme an Beziehungsarbeit mit den Schülerinnen und Schülern, die gerade im Religionsunterricht von großer Bedeutung ist. Durch solche Entwicklungen sinkt der Stellenwert des Faches Religion im Gesamt des Fächerkanons.
- Verpflichtender Ethikunterricht als postmodernes Kuckucksei
Problematisch ist in diesem Hinblick die Entwicklung, dem Pflichtfach konfessioneller Religionsunterricht ein zu schaffendes Pflichtfach Ethik zumindest in der Sekundarstufe II gegenüberzustellen oder Ethikunterricht überhaupt als Pflichtfach zu definieren, während Religion zum Freigegenstand mutieren würde. Die größer werdende Zahl von Schülerinnen und Schülern ohne Religionsbekenntnis bzw. solche, die sich vom Religionsunterricht abmelden, wären dann so gut wie automatisch dem Ethikunterricht zugeordnet. Derzeit besuchen immerhin 26,18 Prozent der Kinder und Jugendlichen ohne Religionsbekenntnis einen katholischen Religionsunterricht, was – so die Erfahrungen aus der Praxis – für alle Beteiligten meist eine große Bereicherung im Sinne vom gemeinsamen Lernen darstellt.
Tatsächlich haben sich die Schulämter der Kirchen und Religionsgemeinschaften in den letzten zwei Jahrzehnten sehr dafür eingesetzt, dass in den Schulen als Ersatzfach ein Ethikunterricht angeboten wird. Seit 20 Jahren läuft er als Schulversuch an 214 AHS und BHS für Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe II für alle, die das Pflichtfach Religion nicht besuchen, weil sie sich abgemeldet haben oder ohne Bekenntnis sind oder für sie kein Religionsunterricht stattfindet. Damit wollte man verhindern, dass die Schülerinnen und Schüler eine Freistunde haben, wenn sie nicht am Religionsunterricht teilnehmen können oder wollen. Die Leiterin des Schulamtes der Erzdiözese Wien, Andrea Prinz, tritt dafür ein, dass der bisherige Schulversuch Ethikunterricht ins Regelschulwesen übernommen wird – damit also für alle Schule Gültigkeit haben würde. Das Modell Ethik als Pflicht für alle und Religion als Pflichtfach mit Abmeldemöglichkeit könne aber seitens der Kirche nicht mitgetragen werden, „da der Religionsunterricht faktisch darunter leiden würde“[5]. Auch die Leiterin des Schulamtes der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Carla Amina Baghajati, lobt den Schulversuch Ethik und tritt zugleich für den konfessionellen Religionsunterricht ein. Die Buddhistische Religionsgemeinschaft sieht Ethik- und Religionsunterricht als gleich wichtig an. Noch etwas verwirrend klingt die protestantisch Position. Einerseits solle Ethik ein Pflichtfach für alle sein, die keinen Religionsunterricht haben, andererseits tritt der für evangelischen Religionsunterricht zuständige Oberkirchenrat Karl Schiefermair für eine Ausweitung des Ethik-Schulversuchsmodells ein.
Argumentativ lautet die gesellschaftlich favorisierte und medial vermittelte Position, dass Ethik wichtiger als Religion sei. Aus dieser Ansicht folgt, den Religionsunterricht durch einen weitaus einfacher organisierbaren Ethikunterricht zu ersetzen. Der Blick auf Anschläge religiöser Fundamentalisten nährt eine solche Position. Religion erscheint ohnehin als gefährlich, weil gewaltfördernd. „Im Namen der Vernunft“, so die Überschrift in einem Kommentar im DER STANDARD vom 18.4.2017, bringt dazu Lisa Nimmervoll dies prägnant auf den Punkt: „Der demokratische liberale Staat aber ist existenziell angewiesen auf mündige, aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger, die gegen blinden Gehorsam gegenüber Religionen, dubiosen Weltsimplizfierern und sonstigen Obrigkeiten gewappnet sind. In diesem Sinne wäre Ethikunterricht für alle ein Akt demokratiepolitischer Wehrhaftigkeit.“[6] Zu dieser Tendenz passt dann auch jenes Ansinnen, religiöse Symbole aus der Schule zu verdrängen.
Die Befürworter eines Ethikunterrichts, der sukzessive Religion aus der Schule verdrängt, berufen sich dabei selbst auf den Dalai Lama und seine zentrale These, dass eine säkulare Ethik besser sei als Religion bzw. dass wir eine Ethik jenseits der Religionen bräuchten.[7] Franz Alt zieht daraus die Folgerung: „In den Schulen ist Ethik-Unterricht wichtiger als Religionsunterricht. Warum? Weil zum Überleben der Menschheit das Bewusstsein des Gemeinsamen wichtiger ist als das ständige Hervorheben des Trennenden.“[8]
Auf den ersten Blick scheint diese These plausibel und rational zu sein. Man sieht auf totalitäre und gewaltträchtige Phänomene in den Religionen und stellt ihnen eine aufgeklärte, humanistische Ethik gegenüber. Erstens jedoch zeigt sich sofort, dass unterschiedliche ethische Positionierungen genauso zu Trennungen und Konflikten führen können. Um es an einem Beispiel fest zu machen: Sowohl die Aufnahme von Flüchtlingen wie die Abschottungspolitik werden ethisch gerechtfertigt. Während die einen sagen, man müsse gegenüber den Flüchtlingen Humanität zeigen, argumentieren andere, dass die Aufnahme von Flüchtlingen zu Zerreißproben in den Aufnahmeländern führen und auf Dauer den Frieden in diesen Ländern gefährden würde. Aus religiöser Sicht, so könnte nun argumentiert werden, gibt es aber nur eine Position. Alle Religionen betonen im Kern die Gastfreundschaft und die Verpflichtung, den Notleidenden zu helfen. Analog lässt sich auch in der Frage der Gewalt argumentieren: In der Mitte aller großen Religionen steht die Botschaft vom Gewaltverzicht und der Verurteilung von Gewalt. Demgegenüber wurden die schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte ethisch gerechtfertigt. Der Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki geschah mit der Legitimation, den Krieg zu beenden. Donald Trump argumentierte ethisch, als er als Konsequenz auf die Giftgasangriffe in Syrien im April 2017 einen Luftwaffenstützpunkt mit Marschflugkörpern angreifen ließ. Jeder Krieg wird letztlich ethisch gerechtfertigt. Die Kraft zum Gewaltverzicht, die wiederum dem religiösen Oberhaupt der Tibeter so wichtig ist, kann jedoch wesentlich aus einer religiösen Grundhaltung – beispielsweise durch eine Orientierung an dem Vorbild Jesu Christi – entspringen. Der Dalai Lama macht sich zweitens auch für die These stark, dass es in den Menschen eine Spiritualität jenseits jeder Religion geben würde, die zu Einheit und Frieden führen könne. Dem Menschen angeboren sei diese ethische Grundkonstante, nicht aber die Religion. Religion erscheint damit sekundär, Ethik primär; Ethik scheint innerlich zu sein, Religion komme äußerlich dazu. Ethik sei das Wasser und Religion ein Teebeutel, der auch verzichtbar sei. Ein Mensch würde ohne Religion auf die Welt kommen, nicht aber ohne Ethik.
Gegen diese populäre und vor allem auch in der Diskussion um den Ethik- versus Religionsunterricht gerne gewählte Sichtweise kann aber eingewendet werden: Was ist Religion überhaupt? Sind nicht schon die Erfahrung von Geborgenheit im Mutterleib, die Erfahrung von Mutter- und Vaterliebe oder die Erfahrung von Gemeinschaft und Solidarität religiöse Grunderfahrungen, weil in ihnen zugleich die Güte und Größe und die Zärtlichkeit und Kraft Gottes spürbar werden? Liebe ist wohl die stärkste positive Kraft der Menschen und zugleich die religiöse Grundkategorie schlechthin. Dabei können wir zugleich die positive Dialektik von Nächsten- und Gottesliebe buchstabieren. Nächstenliebe kommt nicht zur Gottesliebe hinzu, sondern Gottesliebe realisiert sich in Nächstenliebe wie sich Nächstenliebe in Gottesliebe realisiert, ohne dass beide wiederum vollständig ineinander aufgehen. Wenn aber Gottesliebe und Religion als quasi wesensfremd zu Nächstenliebe und Ethik konstruiert werden, so bedeutet dies ein Mangel an dialektischem Verständnis; dann wird Religion in ihrer Immanenz und empirischen Realität nicht wahrgenommen. Wenn der Dalai Lama Ethik als etwas Angeborenes, Religion aber als etwas Anerzogenes definiert, dann wird in dieser Argumentation die so gefährliche Trennung von Religion und Ethik vollzogen. Der philosophische Einwand gegen eine Überhöhung der Ethik zu Ungunsten der Religion lautet jedoch: In jeder Religion steckt so viel Ethik, allein deswegen ist Religion immer schon zugleich auch angeboren und anerzogen, und zugleich wird jede Ethik auch immer mit Erziehung zu tun haben. In Zeiten, in denen der Religionsunterricht in Frage gestellt wird, dürfen jedenfalls die Thesen des Dalai Lama wie „Kinder sollten Moral und Ethik lernen. Das ist hilfreicher als Religion“ und „Ethik geht tiefer und ist natürlicher als Religion“ nicht unwidersprochen bleiben. Würde sein „Appell“ im Bildungsministerium programmatisch rezipiert werden, so müsste gleich der Religionsunterricht flächendeckend durch einen Ethikunterricht ersetzt werden.
Es kann und darf jedoch nicht darum gehen, Religion und Ethik gegeneinander auszuspielen, sondern ihre Verwiesenheit aufeinander zu entdecken. Paul Zulehner macht auf diesen „Zusammenhang zwischen der Wertschätzung der ethischen Bildung auf der einen und der religiösen Bildung auf der anderen Seite“[9] aufmerksam. „So trete ein Mensch, der ethisch oder religiös gebildet ist, in einer anderen Weise etwa für eine humane Sterbekultur ein als ein in beiden Bereichen Ungebildeter. Ethische Bildung impliziere letztlich stets ein Maß an weltanschaulicher Bildung, von der wiederum die christliche Bildung eine spezielle Variante darstelle. Und andersherum gelte: Religiöse Bildung hat immer auch ethische Konsequenzen.“[10]
Dies hat auch Konsequenzen für das Bildungssystem. Gerade angesichts religiöser Fundamentalismen brauchen wir ein Mehr an aufgeklärter religiöser Bildung, eine kritische Auseinandersetzung mit den heiligen Schriften und eine rationale Auseinandersetzung mit den religiösen Grundlagen. Religionen und Ethik sind aufeinander bezogen. Religiöse Fundamentalisten berauben die Religionen einer ethischen Rationalität. Falsch wäre es nun, die friedensstiftenden Funktionen der Religionen auszublenden und in Abrede zu stellen. Nicht Religionen sind schuld an der Zerstörung der Umwelt und der Klimakatastrophe, sondern die Negation und Vernachlässigung jenes religiösen Grundempfindens, in dem die Umwelt als Schöpfungswerk Gottes erlebt und verstanden wird. Nicht weniger Religion kann die Welt retten, sondern der Mehrwert der aufgeklärten Religionen mit ihren befreienden ethischen Impulsen wird zu Frieden, Gerechtigkeit und Einheit mit der Schöpfung führen. Dazu wiederum könnte das Schulfach „Religionen- und Ethikunterricht“ wesentlich beitragen. Ethik würde nicht mehr geistig und in Konsequenz daraus auch praktisch von Religion getrennt, sondern es würde deutlich werden, dass sich in ethischem Handeln Religion wesentlich realisiert, während wiederum Ethik selbst vielfach religiöse Begründungen als Grundlage hat. Eine Schülerin oder ein Schüler würde nicht mehr vor die falsche Wahl gestellt werden: „Soll ich nun Ethik oder Religion nehmen?“
Leider findet sich im Diskurs über die Zukunft des Religionen- und Ethikunterrichts – in dieser Dichotomie wird er geführt – kaum eine Stimme, die in Österreich für einen gemeinsamen Religionen- und Ethikunterricht in der Sekundarstufe II eintritt. Dies wurde beispielsweise in einer parlamentarischen Enquete in Wien zum Thema „Werteerziehung durch Religions- und Ethikunterricht in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft“ bereits im Mai 2011 deutlich.
Die meisten befürworten inzwischen einen verpflichtenden Ethikunterricht für alle. Hier gibt es wiederum zwei Varianten. Die einen sehen damit das endgültige Aus für den Religionsunterricht – bestenfalls noch als Freigegenstand wählbar. Eine zweite Gruppe will den Ethikunterricht als verpflichtendes Fach nur für jene, die keinen Religionsunterricht besuchen. Anton Bucher zählt zu den Wissenschaftlern, die seit langem für einen verpflichtenden Ethikunterricht eintreten. Auch Religionslehrerinnen und Religionslehrer sollten dieses Fach unterrichten können. Ähnlich argumentiert der Wiener Philosoph Konrad Paul Liessmann. Er geht jedoch weiter als Anton Bucher und fordert, dass es für einen verpflichtenden Ethikunterricht im Regelschulwesen eine eigene universitäre Ausbildung bräuchte – dass also eine Zusatzausbildung für Religionslehrer und Religionslehrerinnen nicht reichen würde. Notwendig sei, so Liessmann, eine Entkoppelung der Fragen nach dem Ethik- und dem Religionsunterricht. U. a. wird diese Sichtweise vom Philosophen Peter Kampits unterstützt.
Auch kirchlicherseits findet ein verpflichtender Ethikunterricht Gehör, wenn damit – so der fromme Wunschgedanke – keine Aufhebung des konfessionellen Religionsunterrichtes verknüpft sei. Der evangelische Oberkirchenrat Prof. Karl Schiefermair brachte diese Position wie folgt auf den Punkt. „In der evangelischen Kirche gehe man zwar davon aus, dass die Einführung zu einer Schwächung des konfessionellen Religionsunterrichts führen werde; dennoch begrüße man ein Schulfach Ethik, da es uns nicht egal sein kann, was mit den Schülern passiert, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen wollen.“[11] Die bei der parlamentarischen Enquete anwesenden Vertreter der anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften – wie der orthodoxen Kirchen oder der Islamischen Glaubensgemeinschaft – vertraten eine fast gleichlautende Position: Verpflichtender Ethikunterricht für alle, die nicht an einem konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen. Alle teilten zugleich die Sorge, dass ein solcher „Ersatzunterricht“ aber auf Kosten des Religionsunterrichtes gehen könnte. Bezeichnend für diese parlamentarische Enquete war freilich, dass kein Modell besprochen wurde, wie ein gemeinsamer Religionen- und Ethikunterricht aussehen könnte.
- Multireligiosität als Chance für interreligiöses Lernen
Während viele darüber klagen,[12] dass ein Unterrichten gerade im Fach Religion zunehmend schwieriger geworden sei, könnte Multireligosität als Chance genützt werden, wenn es die notwendigen Bedingungen für ein interreligiöses Lernen gibt und die rechtlichen und schulgesetzlichen Voraussetzungen dies nicht länger erschweren. Das Schulgesetz verbietet noch explizit eine Teilnahme von Schülerinnen und Schülern am konfessionellen Unterricht einer anderen Religionsgemeinschaft oder Kirche.[13] Auf Seiten der Schülerinnen und Schüler ist die Bereitschaft und Offenheit gegenüber den anderen Glaubensgemeinschaften sehr hoch. Eine empirische Untersuchung an AHS im Raum Innsbruck kommt zum Ergebnis, dass bei einem Drittel der Befragten (36%) die Attraktivität anderer Religionen größer ist als die eigene Religion.[14] Andere Studien – beispielsweise die Shell-Jugendstudie – bestätigen den Trend unter Jugendlichen, sich ihre Religiosität individuell aus einer Fülle von weltanschaulichen Elementen zusammenzusetzen.
Zu den religionspädagogischen Zielsetzungen an einer AHS zählt es, die Pluralitätsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler sowie die Unterscheidungs- und Urteilsfähigkeit angesichts der Vielfalt religiöser Phänomene zu entwickeln und zu stärken. Der Erziehungswissenschaftler Markus Rieger-Ladich sieht angesichts der kulturellen und religiösen Differenzen die Notwendigkeit, „das Urteilsvermögen der Schülerinnen und Schüler zu trainieren. Es wird darum gehen, die Pluralität von Lebensformen und Lebenswelten nicht als Bedrohung wahrzunehmen, sondern als Gewinn.“[15] In der Schule sieht er den Ort, wo ebensolches gelernt werden kann. Eine qualitativ-empirische Untersuchung über die Meinung unter den Religionslehrenden kommt zum Ergebnis, dass eine Trennung der Klassen entlang der konfessionellen Grenzziehungen tendenziell als negativ erfahren wird.[16] Die religionssoziologische Wahrnehmung der religiös vielfältigen Welt der Schülerinnen und Schüler bestätigt die These, dass sich der konfessionelle Religionsunterricht in pädagogischer, didaktischer und rechtlicher Sicht durch eine prinzipielle und strukturelle Offenheit gegenüber Andersgläubigen auszeichnen muss. Auch der Blick auf die vielfachen Globes bekräftigt die Notwendigkeit eines interreligiösen Lernens im Rahmen des konfessionellen Unterrichts. Die gesetzlichen Vorgaben sowie entsprechende Handlungsmuster sowohl von Seiten der Schulbehörden sind jedoch teils nicht hilfreich bzw. stehen den interreligiösen Ansprüchen im Wege.
- Religionspädagogisch-theologische Begründungen für interreligiöses Lernen
Das Klassenzimmer und die Schule sind zu begreifen als loci theologici, als Orte von göttlichem Heilsgeschehen. Unser Glaube ist der Glaube an jenen Gott, der in sich zutiefst Beziehung und Kommunikation ist und sich dem Menschen in Schöpfung und Geschichte mitteilt.[17] Die Geschichte Gottes mit den Menschen beschränkt sich nicht auf Konfessionszugehörigkeit und Kirchenraum. Konkret: Das Klassenzimmer und damit wesentlich auch der Religionsunterricht sind heilsbedeutsame Orte. Die biblische Heilsgeschichte als Schlüssel legt nahe, dass diese Geschichte sich wesentlich durch die Begegnung mit dem Fremden auszeichnet.
Jeder Schüler und jede Schülerin hat eine religiöse Grundverfasstheit, die zunächst auch unabhängig von Konfessions- bzw. Religionszugehörigkeit besteht. Das Klassenzimmer bzw. die Klassengemeinschaft wird als jener Ort wahrgenommen, wo vier Dimensionen reflektiert werden können: Die Dimension der persönlichen Lebens- und Glaubenserfahrung, der Gemeinschaftserfahrung und Kirchlichkeit, der religiösen und biblischen Traditionen in deren Vermittlung und der Kontextgebundenheit bzw. Welterfahrung.[18] In der Dynamik zwischen diesen Dimensionen offenbart sich Gott.
- Interreligiöses Lernen
Ökumenisches Lernen und interreligiöses Lernen können in einem weiteren und in einem engeren Sinn begriffen werden.[19] Zum allgemeinen interreligiösen Lernen in einem weiteren Sinn zählt jedes Lernen über die Religionen, in einem engeren Sinn geht es um das Lernen in direkten Begegnungen. Leimgruber bezeichnet den interreligiösen Dialog im engeren Sinn als „Königsweg“ [20]. Religionendialog in einem umfassenderen Sinn schließt freilich interreligiöses Lernen in einem engeren Sinne nicht aus, sondern zielt darauf ab. Wir könnten es vereinfacht auch im Sine von zwei konzentrischen Kreisen sehen, die offen kommunikabel zueinander sind. Der innere Kreis ist das direkte religiöse Lernen durch unvermittelte interreligiöse Konvivenz, der äußere Kreis ist das indirekte religiöse Lernen durch eine Beschäftigung mit interreligiösen Themenstellungen bzw. mit der Religion der je Andersglaubenden. Beide Aspekte könnten in einem inklusiven Religionen- und Ethikunterricht bestimmend werden.
- Konfessionsverbindender Religionen- und Ethikunterricht
Ein inklusiver, das heißt nicht in Religionsgemeinschaften und Konfessionen fein säuberlich getrennter Religionsunterricht, böte hingegen viele religiöse Erfahrungs- und Lernmöglichkeiten. Vor allem die impliziten religiösen Grunderfahrungen, die jede Schülerin und jeder Schüler sowie die Klasse miteinander machen, könnten zum Thema werden. Damit sei gleich der Einwand beantwortet, dass interreligiös[21] geprägter Religionsunterricht tendenziell ein Lernen über Religionen sei, ein Aufdecken der Außenperspektive von Religion, in dem die „native guides“ nicht wichtig wären.[22] „Native guides“ sind jedoch nicht nur die Religionslehrenden, sondern immer auch die Schülerinnen und Schüler sowie die Lernorte Klasse und Schule.[23]
- Kommunikative Theologie als Begründungsmuster für inklusiven Religionsunterricht
Eine hermeneutische Herangehensweise an die Frage eines inklusiv-interreligiösen Religionsunterrichtes kann die kommunikative Theologie und die darin beinhaltete Themenzentrierte Interaktion (TZI) bieten.[24] Dabei geht es um drei Eckpunkte, die in einem Kreis miteinander in Beziehung stehen und in wechselseitiger Interaktion sind. Ein Eckpunkt stellt die Fokussierung auf das WIR dar – was im konkreten Fall Schule, die soziale Größe einer Klasse aber auch der Schulgemeinschaft sind. Zweiter Fokus ist das ICH – ich als religionslehrende Person, mehr noch aber das ICH des einzelnen Schülers bzw. der Schülerin als religiöse Identität bzw. in religiöser Identitätssuche. Dritter Blickwinkel ist das ES, das sind konkrete Lehrplaninhalte, die im Laufe des Religionsunterrichtes eingebracht werden und vorgegeben sind. Vierter Bezugspunkt ist schließlich als Kreis um das TZI-Dreieck der GLOBE – das sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen der Religionsunterricht stattfindet und dabei insbesondere das gesetzliche Regelwerk aber auch die Tausenden Ansprüche, die von allen Beteiligten an den Religionsunterricht herangetragen werden.
Interreligiöses Lernen im Rahmen des konfessionellen Religionsunterrichtes ist der Kairos, den es zu gestalten und zu entwickeln gilt. Dadurch werden authentische Begegnungen ermöglicht, die über ein mehr oder weniger flüchtiges Kennenlernen hinausgehen.[25] Schülerinnen und Schüler lernen nicht mehr über die Religion des Anderen, sondern miteinander die Religion des je Anderen kennen. Sie lernen zunächst nicht über die Vermittlung von Fachwissen durch die Lehrkraft, sondern im Dialog, in dem auch die Lehrperson zugleich lernend ist. So ist interreligiöses Lernen stets mehr als interreligiöse Erziehung, ohne diese auszuschließen, ist mehr als Vermittlung von religionskundlichen Inhalten, auch wenn diese nicht fehlen darf.
- Religiöse Identitätsbildung durch Begegnung und Dialog
Gegen das Anliegen eines interreligiösen RU werden verschiedene Argumente vorgebracht, die meist nicht aus der Praxis des Unterrichtes kommen. Zuerst müsste, so ein oftmals formulierter Einwand, die eigene religiöse Identität bereits bestehen und müssten die Grundkenntnisse der eigenen Religion bekannt sein und gelebt werden, um sich dann von dieser „sicheren Position“ aus dem Anderen zuzuwenden. Da aber, so geht die Argumentation weiter, diese Identität immer weniger vorausgesetzt werden könne, da die religiöse Bildung und noch weniger das religiöse Eingebundensein in die Kirche gegeben seien, müsse doch zuerst das eigene Profil fix sein. Ohne diese Eigenprofilierung könne kein sinnvoller Dialog stattfinden.[26] Schülerinnen und Schüler wären sonst mit einem interreligiösen Ansatz überfordert. Ein komparatives Vorgehen, wie es eine interreligiöse Didaktik erfordere, sei nicht möglich, solange nicht eine Grundkenntnis der eigenen Religion vorhanden sei. Ein weiterer Einwand in dieser Richtung lautet, dass interreligiöses Lernen im Religionsunterricht die ohnehin eklektizistische oder synkretistische postmoderne Grundhaltung verstärken würde.
Wie aber kann religiöse bzw. konfessionelle Identitätsbildung geschehen? Zwei Paradigmen stehen für zwei ganz unterschiedliche Richtungen: Identitätsbildung unter dem Paradigma der Abgrenzung oder dem Paradigma der Begegnung mit dem Anderen. Ersteres baut auf einen konfessionellen Unterricht mit klaren Grenzen gegenüber den Andersgläubigen, letzteres will gerade den Kontakt und die Begegnung mit den Andersgläubigen.
- Schülerinnen und Schüler als zu belehrende Objekte oder als lernende Subjekte
Die Einwände gegen multireligiöse Settings im Religionsunterricht orientieren sich manchmal an einem „alten“ Konzept dessen, was Religion in der Schule zu leisten habe.[27] Soll vorrangig jene Katechese nachgeholt werden, die in der Familie und in der Pfarrgemeinde heute nicht mehr stattfindet? Soll, so der katechetische Ansatz, die Religionslehrerin oder der Religionslehrer der verlängerte Arm der Kirche oder einer Glaubensgemeinschaft in der Schule sein, um die Schülerinnen und Schüler wieder oder zum ersten Mal mit der Kirche oder einer Moschee zu verbinden? Sollen Religionslehrende missionarisch auftreten?[28] Heute gilt jedoch in der Religionspädagogik als unbestritten: Schülerinnen und Schüler dürfen nie mehr zu Objekten des Unterrichtes degradiert werden und sind kein Rekrutierungspotenzial für die Kirchen oder Religionsgemeinschaften.
- Konfessionalitätsprinzip im Religionsunterricht als Schutz der kleinen Religionsgemeinschaften?
Ein weiterer gewichtiger Einwand lautet, dass konfessionelle Trennungen im Religionsunterricht ein Schutz für die kleineren Religionsgemeinschaften und Kirchen seien. In Tirol gibt es eine dominierende Mehrheitskirche, der gegenüber die anderen Kirchen und Glaubensgemeinschaften eine Minderheitenposition einnehmen.[29] Auf schulischer Ebene bringt diese Minderheitenposition Nachteile mit sich, was sich konkret so auswirkt, dass die Wochenstundenzahl für die kleineren Religionsgemeinschaften und Kirchen meist nur einstündig ist, diese Stunden meist am Nachmittag oder gar nicht an der eigenen Schule stattfinden. Gäbe es nun die Möglichkeit, auch den Unterricht einer anderen Konfession zu besuchen, so würde dies dazu führen, dass – so die Befüruchtung – den entsprechenden eigenen Konfessionsunterricht nicht mehr aufsuchen oder sich davon abmelden würden.
Dagegen kann jedoch leicht argumentiert werden, dass gerade ein interreligiöser Unterricht die spezifisch-konfessionelle Identität der Schülerinnen und Schüler stärken könnte, weil es wohl jeder Grundlage entbehrt, dass ein solcher Unterricht in proselytischer Absicht erfolgen würde. Interreligiöser Unterricht kann die eigene religiöse Identität durch die Begegnung mit dem Anderen stärken.
- Verwässerte Einheitsreligion?
Gegen einen Unterricht, der eine multi-religiöse Gruppe beinhaltet und auf eine direkte interreligiöse Didaktik setzt, wird auch ins Spiel gebracht, dass dies zu einer verwässerten Einheitsreligion führen und die Profilierung des Eigenen zu kurz kommen würde. Dagegen steht das Konzept des Dialogs im Unterricht, der darauf ausgerichtet ist, gerade auch die Unterschiede zur Geltung kommen zu lassen. Die Wahrnehmung und die Respektierung von Differenz zählen zum Markenzeichen für interreligiöse Bemühungen. Wolfram Weiße schreibt mit Blick auf das Modell des dialogischen Religionsunterrichtes in Hamburg: „Der Dialog im Klassenzimmer fördert den Respekt vor den religiösen Überzeugungen Anderer und verweist auf die Relevanz einer möglichen Vergewisserung und Ausbildung eigener Religiosität bei gleichzeitiger kritischer Infragestellung.“[30]
- Überforderte Religionslehrende im interreligiösen Unterricht?
Ein Einwand lautet, dass sich Religionslehrende überfordert fühlen würden, wenn Schülerinnen und Schüler anderer Religionen oder Konfessionen in „ihrem“ Unterricht sitzen würden. Es mangele an entsprechender Erfahrungs- und Sachkompetenz. Es bräuchte die Religionslehrenden als „native guides“, die in ihren Religionen zuhause sind.
Dagegen kann jedoch argumentiert werden, dass zum einen von den Religionslehrenden so viel Sachkompetenz über andere Religionen erwarten werden kann, dass damit im schulischen Unterricht genügend Auseinandersetzung möglich ist. Zum anderen bieten multireligiöse Konstellationen ja auch eine Chance für die Religionslehrenden zu einem beständigen neuen Lernen. In der religionspädagogischen Aus- und Weiterbildung wird ohnehin vermehrt auf die Vermittlung der interkulturellen und interreligiösen Kompetenz der Religionslehrenden gesetzt.
Korrelationsdidaktik, Erfahrungshermeneutik und biographisches Lernen sind Vorgaben, wie heute ein Unterricht gestaltet werden sollte.[31] Schülerorientierung und Prozessorientierung haben auch Implikationen für die multireligiöse Fragestellung. Ich möchte im Folgenden vom religionspädagogischen Ansatz von Matthias Scharer ausgehen, der formulierte: „Erst eine radikale Prozeßorientierung des Religionsunterrichtes, welche die SchülerInnen als (multi-)religiöse Subjekte mit ihrem unkonventionellen philosophisch-theologischen Denk- und Urteilsvermögen als (Mit-)autorInnen ihrer Sinn- und Weltkonzepte ernst nimmt, ermöglicht Lernprozesse in die provozierend-konfrontierend jene Themen eingebracht werden können, die sowohl von der Fremdbestimmung durch die Verwendung vorgefertigter Unterrichtsmodelle, als auch von der Nabelschau immer wiederkehrender Modethemen erlösen.“[32] Im religiösen Lernen geht es wesentlich darum, von den Erfahrungen auszugehen.[33] Die biografisch geprägten Erfahrungen bilden eine wichtige Quelle für religiöses Verstehen. Sie sind selbst Glaubensbotschaft und werden in Beziehung gesetzt zur tradierten Botschaft des Glaubens. Ottmar Fuchs formulierte einmal den Grundsatz: „Wo die Kirche Gott hinbringt, darf und muß sie immer erst einmal davon ausgehen, dass Gott schon in (ihr bislang unbekannten) Verwirklichungen und Lebensformen dort vorhanden ist.“[34] Auf den Religionsunterricht umgelegt bedeutet dies: Wo ich als Lehrerin oder Lehrer über Gott und den Glauben rede, kann ich immer schon an den Gottes- und Glaubenserfahrungen der Schülerinnen und Schüler anknüpfen, an den Erfahrungen freilich, die sich immer weniger auf konfessionelle oder kirchliche Erfahrungsebenen beschränken lassen.
Existenzielle Erfahrungen können und sollen im Religionsunterricht geschehen und reflektiert werden. Reine Stoffvermittlung wird nicht als Ziel gesehen. Erlebnisse und Erfahrungen, Begegnungen und Gespräche sollten den Religionsunterricht prägen, wobei religiöses Orientierungswissen nicht zu kurz kommen sollte. Die lebensweltlich-erfahrungsorientierte Dimension wird in Beziehung gesetzt mit religiösen Themen, die so nicht mehr abgehobene Stoffgebiete sind. Wenn es gelingt, die religiösen Erfahrungen im Religionsunterricht zur Sprache zu bringen, dann gibt es einen Einblick in die Religionen von innen, dann können die Außenperspektiven, die Vermittlung von Inhalten von außen her gelingen. Diese generellen religionspädagogischen Grundsätze unterstreichen die Bedeutsamkeit eines interreligiösen Lernens, widerlegen auch das Argument, ein interreligiöser Unterricht wäre eine unparteiische Religionenkunde ohne Verankerung in den Konfessionen und Religionsgemeinschaften.
- Kommunikativ-theologische Begründungen
Der theologische und religionspädagogische Hintergrund für interreligiöse Praxis in der Schule, im Klassenzimmer und im Religionsunterricht ist wohl unbestritten. Im Religionsunterricht geht es primär um die explizite Suche nach dem Göttlichen und insofern ist die Anwesenheit von taufscheinmäßig „Andersgläubigen“ geradezu ein besonderes Geschenk. Die Selbstmitteilung Gottes lässt sich nicht auf das Label „katholisch“ reduzieren. Die Theologie setzt die Maßstäbe, demnach religiöse Glaubensvermittlung als kommunikativer Vorgang interpretiert wird, „bei dem nicht bloß abstrakte Wahrheiten, sondern Leben mitgeteilt wird. Deshalb schließt die so verstandene Offenbarung das ganze Leben der sie hörenden und aufnehmenden Menschen ein“[35]. Tatsächlich zählt es zu den Sternstunden des Religionsunterrichtes, wenn muslimische und katholische Schülerinnen und Schüler im Unterricht entdecken, dass letztlich ihr Gott der gleiche ist, der sie anspricht und dem sie sich zugehörig fühlen. Der Lehrplan in Religion für die AHS und BHS/BMHS sieht ausdrücklich vor, nicht so sehr von Metaebenen auszugehen und davon deduktiv Erkenntnisse „für“ die Schülerinnen und Schüler abzuleiten, sondern erfahrungsbezogen mit ihnen zu religiösen Erkenntnissen zu kommen und diese dann mit Metaebenen in Beziehung zu setzen und dabei auch durchaus den Mut zu haben, bestehende dogmatisierte Wahrheiten in Frage stellen zu können. Neben dieser personal-existenziellen Ebene ist die kognitive Ebene gleichfalls bereichert durch Interreligiosität. Auf jeden Fall könnte ein inklusiver Religionen- und Ethikunterricht wesentlich ein komplexer Kommunikationsprozess sein. Je mehr Interreligiosität und Interkulturalität hier vorhanden ist, desto besser.
Die theologische Begründung für die Offenheit des konfessionellen Religionsunterrichtes für Andersgläubige liegt in der religiösen Grundkonstitution jedes Menschen.[36] Als Anwalt für diesen Ansatz kann durchaus auch auf Karl Rahner verwiesen werden. Seine Theologie baute er auf dem Grundsatz auf, dass der Mensch ein Wesen der Offenheit auf das unbegreifliche Geheimnis Gottes hin sei. Rahner postulierte stets „die unmittelbare Selbstmitteilung des absoluten Gottes an die sich selbst immer notwendig geschichtlich ermittelnde Transzendentalität des Menschen“[37].
In dieser Linie sehe ich durchaus das Bemühen der Kommunikativen Theologie. Gott ist ein „kommunikatives Wesen“[38], insofern Gott auf den Menschen hin orientiert ist und mit jedem einzelnen von ihnen in Kommunikation stehen möchte. Im Kontext des Religionsunterrichtes bedeutet dies: Es sind die Schülerinnen und Schüler, mit denen der kommunikative Gott seine Beziehung hat und Gemeinschaft haben will. Die Vertiefung dieses Beziehungs-Gottes, der immer nur als sich offenbarender Gott erfahren und benannt werden kann, nie aber sich darin erschöpft, den wir in der christlichen Theologie als trinitarischen Gott benennen, insofern als Gott, der auch in sich selbst Beziehung ist. Als Religionslehrende müssen wir vom Grundansatz ausgehen, dass sich dieser Gott stets auch als der ganz Andere, der Fremde, manchmal auch der Schweigende in der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler artikulieren will. Es geht darum, wie es Bonhoeffer meinte, „Gott in der Mitte des Lebens, in der Mitte des Alltags anzusiedeln und ihn gerade dort erfahrbar zu machen“[39]. Im Religionsunterricht heißt dies: Gott in der Mitte einer multi-religiösen Klasse erfahrbar werden zu lassen als Einheit von Lebenlernen und Glaubenlernen.[40]
Wie ein roter Faden durchzieht die Bibel die besondere Liebe und Fürsorge Gottes den „Fremden“ und „Ausländern“ gegenüber. Mehr noch: Der Fremde bzw. das Fremde kann Ort der Gottesbegegnung sein.[41] Wenn im Rahmen des Unterrichtes auf die biblisch und trinitarisch begründete Gastfreundschaft eine besondere Aufmerksamkeit gelegt wird, dann können die Schülerinnen und Schüler daraus praktisch wie theoretisch wichtige ethische Aspekte zum „Umgang mit dem Fremden lernen inmitten eines Globe, in dem oftmals xenophobe und ausländerfeindliche Stimmungen den Ton angeben. Die Annahme des fremden Anderen kann jedoch nicht einfach verordnet werden. Sie wird misslingen, wenn dies mit Angst und Abwehr verbunden ist. Umso wichtiger sind, so wie Ottmar Fuchs schreibt, „auf der direkten Begegnungsebene persönliche Beziehungsfelder …, in denen sich Einheimische und Fremde kennen- und schätzen lernen.“[42] Das Klassenzimmer und die Schule sind prädestinierte Orte, wo diese direkten Beziehungsfelder zwischen kulturell und religiös verschiedenen Menschen entstehen können. Solches wird sich auch positiv auf die Gesamtgesellschaft auswirken.[43] Ein inklusiver Religionen- und Ethikunterricht kann als Modell stets das Vorbild des Jesus von Nazareth nehmen, dessen Charakteristikum seine Grenzüberschreitungen waren, seine Mahlgemeinschaft mit denen, die ausgegrenzt wurden. Die junge Kirche nach der Auferstehung Jesu Christi war eine Gemeinschaft, in der Juden und Heiden, Sklaven und Freie, Frauen und Männer aufgrund ihrer gleichen Gotteskindschaft miteinander zu einer neuen Einheit fanden, sich gegenseitig bereicherten und miteinander feierten. Die Schule und der Religionsunterricht können Orte sein, wo die Botschaft von der Gastfreundschaft nicht nur gelehrt wird, die Ethik der Fremdenliebe und Toleranz nicht nur gepredigt wird, sondern praktisch gelebt wird. Die Verkündigung des Evangeliums, so zeigt uns die frühe Kirche, geht Hand in Hand mit der Praxis der Gastfreundschaft, ja wäre ohne diese gar nicht ermöglicht worden.[44] Dies gilt auch für den Religionsunterricht heute, in dem Verkündigung durch die Gastfreundschaft realisiert werden kann. Dies wird dann insbesondere bedeutsam, wenn in der Klasse Rituale gefeiert werden, wenn Trauerarbeit über den Verlust eines lieben Menschen geschieht usw.
Gott ist ein „Fremder in unserem Haus“, so der Titel eines Buches.[45] Es würde jedoch auch wieder eine negative Dynamik entstehen, wenn ich den Anderen und Fremden nur oder vorrangig deswegen schätzen würde, weil ich von ihm lernen kann, weil mir in ihm Gott begegnet, weil ich ihm helfen kann. Dann würde der Andere wieder zum Objekt werden und nicht als Subjekt seiner selbst geschätzt. Die Grundhaltung lässt sich mit Christoph Gellner wie folgt forumlieren: „Der Andere ist nach alledem immer bereits schon deshalb wert geachtet, gerecht behandelt und geliebt zu werden, weil er ein Mensch ist, und nicht erst dann, wenn er ganz bestimmte Bedingungen erfüllt.“[46] Der Andere wird in diese Haltung schon gar nicht als Bedrohung und Infragestellung der eigenen Position betrachtet. Pointiert stellt Christoph Gellner dazu fest: „Diejenigen, die von ihrem Glauben überzeugt sind, fühlen sich vom anderen Glauben nicht bedroht, sondern bereichert.“[47]
Von dieser theologischen Fundierung aus gesehen können wir mit Habringer-Hagleitner festhalten, dass „Pluralität als Strukturprinzip religionspädagogischen Handelns“[48] ernst zu nehmen ist. In der Praktischen Theologie und Religionspädagogik wird immer wieder auf die Notwendigkeit aufmerksam gemacht zu lernen, mit anderen religiösen Traditionen umzugehen, „fremde religiöse Traditionen als Impuls für die eigene religiöse Bildung zu begreifen“ und „in den Anders-Gläubigen die Anders-Gläubigen zu entdecken.“[49]
Die Botschaft, die von einem inklusiven Religionen- und Ethikunterricht ausgeht und in den Globe, das heißt in den Kontext der gegenwärtigen Weltsituation hineinwirkt, ist gerade heute wichtig. Sie ist die Antithese zur Art und Weise, wie heute mehr und mehr Mauern gegen andere gebaut werden wie völkisch-nationalistische Ideologien Abgrenzungen propagieren.
In der Kommunikativen Theologie wird gerne vom „geschenkten Wir“ gesprochen, von der gnadenhaften Erfahrung, die mit Gemeinschaft verbunden ist.[50] Die Klassengemeinschaft kann so eine Erfahrung des „geschenkten Wir“ sein. Sowohl für die Schülerinnen und Schüler als auch für Lehrende wird es hingegen immer wieder als negativ erfahren, wenn gerade in der explizit religiösen Auseinandersetzung und Feier dieses Wir der Klassengemeinschaft entlang von Konfessions- und Glaubensgrenzen beschnitten wird. In den meisten Fällen ist der Religionsunterricht der einzige Ort an der Schule und im Leben der Schülerinnen und Schüler, in dem die religiöse Zugehörigkeit und Beheimatung zum Thema gemacht wird, wobei es freilich in jedem Fach und mit jeder Lehrkraft geschehen könnte. Ein wesentlicher Aspekt dieser Erfahrung ist es, dass die Schülerinnen und Schüler voneinander lernen können. Gerade in einer Zeit, in der die reine Wissensbeschaffung durch die modernen Kommunikationstechnologien vielfach personenunabhängig geworden ist, ist das Miteinanderlernen in den Klassen umso bedeutsamer geworden. Der Lerngewinn ist größer, wenn ich vom Anderen, auch vom dem mir Fremden lernen kann. Dies betrifft auch die religiöse Erfahrungswelt. Scharer und Hilberath sprechen in diesem Zusammenhang von der „Begegnung an der Grenze“[51]. Wer bin ich als Mitglied einer Kirche oder Religionsgemeinschaft, dies wird begreifbar „nicht mehr bloß ad intra im Rahmen eines konfessionellen Milieus“, „sondern vermehrt ad extra im Kontext einer pluralen Gesellschaft mit Bezug zu anderen Religionen und Weltanschauungen“[52]. Diesen Rahmen und diese Räume sollte der Religionen- und Ethikunterricht der Zukunft bieten. Gesetze und Verordnungen sind zu ändern, wo sie dem interreligiösen und ethischen Lernen im Wege stehen.
- Bildungspolitische Begründungen
Ein gemeinsamer Religionen- und Ethikunterricht gehört zur bildungspolitischen Aufgabe des Staates. Die Zielsetzungen in der österreichischen Schule werden mit der Formung und Entwicklung der gesamten Person in Verbindung gebracht. Dies wird gleich zu Beginn – praktisch als Überschrift über die weiteren Bestimmungen – im Schulorganisationsgesetz festgelegt.[53] Explizit wird darin die Notwendigkeit angesprochen, sich auch mit den „religiösen Werten“ auseinanderzusetzen. Damit wird ein Religionen- und Ethikunterricht nicht einfach, wie dies kirchlicherseits so gerne getan wird, mit Verweis auf das Konkordat begründet, sondern auf allgemein vermittelbare Grundsätze der Bildungspolitik. Gegen die Abschaffung eines konfessionellen Religionsunterrichtes einfach die Bestimmungen des Konkordats zu zitieren, ist jedenfalls kein Mittel gegen die säkularistischen Bestrebungen in Österreich, unter der Forderung einer strikten Trennung von Religion und Staat das Fach Religion aus der Schule zu streichen. Religiöse und ethische Bildung gehört zu den Grundaufgaben des Staates. Dieser wiederum sollte gemeinsam mit den Kirchen und Bildungseinrichtungen in der Frage kooperieren, wie ein solcher Bildungsauftrag sich praktisch am besten umsetzen ließe.
- Ceterum Censeo
Ein inklusiver Religionen- und Ethikunterricht widerspricht zunächst dem herrschenden konfessionellen Unterrichtsprinzip, ist aber aus theologischer und religionspädagogischer sowie aus demokratie- und bildungspolitischer Perspektive Sicht unbedingt notwendig. Ohne ihn würde trotz Konkordat schrittweise der Religionsunterricht überhaupt aus der Schule verdrängt werden. Luxemburg hat diesen Weg vorgezeigt, wo im Herbst 2016 der konfessionelle Religionsunterricht abgeschafft und generell durch einen in allen Klassen verpflichtenden Kurs „Leben und Gesellschaft“ ersetzt worden ist.
Eine Umstellung auf einen Religionen- und Ethikunterricht kann auch prozesshaft erfolgen und bedarf der Bereitschaft, sich zu öffnen und Neues auszuprobieren. Ein erster Schritt könnte die Öffnung des konfessionellen Religionsunterrichtes in einer Art und Weise sein, dass auch Mitglieder anderer Konfessionen bzw. Religionsgemeinschaften gleichberechtigt daran teilnehmen können, ohne dass dadurch das Prinzip der Konfessionalität aufgehoben wird. Auch wird ein Religionen- und Ethikunterricht sich zunächst im Bereich der Sekundarstufen entwickeln, dort wiederum vorrangig im Bereich der Sekundarstufe II. Dort verlangen eine Vielzahl von geplanten Änderungen – von Schulautonomie über Neue Oberstufe bis zur Modularisierung – ohnehin, dass sich der Religionsunterricht entwickeln muss, wenn er nicht aus dem Schulsystem gänzlich hinausfallen will.
Mag. Dr. Klaus Heidegger, MAS
Religionslehrer am Privaten Oberstufenrealgymnasium Volders St. Karl, Vorsitzender der Katholischen Aktion der Diözese Innsbruck und Vertreter der Berufsgemeinschaft der AHS-ReligionslehrerInnen der Diözese Innsbruck
[1] Genaue Zahlen gibt es nicht, da die letzte Volkszählung, bei der die Religionszugehörigkeit erhoben wurde, 2001 stattfand. Damals gab es 346.000 Muslime in Österreich. Laut Schätzung des Österreichischen Integrationsfonds hat sich die Zahl aber – vor allem auch durch Zuwanderung und Flüchtlinge – inzwischen fast verdoppelt. Vgl.: http://religion.orf.at/stories/2836923, abgerufen am 13. 4. 2017.
[2] Zu den Zahlen laut DER STANDARD, 18.4.2017: Römisch-katholischer Unterricht: 607.112. Davon 587.566, das sind 91,82 % der katholischen Schülerschaft und als Freifach 26,18 % ohne Religionsbekenntnis. 6797 Laien und 368 Geistliche unterrichten dieses Fach. Islamunterricht: 69.573 Schülerinnen und Schüler werden 578 IslamlehrerInnen unterrichtet. 36.000 gehen in den gemeinsamen Religionsunterricht Evangelisch A.B., H.B. und Methodistenkirche. Orthodox: 12.000 – 100 LehrerInnen; Buddhistischer Religionsunterricht: 235 – 13 Lehrende; Alevitisch: 1300 – 51 Religionslehrende.
[3] Vgl. dazu: Matthias SCHARER, „Erst gehen, wenn man gesandt wird?“ Gibt es ein Problem krankhafter Beschränkung des missionarischen Anspruchs in der gegenwärtigen Kirche? Religionsunterricht im Umbruch der religiösen Landschaft und die Frage nach realistischen Lernaufgaben in dieser Situation, in: www.theol.uibk.ac.at, abgerufen am 1.5.2014.
[4] Ebd.
[5] Lisa Nimmervoll, Kirchen und ihre Konkurrenz zum Ethikunterricht, in: DER STANDARD, 18.4.2017.
[6] Lisa Nimmervoll, Im Namen der Vernunft, in: DER STANDARD, 18.4.2017.
[7] Vgl. z.B.: https://ethik-heute.org/religion-ist-privatsache/#more-7067, abgerufen am 13.4.2017. Vgl. ebenso: Franz Alt (Hg.), Dalai Lama, Der Appell des Dalai Lama an die Welt: Ethik ist wichtiger als Religion, Benevento, 2015.
[8] Ebd.
[9] Zit.in: kathpress, 4.5.2011.
[10] Ebd.
[11] Ebd.
[12] Generell gibt es die Tendenz, Kinder aus Migrationsfamilien als Problem in den Schulen und nicht als Bereicherung zu sehen. Vgl. dazu u. a. Susanne Jerusalem, Die Krise in der Schule, in: Thomas Prader (Hg.), Moderne Sklaven. Asyl- und Migrationspolitik in Österreich. Wien 1992, 131-140.
[13] Der entsprechende Gesetzestext lautet: „Die Teilnahme eines/er Schülers/in, der die/einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft angehört, am katholischen Religionsunterricht ist im Religionsunterrichtsgesetz nicht vorgesehen. Eine bloß physische Anwesenheit im katholischen Religionsunterricht ist hingegen erlaubt, wenn die Aufsichtspflicht der Schule nicht auf andere Weise erfüllt werden kann und die Eltern die Aufsicht nicht unmittelbar oder mittelbar selbst übernehmen.“ BGBL, Nr. 289, vom 8.3.1971.
[14] Vgl. Susanne Preglau-Hämmerle, Was Jugendliche über ihren Glauben sagen. Ergebnisse einer empirischen Studie an AHS im Raum Innsbruck, Innsbruck 2008, 86ff.
[15] Zit.in: DER STANDARD, 12.10.2016.
[16] Vgl. Klaus Heidegger, Lebendiges interreligiöses und ökumenisches Lernen im Religionsunterricht. Erfahrungen, Begründungen und Rahmenbedingungen aus der Perspektive der Kommunikativen Theologie – eine Fallstudie am Beispiel des Privaten Oberstufenrealgymnasiums St. Karl Volders, unveröff. Master-Thesis und Lizenziatsarbeit, Innsbruck 2009.
[17] Vgl. Matthias Scharer / Bernd Jochen Hilberath, Kommunikative Theologie. Eine Grundlegung, Mainz: Grünewaldverlag, 76-85.
[18] Als Beispiel, wie mit diesem Ansatz empirisch theologisiert werden kann, möchte ich auf die folgende Dissertation verweisen: Teresa Peter, Von der Angst zu gehen und vom Gehen in der Angst. Angsterfahrungen als Herausforderungen an theologisches Denken, Reden und Handeln, Berlin/Wien 2006.
[19] Vgl. zu dieser Unterscheidung: Stephan Leimgruber, Interreligiöses Lernen, München 2007, 20.
[20] Vgl. Leimgruber, a.a.O., 21.
[21] Der englische Begriff „interfaith“, der eine tiefere Qualität als „interreligiös“ ausdrückt, indem er mehr die Innenperspektive des religiösen Erlebens ausdrückt, würde besser zum Ausdruck bringen, was ich im Folgenden unter „interreligiös“ verstehe.
[22] Vgl. dazu u.a.: Rudolf Englert, Warum kein Religionsunterricht für alle? Der besondere Reiz des konfessionellen Modells, in: HERDER KORRESPONDENZ Spezial, Oktober 2013, 23-27.
[23] Vgl. zum Lernort Klasse ausführlicher: Klaus Heidegger, „Ihr seid Kirche!“ Schule als Kirche erleben und begreifbar machen, in: Anna Findl-Ludescher / Sebastian Schneider (Hg.): Seelsorge(t)räume. Zwischen Notverwaltung und Zukunftsgestaltung, Ostfildern: Grünewaldverlag 2011. Eine aktualisierte Kurzfassung erschien in: ÖKUM, Nr.4/2013.
[24] Vgl. u.a.: Bernd Jochen Hilberath / Matthias Scharer, Kommunikative Theologie. Grundlagen – Erfahrungen – Klärungen, Ostfildern: Grünewaldverlag 2012.
[25] Vgl. dazu u.a.: Folkert Rickers, Interreligiöses Lernen: Die religionspädagogische Herausforderung unserer Zeit, in: Folkert Rickers u.a., Vom religiösen zum interreligiösen Lernen. Wie Angehörige verschiedener Religionen und Konfessionen lernen. Möglichkeiten und Grenzen interreligiöser Verständigung, Neukirchen-Vluyn 1998, 119-139.
[26] Vgl. zu diesem Argument Leimgruber, a.a.O., 15.
[27] Immer wieder wird in der religionspädagogischen Literatur in diesem Zusammenhang auf den Beschluss der „Würzburger Synode“ (1974) verwiesen, der den Paradigmenwechsel von Katechese hin zu einem schülerbezogenen Unterricht darstellt.
[28] Vgl. zu dieser Fragestellung u.a.: Wolfgang Weirer, Breite Akzeptanz und neue Herausforderungen. Religionsunterricht in Österreich, in: HERDER KOREESPONDENZ Spezial, Oktober 2013, 44-48.
[29] Gesamtösterreichisch sind die Zahlenverhältnisse wie folgt: 745.000 katholische SuS und 9.500 RL, 50.000 islamische SuS und 400 RL, 10.000 griechisch-orthodoxe SCH und 690 RL, 1000 jüdische SuS und 30 RL, 250 buddhistische SuS 17 RL. (Zahlen aus 2009)-
[30] Wolfram Weiße, Dialogischer Religionsunterricht in Hamburg, in: Grundschule, westermann, 36. Jg., April 2004, 14.
[31] Vgl. u.a.: Christina Kalloch / Stephan Leimgruber / Ulrich Schwab, Lehrbuch der Religionsdidaktik, Freiburg i. Br.: Herder, 2009.
[32] Matthias Scharer, „Erst gehen, wenn man gesandt wird?“ Gibt es ein Problem krankhafter Beschränkung des missionarischen Anspruchs in der gegenwärtigen Kirche? Religionsunterricht im Umbruch der religiösen Landschaft und die Frage nach realistischen Lernaufgaben in dieser Situation, in: www.theol.uibk.ac.at, abgerufen am 1.5.2014.
[33] Der Ansatz bei der Erfahrung ist so gut wie unbestritten. Christoph Schönborn etwa formulierte: „Das Christentum ist zuerst eine Erfahrung, bevor es eine Lehre ist.“ Schönborn Christoph: Reinkarnation und christlicher Glaube, in: Bischofberger Otto u. a. (Hg.): Reinkarnation – Wiedergeburt – aus christlicher Sicht, Freiburg 1988, 128.
[34] Ottmar Fuchs, Die Öffnung zum Fremden. Bedingung christlichen Glaubens und Handelns, in: Bocklet Paul: Zu viele Fremde im Land?, Düsseldorf 1990, 146.
[35] Raymund Schwager, zit. in: Forschungskreis Kommunikative Theologie: Kommunikative Theologie. Selbstvergewisserung unserer Kultur des Theologietreibens, Wien 2006.
[36] Habringer-Hableitner hat auf dieser theologischen Basis in ihrer Habilitation eine Konzeption für eine religiöse Erziehung im Kindergartenalter entwickelt. Sie greift dabei u. a. auf die Unterscheidung des Religionsphilosophen Georg Simmel zurück, der zum einen von einer apriorischen Form von Religiosität spricht zum anderen von Religion als überliefertes, objektives Kulturgebilde. Dabei gelte es in der religiösen Erziehung zunächst von Religion als „innerster Lebenswirklichkeit“ auszugehen, die dann ein Erlernen von Religion in ihrem kulturellen Habitus ermöglichen kann. Vgl. Silvia Habringer-Hagleitner, Zusammenleben im Kindergarten. Modelle religionspädagogischer Praxis, Stuttgart 2006, 268. Eine theologische Begründung findet sie bei Paul Tillich, dessen Position sie wie folgt wiedergibt: „Er bezeichnet den Menschen als ‚unheilbar religiös’, womit er meint, wir Menschen seien wesenhaft Glaubende, denn ohne ein letztes Anliegen können wir nicht leben. Den Glauben wiederum bestimmt er als Zustand des Ergriffenseins. Religiös sein, heißt ergriffen sein von dem, was uns unbedingt angeht. Immer dann, wenn wir in unserer Existenz berührt, betroffen, beglückt oder herausgefordert sind, kann Göttliches erfahrbar werden, immer dann zeigt sich der inkarnierte Jesus Christus. Anders ausgedrückt heißt das, immer dort, wo die beteiligten Kinder und KindergartenpädagogInnen durch ihr Zusammenleben in ihrem Innersten berührt, betroffen, beglückt oder verunsichert sind, sind sie verbunden mit dem im Christentum bezeugten leidenschaftlichen Gott des Lebens, der sich in Jesus Christus geoffenbart hat.“ Ebd. 271.
[37] Meinold Krauss, Anmerkungen zu Karl Rahners Theologie, in: Rahner Karl: Erinnerungen. Im Gespräch mit Meinold Krauss, Innsbruck 2001.
[38] Vgl. dazu ausführlich: Kommunikative Theologie, a.a.O., 76-95.
[39] Zit.in: Habringer-Hagleitner, a.a.O. 268.
[40] Vgl. dazu ebd., 270f.
[41] Biblisch gesehen begegnet uns Gott im Fremden, im kulturell Anderen, auch in den anderen Religionen. Diese Erfahrung machte Abraham, der die drei Fremden bewirtete, die sich als Engel Gottes erwiesen. (Gen 18,1ff) Indem ihnen Abraham Gastfreundschaft erweist, erhält Abraham die Verheißung. Gott selbst ist es, der an die Tür anklopft. (Offb. 3,20) Das Gastrecht, Asylrecht und die Gastfreundschaft werden so theologisch begründet, weil die Begegnung mit Fremden Orte der Gottesbegegnung sind. Gott „liebt die Fremden und gibt ihnen Nahrung und Kleidung – auch ihr sollt die Fremden lieben, denn ihr seid Fremde in Ägypten gewesen“, heißt es im Begründungszusammenhang des Alten Bundes. (Dtn 10,18f) Die Kindheitsgeschichte des Lukas kennt die Geschichte von der Herbergssuche von Maria und Josef. (Lk2). Der Fremde lässt sich in Emmaus von den Jüngern einladen und offenbart sich dabei selbst als der Auferstandene. (Lk 24,13-35) Schließlich erleidet Jesus selbst das Schicksal des Fremden, der nicht aufgenommen wird, wie es im Prolog des Johannesevangeliums heißt: „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ (Joh 1,10ff). Im Endgericht schließlich wird sich in der Frage der Gastfreundschaft erweisen, wer aufgenommen wird oder nicht. (Mt 25,35)
[42] Ottmar Fuchs: Die Öffnung zum Fremden. Bedingung christlichen Glaubens und Handelns, in: Paul Bocklet: Zu viele Fremde im Land?, Düsseldorf 1990, 136.
[43] „Wenn an der Basis christlicher Gemeinden der Umgang der Christen mit den Fremden vor ihrer eigenen Haustüre und in ihrem eigenen Land derart aufgebaut und kultiviert wird, dann wächst die kommunikative Kraft des ganzen Christenvolkes zum diakonalen und respektvollen Umgang mit konkreten Fremden im sozialen und politischen Alltag.“ Ottmar Fuchs ebd.
[44] Koch, a.a.O., 201.
[45] Peter Hünermann (Hg.): Gott – ein Fremder in unserem Haus? Die Zukunft des Glaubens in Europa, Freiburg i. Br. 1997.
[46] Otmar Fuchs, a.a.O. 142.
[47] Christoph Gellner, Der Glaube der Anderen. Christsein inmitten der Weltreligionen, Düsseldorf 2008, 197.
[48] Habringer-Hagleitner, a.a.O,15.
[49] Zitate in: Peter, a.a.O, 43.
[50] Vgl. Scharer /Hilberath, 96-122.
[51] Scharer / Hilberath, a.a.O. 46.
[52] Leimgruber, a.a.O, 28.
[53] Vgl. dazu: Schulorganisationsgesetz § 2. Aufgabe der österreichischen Schule. In: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10009265, abgerufen am 15.4.2017.
(1) Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen.
Die jungen Menschen sollen zu gesunden und gesundheitsbewussten, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden. Sie sollen zu selbständigem Urteil, sozialem Verständnis und sportlich aktiver Lebensweise geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sein sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken.