Blassblaue Verpackungen mit blassblauen Inhalten

Verpackungskünstler

Die Werbeprofis, die für die Liste Kurz angeheuert wurden, würden nicht anders irgendein neues Produkt aus der Konsumindustrie promoten. Die Tricks sind bekannt aus den Supermärkten und der Werbung. Sprachpsychologisch steht an erster Stelle das Wörtchen „neu“. „Neue ÖVP“ – so wie „Ariel neu“. Der psychologische Schmäh funktioniert doch immer gleich. Mit „neu“ wird automatisch „besser“ verbunden. „Neu“ steht also auf der Verpackung, die vor dem Inhalt kommt. Eigentlich sagt uns der Hausverstand: Zuerst geht es um den Inhalt, dann kommt die Verpackung. Bei der Liste Sebastian Kurz scheint es umgekehrt zu sein – so ganz nach dem Motto. Wir schaffen die coole Verpackung, stylen und liften, posaunen einen Neustart heraus und füllen alles Alte wie bei einer Entrümpelung in einen großen Container.

Zentralisierung statt Bundesstaatlichkeit

Ausgemistet werden dabei auch einige Eckpfeiler der parlamentarischen Demokratie in Österreich: Sie definierte sich stets als Parteiendemokratie. Partei wird von den Neumachern durch Bewegung ersetzt. Partei sei pfui, weil Partei habe mit Ideologie zu tun – und man gibt sich doch als ideologiefrei aus. Also keine christlich-sozialen Inhalte mehr? Weg damit! Ersetzt durch das Slim-fit-Konterfei von Kurz. Das genüge doch. Doch Vorsicht: In den Abfallcontainer wird auch Artikel 2 der Bundesverfassung geworfen. Dort heißt es lapidar: Österreich ist ein Bundesstaat. Sebastian Kurz hat als Jura-Student vielleicht diesen Grundkurs österreichischer Verfassungswirklichkeit noch nicht besucht gehabt.

Zentralisierung statt Regionalität

Bislang bedeutete Bundesstaatlichkeit: Auch die Bundespolitik solle sich an den Ländern und Regionen orientieren und nicht selbstherrlich über sie hinweg regieren. Das war für einen Bundeschef einer Partei zwar oft mühsam, doch aus bundesstaatlicher Perspektive ist es unverzichtbar. Genauso ist es nicht das Schlechteste, dass die Interessen verschiedenster Gruppen – wie Arbeiter, Angestellte, Bauern, Wirtschaft oder Jugend – miteinander abgestimmt werden mussten, um so zu einer gemeinsamen Politik zu kommen. Wir könnten es sehen als ein Stück zu realisierender Basisdemokratie. Nun soll es anders werden. Für Sebastian Kurz ist es zunächst weder notwendig, auf die Länder zu hören, noch den Interessen der Bünde Gehör zu schenken. Damit stirbt ein Stück bundesstaatlicher und basisorientierter Demokratie. L’état c’est moi – könnte es nun heißen.

Populistische Inhalte

Wenn wir nun das blassblaue Verpackungspapier mit den blassblauen Mascherln lösen und uns den Inhalt betrachten, so bläst uns zunächst eine Menge heißer Luft entgegen. Was wir bisher über das Markenzeichen Kurz pointiert gehört haben, beschränkt sich auf eine restriktive Asyl- und Migrationspolitik. Mit zynischer Wortwahl brüskierte Außenminister Kurz die Menschenrechtsorganisationen, die sich um die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer bemühen. Er sprach vom „NGO-Wahnsinn“. Anstatt mit Verve zu einer europäischen Lösung der Flüchtlings- und Migrationsfrage zu drängen, avancierte Kurz zum Mister Minister der geschlossenen Balkanroute.

In den nächsten Wochen werden wir von der Liste Sebastian Kurz mit Nominierungen von Parteiämtern und möglichen Parlamentsabgeordneten nach dem Stil von Austria’s Next Top Model versorgt werden. Gefragt sind ein selbstbewusstes Auftreten und unbedingte Loyalität zum Parteichef. Dieser wird bereits seit Wochen von der Kronenzeitung als Retter der Nation mit Bildern und Texten stilisiert. Die Lieblingsbezeichnung für Kurz lautet „politisches Ausnahmetalent“ (Krone, 28.5.2017). Alles, was edel, schön und gut ist, wird diesem „Hoffnungsträger“ angedichtet. Die ersten programmatischen Andeutungen für ein Wahlprogramm der Liste Sebastian Kurz lauten: Steuerlast ist zu hoch und Sozialsystem zu teuer. Das klingt gefährlich nach Sozialabbau.

Kritik von kirchlicher Seite

Schon tauchte das Wort „Messias“ auf. An diesem Vokabel klebt für religiöse Menschen jedoch eine andere Vorstellung. Der jesuanische Messias hatte sein Herz bei den Flüchtlingen, bei den Armen, bei den Ausgegrenzten. Wenn allerdings die Liste Kurz für die bisherige Linie steht, dann gilt auch: Von Kardinal Schönborn bis zur Caritas, von der Leitungsebene der Evangelischen Kirchen bis zur Diakonie wurden die „Asyl-Notverordnung“ und weitere Restriktionen im Flüchtlingsbereich klar abgelehnt. Die Kirche steht nicht für eine Abschottungspolitik, sondern eine Politik, die dazu führen soll, dass weniger Menschen flüchten müssen. Der Handel mit Kriegsgütern – auch aus Österreich – muss gestoppt werden. Humanitäre Visa sollten das Geschäft der Schlepper eindämmen. Europäische Lösungen sind gefragt – und dafür könnte Sebastian Kurz als amtierender Europaminister jetzt schon Sorge tragen. Für Papst Franziskus wiederum hat der Einsatz gegen den Klimawandel – besonders mit Blick auf die Opfer in den armen Ländern – oberste Priorität. Sebastian Kurz hat solche Option bisher kaum erkennen lassen. Im Gegenteil. An seinem Politikstil haftet noch die Erinnerung an das „Geilomobil“. Mit christlicher Messianität sollte jedenfalls Kurz wohl nicht in Verbindung gebracht werden.

Klaus Heidegger, 29.5.2017

 

 

Kommentare

  1. Danke für die „Entdeckung“ der altbekannten Rezepte mit denen wir BürgerInnen getäuscht werden sollen. Wie im Kommentar erwähnt ist die Ausrichtung der Kurzschen Politik nicht neu und „Kurz – sichtig“ Der Kampf Steigerung des Wohlstands der Elite gegen Kürzung des Gemeinwohls geht weiter. Der eigene Wohlstand soll weiterhin nicht geteilt werden. Wohlstand wird oft mit Geld gleichgesetzt. Die Gier nach mehr Geld wird angeheizt vom Blick auf Wohlhabendere. Österreich zählt zu den wohlhabendesten Ländern der Welt. Eine Politik der Teilhabe am Wohlstand statt der Ausgrenzung macht Sinn und Bereichert unsere Gesellschaft.

  2. Bereichert nicht nur unsere Gesellschaft. Steigert auch die Inlandsnachfrage , belebt so den Binnenmarkt und würde für noch mehr Wohlstand und weniger exportabhängigkeit sorgen. Es wäre auch im Sinne des Wohlstands der Elite sinnvoller als die Wiederholung der ewigen Lüge von der sozialen Hängematte, die der Studienabbrecher bis zum Erbrechen wiederholt.

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