Als Christ denke ich daran, dass auch Jesus mit seiner Gemeinschaft von Jüngerinnen und Jüngern das heutige jüdische Laubhüttenfest gefeiert haben dürfte. So möchte ich mich von diesem Fest inspirieren lassen.
Erstens erinnert es an eine der größten Befreiungsgeschichten, an den gewaltfreien Ausbruch des Volkes Israel aus ägyptischer Tyrannei. Mit Gottes Hilfe, die in der Widerständigkeit hebräischer Frauen und Männer und dem unbändigen Willen nach Freiheit sichtbar wurde, gelang es, die Unterdrückung und Knechtschaft abzuschütteln. Im Laufe der Geschichte haben immer wieder Bewegungen ihre Kraft in der Erinnerung an den Exodus gewonnen, sei es die amerikanische Bürgerrechtsbewegung unter M. L. King oder die Antiapartheidbewegung in Südafrika unter Nelson Mandela. Sukkot, das Laubhüttenfest, lässt uns heute an Situationen denken, wo weiterhin Völker und Volksgruppen in Knechtschaft gehalten werden, wo deren Land konfisziert wird und Menschenrechte missachtet werden. Gerade mit Blick auf das jüdische Sukkotfest denke ich heute an die Lage der Palästinenserinnen und Palästinenser in den Autonomiegebieten. Täglich neu erleben sie eine schlimme Unterdrückungssituation. Ihr Land wird weiterhin durch systematische Besiedelungspolitik okkupiert. Heute, 50 Jahre nach der Okkupation Jerusalems durch die israelischen Streitkräfte, müssen wir sagen. Sukkot darf nie und nimmer Vorwand für eine völkerrechtswidrige Aktion sein.
Zweitens erinnert das Bauen der Laubhütte und das Wohnen und Feiern darin, dass wir schon mit einem Fuß im Reich Gottes stehen. Die Heilsgeschichte Gottes mit uns Menschen hat schon begonnen, doch zugleich warten wir noch auf die Fülle. Die Laubhütte stellt ein Provisorium dar, das auch unser Unterwegssein symbolisiert.
Drittens brauchen wir für unseren Glauben Gemeinschaft und Fest, Tanz und Freude. Der Tanz kommt in unseren Kirchen wohl zu kurz, oft auch die Freude.
Viertens wird der soziale Charakter in den Vorgaben für dieses Fest so prägnant genannt. Niemand soll ausgeschlossen werden. Die sozial schwachen und ausgegrenzten Bevölkerungsteile sollen miteingeschlossen werden. Auch Knecht und Magd, Witwen und Waisen, der Fremde und der Levit sind eingeschlossen. Alle sollen sich freuen. In Innsbruck wird nach dem Bettelverbot nun auch noch ein Schlafverbot für Obdachlose erlassen, die Mindestsicherung für Asylberechtigte soll gekürzt werden, Asylsuchende werden abgewiesen. Zu den biblischen Vorgaben für das Sukkotfest passen solche Töne nicht.
Fünftens schließlich ist das Sukkotfest als Erntefest immer auch ein Dankesfest für die Gaben der Schöpfung und drückt Dankbarkeit jenen gegenüber aus, die Lebensmittel angebaut, gepflegt und geerntet haben. Die vorherrschende Gedankenlosigkeit beim Kaufen von Nahrungsmitteln und beim Konsum widerspricht dem religiösen Danken für die Gaben der Natur.
So schenkt mir das Sukkotfest Hoffnung auf eine andere Welt, die möglich ist und in der jene befreit werden, die unter ungerechten Verhältnissen leiden. Die Laubhütte lässt mich unruhig sein, weil sie mir die Vorläufigkeit des Erreichten nahebringt, zugleich gibt sie Hoffnung auf Vollendung, weil wir mit Gott auf dem Weg sind. Das Fest weckt in mir immer neu die Hoffnung auf Gemeinschaft, in der ich vor Freude über Gottes große Werke tanzen kann. Und schließlich lässt mich das Erntefest dankbar sein für die Lebensmittel, die mir täglich neu geschenkt werden.
Klaus Heidegger, 5. Oktober 2017, zum Laubhüttenfest 2017