Ehe wem Ehe gebührt – „Ehe für alle“ aus einer christlich-kirchlichen Perspektive

Abschaffung von Diskriminierungen für Homosexuelle

Am 30. Juni 2017 beschloss der Deutsche Bundestag ein Gesetz, das die Ehe von Homosexuellen mit jenen von Heterosexuellen gleichstellen soll. Damit wurde eine Diskriminierung von Lesben und Schwulen abgeschafft und ihre Gleichstellung bei ehelichen Beziehungen festgelegt. Unter anderem können gleichgeschlechtliche Paare nun in gleicher Weise Kinder adoptieren wie heterosexuelle Paare. Deutschland ist der 22. Staat auf dieser Welt, in dem nicht mehr nur mit schönen Worten gesagt wird, dass es keine Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen Orientierung geben darf, sondern dies auch gesetzlich abgesichert wird.

Tu felix Austria?

In Österreich muss eine entsprechende Diskussion über „Ehe für alle“ weitergehen. FPÖ-Obmann Christian Strache machte sich erst jüngst in einer parlamentarischen Rede über den deutschen Schritt zur Gleichstellung für Homosexuelle lustig und meinte, dann könne man genauso gut wieder den Forderungen der Islamisten nachgehen und die Polygamie einführen. Innerhalb der ÖVP wird nach außen hin dieses Thema tabuisiert. Auf der anderen Seite positionierte sich Bundeskanzler Kern mit der Meinung, dass eine „Ehe für alle“ eigentlich selbstverständlich sein sollte. Auch Grüne und NEOS würden eine entsprechende Gesetzesänderung begrüßen. Die Wahlkampfzeit könnte jetzt genützt werden, um einen inhaltlsleeren Personenwahlkampf mit einem solchen Thema zu bereichern.

Kritik von kirchlichen Vertretern

Von Seiten der Kirche gibt es widersprüchliche Stellungnahmen. „Ich bedauere, dass der Gesetzgeber wesentliche Inhalte des Ehebegriffs aufgegeben hat, um ihn für gleichgeschlechtliche Partnerschaften passend zu machen“: So kommentierte der für Familie in Deutschland zuständige Bischof Heiner Koch die Entscheidung. Er bedauere, dass eine „differenzierte Wahrnehmung unterschiedlicher Partnerschaftsformen“ aufgegeben werde, „Differenzierung aber ist keine Diskriminierung“, so der Erzbischof von Berlin in einer Pressemeldung. Er verwies auf die Bedeutung von Ehe in der Verfassung Deutschlands, es sei um den Schutz und die Stärkung derer gegangen, die als Mutter und Vater Kindern das Leben schenken wollten. „Wird jetzt vor allem der Schutz von Beziehungen und die Übernahme gemeinsamer Verantwortung als Begründung für die Öffnung der Ehe vorgebracht, so bedeutet dies eine wesentliche inhaltliche Umgewichtung und eine Verwässerung des klassischen Ehebegriffs“, so Koch. Das Diktum, mit dem sich kirchliche Vertreter von der „Ehe für alle“ abgrenzen, lautet. Hier das Konzept der „Ehe für alle“, bei uns eine „katholische“ oder „christliche Ehe“, die nur für Heterosexuelle gelten kann.

So polemisierte ein deutscher Weihbischof über die Sozialen Medien, nun müsse man eben zwischen einer „christlichen Ehe“ und einer anderen Ehe unterscheiden. Eine „christliche Ehe“ gebe es erstens nur zwischen Mann und Frau und zweitens nur dann, wenn eine solche Verbindung auch Offenheit gegenüber Kindern ausdrücken würde. Diese traditionalistisch-fundamentalistische Position findet sich in den meisten veröffentlichten Äußerungen. Solche Vertreter reden von der „Schöpfungsordnung“ und reduzieren die Geschöpflichkeit auf den Standpunkt, dass eben nur Mann und Frau in einem biologischen Sinne füreinander bestimmt sein könnten, weil eben nur aus einer solchen Beziehung Kinder entspringen könnten.

Wer in diesen Kategorien denkt, missachtet letztlich aber die wichtigste Aussage im biblischen Schöpfungsbericht. Dort heißt es „und Gott sah, dass es gut war“, als  Mann und Frau geschaffen wurden. Heute können wir auch sagen, es war gut, wie der Mann oder die Frau in ihrer Ganzheitlichkeit geschaffen wurden, mit Haut und Haaren, mit der ganzen Sexualität, die – wie humanmedizinisch wohl unwidersprochen – verbunden sein kann mit unterschiedlichen Orientierungen. Homosexualität ist eben keine Abweichung von der Natur, sondern Teil der Geschöpflichkeit. Sie ist nicht eine Krankheit, die heilbar ist, wie vor einem Jahrzehnt Bischof Elmar aus Vorarlberg gemeint hatte.

Argumentiert wird von kirchlichen Vertretern auch, dass die Polarität der Geschlechter ein unverzichtbarer Bestandteil in der Erziehung der Kinder sei. Deswegen sei es nicht gut, wenn homosexuelle Paare durch die Regelung der „Ehe für alle“ Kinder adoptieren würden.

Dem Hauptargument katholischer kirchlicher Würdenträger, dass die Ehe immer eine „Liebes- und Lebensbeziehung zwischen Mann und Frau, aus der Kinder hervorgehen können“ sei, muss auch aus anderen Gründen widersprochen werden. Mit diesem Argument würden nämlich all jene von der Ehe ausgeschlossen, die aufgrund verschiedener Umstände keine Kinder bekommen können, sei es aufgrund von Alter, Formen der Behinderung oder aufgrund von Krankheiten.

Für die „Ehe für alle“ sprechen jedoch jene Werte, die – auch aus einer christlichen wie kirchlichen Perspektive –die Wesensmitte von Ehe ausmachen: Verbindlichkeit durch gegenseitiges Versprechen, Partnerschaft, Liebe, Treue, Fürsorge und Zusammenhalt in „guten wie in schlechten Zeiten“. Das sind zugleich jene Werte, die Kinder in einer solchen Beziehung lernen können. Solche Partnerschaften wiederum sollen den Schutz des Staates haben. Und der Kirchen?

Widersprüchlich katholische Positionierungen

Schwulen- und Lesbenorganisationen scheinen auf den ersten Blick also in der katholischen Kirche keinen Bündnispartner zu haben. Sind die Kirchen blind gegenüber der Tatsache, dass es unterschiedliche sexuelle Orientierungen gibt, die jene Menschen letztlich ausschließt, die nicht in ein starres kirchliches Bild passen?

Selbst die Glaubenskongregration der katholischen Kirche hat jedoch längst das naturwissenschaftliche Faktum akzeptiert, dass Homosexualität auch angeboren ist. Daraus folgt für sie die bedingungslose und umfassende Achtung homosexueller Menschen in Kirche und Gesellschaft: Jegliche Form der Diskriminierung und erst recht der Gewalt gegen homosexuelle Menschen wird strikt abgelehnt. Vielmehr ermutigt die Glaubenskongregation die Bischöfe zu pastoralen Programmen, die homosexuelle Personen „auf allen Ebenen ihres geistlichen Lebens fördern“ – durch Spendung der Sakramente, Gebet, Zeugnis, Beratung und individuelle Mitsorge. Homosexuelle Personen sollen nicht in die Isolation getrieben, sondern in die Pfarrgemeinden integriert werden. Damit hebt sich die katholische Position von jener der Freikirchen ab, die in den USA mit groß angelegten Programmen versuchen, Homosexuelle zu „transformieren“ und zu einem heterosexuellen Lebensstil zu motivieren. Katholisch bedeutet also aus der Perspektive des Lehramtes: Homosexuelle sollen ihre Orientierung annehmen und als Teil ihrer geschöpflichen Konstitution bejahen. Sie dabei zu unterstützen ist eine wichtige seelsorgliche Aufgabe jeder Pfarrgemeinde.

Ehe für alle wertet Konzept der Ehe auf

Eigentlich, so könne man argumentieren, müssten laut kirchlicher Sakramentenlehre die Verantwortlichen der Kirche froh sein, wenn Schwule und Lesben die Institution Ehe als wichtiges Band für sich entdecken und leben wollen. Ganz in diesem Sinne argumentierte auch der Rat der Evangelische Kirche Deutschland, wenn er wie folgt formulierte: „Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau wird dadurch keineswegs geschmälert. Im Gegenteil – sie wird noch einmal unterstrichen.“

Wer sich auf eine Ehe einlässt, entscheidet sich ganz für einen Partner bzw. Partnerin – und dies auf „Lebenszeit“. Das widerspricht dem Zeitgeist postmoderner Beliebigkeit und entspricht aber so ganz einem wesentlichen Punkt der traditionellen katholischen Ehelehre. Wer Ja zur Ehe sagt, stellt sein oder ihr Leben in den Dienst einer anderen Person, ist bereit, ganz für sie da zu sein in Gegenwart und Zukunft. In einer Zeit, in der mehr und mehr Menschen ohne Trauschein zusammenleben und in der mehr als die Hälfte aller Ehen wieder geschieden werden, ist es ein wunderschönes Zeichen, dass Schwule und Lesben die eheliche Lebensform für sich entdecken. Es wäre längst an der Zeit, wenn in diesem Sinne auch Schwule und Lesben ihre Beziehungen so ganz offiziell auch unter dem Segen der Kirchen leben könnten. Damit würden die Kirchen sich deutlich abgrenzen gegenüber den so schrecklichen homophoben Verirrungen in den vergangenen Jahrhunderten. Es würde deutlich, dass sich eine Verbindung von Menschen in einem religiös-ethischen Sinn nicht am Etikett „männlich“ oder „weiblich“ orientiert, sondern an der zentralen Frage, wie hier die Liebe gelebt, Treue praktiziert und Verantwortung für andere realisiert wird.

Klaus Heidegger

(Foto: Palosirkka / GFDL)