Der 9. August bleibt ein Gedenktag für Franz Jägerstätter, weil es sein Todestag ist, an dem sich seit vielen Jahren Menschen in seinem Heimatort St. Radegund treffen. Kirchlicherseits wurde der 21. Mai, also Jägerstätters Geburtstag, zum Gedenktag. Vor ein paar Tagen war ich in Brandenburg, jener Stadt westlich von Berlin, in der Jägerstätter vom Reichskriegsgericht wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und hingerichtet worden ist. In einer kleinen romanischen Kirche unweit des ehemaligen Hinrichtungsortes entdeckte ich ein Gedenkstelle mit einem Bild von Franz Jägerstätter, vor dem ein paar Kerzen brannten. Der dort tätige Diakon sagte mir, der ich mit Achtung an diesem Platz stand: „Ja, Brandenburg hat viele schöne Seiten, doch auch eine sehr schlimme Vergangenheit.“ Nicht nur 2000 Menschen sind dort aufgrund der NS-Justiz hingerichtet worden, sondern mitten in der Stadt befand sich ein Ort, an dem 9000 Menschen aufgrund der T-4-Aktion in die Gaskammer kamen. Heute erinnert eine Gedenkausstellung an diesen Euthanasie-Wahnsinn. So trifft in dieser Stadt das Nein von Männern wie Jägerstätter auf ein Nein zu den Schreckenstaten der Nationalsozialisten.
Vor kurzem hatte die FPÖ Männer wie Siegfried Kampl in ihren Reihen, die Deserteure der Wehrmacht – als solcher galt ja auch Jägerstätter – als „Kameradenmörder“ verurteilt hatten. Siegfried Kampl, der sich selbst zu einer Verurteilung des Nationalsozialismus nicht durchringen kann, ist weiterhin Bürgermeister in Gurk. In den vergangenen Jahren jedenfalls haben Funktionäre der FPÖ immer wieder Partei bezogen für jene Männer, die unter Hitler in den Krieg gezogen sind, und jene zumindest indirekt diffamiert, die sich gegen Hitler und seine Kriegsmaschine stellten und dafür auch mit ihrem eigenen Leben eingestanden sind. Für manche in der FPÖ sind sie vielmehr „Feiglinge“. „Fahnenflucht“ dürfe nicht akzeptiert werden, weil sonst kein Militär funktionieren würde. Eine solche Sichtweise widerspricht inzwischen jedoch auch der Gesetzeslage. Mit dem „Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz“ von 2009 wurde im Österreichischen Nationalrat beschlossen, dass die Opfer der NS-Justiz tatsächlich Opfer waren. Die Deutschen Burschenschaften, ob die Vandalia von HC Strache oder die Olympia von Martin Graf, sind bekannt für ihre deutschnationalen Positionierungen. Martin Graf soll nun wieder auf der FPÖ-Nationalratsliste auf eine wählbare Stelle kommen. Seine Burschenschaft war die erste, die bereits 1933 das Führerprinzip eingeführt hatte. Wie alle Burschenschaften wurde auch die Olympia durch die nationalsozialistische Herrschaft nicht aufgelöst – solches hatte Martin Graf behauptet – sondern sie gliederte sich bereitwillig in die Verbände der NSDAP ein. Der ehemalige FPÖ-Abgeordnete Johannes Hübner wiederum steht stellvertretend für eine Linie, in der antisemitische Codes immer wieder transportiert wurden. Wenn nun Siegfried Kampl vielleicht doch nicht mehr ein FP-Mitglied sein darf und Johannes Hübner als Abgeordneter in der FPÖ nicht mehr tragbar ist, so ist dies entweder Koalitionstaktik, um nach den Wahlen als möglicher Koalitionspartner mit der SPÖ parieren zu können, oder vielleicht doch eine Einsicht, dass bestimmte Grenzen der Anbiederung an rechtsextreme Kreise doch nicht sein sollten. Mit Blick auf die Tage nach dem 15. Oktober bleibt dennoch zu hoffen, dass möglichst wenig Männer mit einer blauen Kornblume im Knopfloch im Hohen Haus sich einstellen werden.
Klaus Heidegger, 9. August 2017