Lieber Bischof Hermann!
Zuversicht und Freude
Schon der überaus „gute Ruf“, der Ihnen aus der Steiermark vorauseilte, hat bei mir von Beginn an mehr das Gefühl von Freude und Zuversicht geweckt, als da immer noch die Enttäuschung über die dunklen Vorgänge im Bestellungsvorgang war. Freunde, die Sie kennen, haben mir direkt oder über die Sozialen Medien geschrieben oder gesagt, wie erfrischend positiv es sei, dass Sie nun Bischof meiner Diözese werden. Ihr Engagement für jene am Rande der Gesellschaft, Ihr Aufbrechen herkömmlicher Zugangsweisen, um Menschen zu erreichen und für Gott zu begeistern, auch über Kunst und durch Authentizität, stimmt hoffnungsvoll für meine Diözese. Damit werden jene Dimensionen angesprochen, die dem gesellschaftspolitischen Auftrag der Gliederungen der Katholischen Aktion besonders entsprechen. Da spüre ich jene Richtung, die ich beispielsweise bei der Katholischen Arbeiterjugend und später als Bundessekretär der Katholischen Jugend/Katholischen Jugend Land Österreichs unterstützen konnte. Die caritativen Akzente, die seitens der Diözesanleitung von Bischof Paulus Rusch über Reinhold Stecher, Alois Kothgasser, Manfred Scheuer und Diözesanadministrator Jakob Bürgler gesetzt wurden, dürften weitergetragen werden. Ihr Engagement für Flüchtlinge entspricht der Willkommenskultur, die Pfarrgemeinden und Pfarrer in der Diözese Innsbruck in den vergangenen Jahren realisiert haben, indem beispielsweise Flüchtlinge in Pfarrhäusern aufgenommen wurden oder ehrenamtlich begleitet wurden. Es tut so gut von Roman Siebenrock zu lesen, dass Sie so ganz dem Anforderungsprofil von Papst Franziskus entsprechen und zu seinen klaren Optionen passen würden. Schon am offiziellen Tag der Ernennung, als Sie in Innsbruck im Diözesanhaus, beim Gebet im Dom zu Innsbruck, beim Pressegespräch im Haus der Begegnung und dann beim Interview im Studio in Innsbruck waren, setzten Sie Signale und Zeichen und wählten Sie Worte, die tatsächlich dem vorauseilenden „Ruf“ entsprachen. Am Tag darauf darf ich mit Hoffnung in einem APA-Bericht lesen, dass Sie eindeutig und ohne beschwichtigende Vorsicht für das Diakonat der Frauen eintreten und dies als Schritt hin zur Ordination von Frauen sehen. Zudem weisen Sie ausdrücklich einen guten Weg aus dem „Kommunionverbot“ für wiederverheiratet Geschiedene, zugleich mit dem Hinweis, dass nicht alles auf die Kommunionfrage reduziert werden sollte. Das sind in dieser Klarheit noch ungewohnte Worte für einen Bischof.
Katholische Aktion
Als Vorsitzender der Katholischen Aktion der Diözese Innsbruck freut es mich, dass Sie aus einer Diözese mit einer sehr starken und lebendigen Katholischen Aktion kommen. Die KA hierzulande braucht Ihre Unterstützung. Wenn ich an Ihre erste Ansprache im Dom denke, dann möchte ich dies aber zugleich sinngemäß so formulieren. Nicht die KA braucht für sich die Unterstützung, sondern für ihren Auftrag, im Sinne des Laienapostolats beizutragen, dass hier und heute immer mehr vom Reich Gottes lebendig wird. Möge der Schwung und die Dynamik, die Ihre Bestellung zum Bischof ausgelöst hat, sich auch für die Gliederungen der KA auswirken.
Schule, Jugend, Religionsunterricht
In meiner Funktion als Vertreter der Berufsgemeinschaft der AHS-ReligionslehrerInnen und selbst als Religionslehrer möchte ich mit den positiven Erwartungen fortfahren. Es braucht gerade mit Blick auf die jungen Menschen in unserem Land einen mutigen Aufbruch der Kirche. Der größte Teil meiner Oberstufenschülerinnen und -schüler ist von der herkömmlichen Kirche weit entfernt. Die Sprache, die bei den Liturgien gesprochen wird, ist ihnen fremd geworden. Das Herzstück kirchlichen Lebens, die Heilige Messe, berührt großteils die jungen Menschen weder im Herzen noch mit dem Verstand. Wenn Sie als Bischof – unangemeldet – eine Sonntagsmesse in unserem Land besuchen, so werden sie bei einem normalen Gottesdienst nur wenige Jugendliche antreffen. Wenn ich in meinen Religionsstunden frage, was ich gerne zu Beginn einer Stunde mache, wer mir kurz das Sonntagsevangelium vom vergangenen Sonntag erzählen kann, so bin ich froh, wenn zumindest 1 von 25 sagen kann, dass er oder sie in der Kirche war. Dabei bin ich Lehrer an einer katholischen Privatschule. Ich weiß freilich, dass Kirchgang weder das Kriterium für Gläubigkeit noch für Kirchlichkeit ist, denn Kirche ist auch im Rahmen von Familie, Freundeskreis oder Schule erfahr- und lebbar. Zugleich kann und will ich mich nicht damit abfinden, dass auch die verfasste Kirche auf Gemeinde-, Diözesan- oder Weltebene für meine Schülerinnen und Schüler als Wert entdeckt und erfahren wird. Dazu braucht es – und Sie haben es angedeutet – ein mutiges Angreifen struktureller Unstimmigkeiten, die von den jungen Menschen schon lange nicht mehr akzeptiert werden, sei es der Ausschluss von Frauen vom Priesteramt, das Junktim von Priesteramt und Zölibat oder die Gestaltung von Messfeiern. Wenn junge Menschen heute der Kirche fernbleiben, dann liegt es zunächst nicht darin, dass sie weniger gläubig geworden sind oder dass sie weniger Sehnsucht nach religiösen Antworten haben. Es ist vielfach die Erfahrung von einer Kirche, die ihnen fremd geworden ist. Ich habe daher die große Hoffnung an Sie als Bischof, mutig solche strukturellen Aspekte anzusprechen im Hinhören auf die Jugend in diesem Land.
Bestellungsvorgang
In die Freude über Ihre Bestellung und die große Zustimmung mischt sich freilich auch die Enttäuschung über die Art und Weise, wie in den vergangenen Monaten mit dem Wunsch des Kirchenvolkes und der Diözesanverantwortlichen nach einer transparenten Entscheidung und einer Beteiligung umgegangen worden ist. Dekan Kranebitter Bernhard hat als Sprecher der Pfarrerinitiative gleich wie Jesuitenprovinzial Bernhard Bürgler diese Dimension angesprochen. Selbst habe ich in den vergangenen Wochen mehrmals dazu Stellung genommen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat so wunderschön davon gesprochen und geschrieben: Der Geist Gottes sei im „Volk Gottes“ lebendig. Papst Franziskus verkörpert dieses Vertrauen in die Ortskirche. Mit ihm scheint ein Wegrücken von einer vom Vatikan zentral gelenkten Kirche möglich zu sein. Die Zukunft sollte der Ortskirche gehören: Eine Kirche, in der die Bischöfe nicht zentral vom Vatikan ernannt werden, sondern aus dem Volk herauswachsen. Dekan Bernhard Kranebitter spricht zurecht von einer „Selbstbeschädigung der Kirche“ mit Bezug auf die „mangelnde Transparenz“. Als Lehrer versuche ich in der Schule, den Jugendlichen demokratische Werte zu vermitteln. Die Gliederungen und Teile der Katholischen Aktion wählen ihre Vertreterinnen und Vertreter. Die Kirche ist in puncto Bischofsernennung jedoch ein Musterbeispiel dafür, wie durch ein Fehlen von demokratischen Spielregeln Machtpolitik ausgeübt werden kann. Dies schafft nicht Vertrauen in die Kirchenleitung, sondern fördert das Misstrauen.
Willkommen
Doch zurück zum Anfang: Ich freue mich, dass Sie Bischof unserer Diözese geworden sind und bin zuversichtlich über eine Zusammenarbeit mit Ihnen im Rahmen der Katholischen Aktion sowie mit uns Religionslehrerinnen und Religionslehrern.
Klaus Heidegger, 29. September 2017, klaus.heidegger@aon.at
Erfreulich und überfällig das Bekenntnis zum Diakonat der Frau als Schritt zur Öffnung der Zulassungsbedingungen für Priesterinnen. Sehr hilfreich die Formulierung, dass das Fehlen demokratischer bzw. synodaler Strukturen bei der Bischofsernennung Tür und Tor für unkontrollierte Machtpolitik öffnet.
Bernhard Kranebitter