Bischofsweihe – mit Freude und Erwartungen und einigen wenigen ambivalenten Stimmungen verbunden

Freude über den Bischof

In den letzten Wochen habe ich in meinem Umfeld immer wieder mit Freude, Dankbarkeit und Hoffnung über den neugeweihten Bischof Hermann erzählt. In vielen Religionsstunden konnte ich mit den Schülerinnen und Schülern darüber sprechen – und ein Schüler meinte gar: „Ich sehe, mein Religionsprofessor ist ein Fan von Bischof Hermann.“ „Gehen – heilen – verkünden“ stand am Beginn von so mancher Religionsstunde an der Tafel und was es bedeutet, betrifft nicht nur den neuen Bischof, der diesen Wahlspruch wählte, sondern auch mich als Religionslehrer im Feld der Schule, die Katholische Aktion mit der Sendung in die verschiedenen gesellschaftlich-politischen Bereiche hinein, aber auch die jungen Menschen. Bischof Hermann wiederum setzte schon viele Signale, wo die besonderen Orte sind, wohin wir gehen sollten: Besonders an die Ränder der Gesellschaft. Programmatisch war sein Frühstück bei den Obdachlosen am Tag der Bischofsweihe. Die Bischofsweihe selbst war wieder geprägt von seiner spürbaren Herzlichkeit, seinem Engagement für die Armen, seinem Aufbrechen traditioneller Formen, das vor allem durch seinen künstlerischen Zugang sichtbar wird. Mit Bischof Hermann, so mein Ausgangspunkt, bekommt die Diözese Innsbruck, in der ich in verschiedenen kirchlichen Funktionen tätig bin, einen guten Hirten.

Während ich unter den 8000 Mitfeierenden bin, auch Teil des großen Jubels, im Herzen und den Gedanken formulieren sich in mir auch die bleibend kritischen Gedanken und Anfragen. Sie können durch die zahlreichen so positiven Elemente dieses Festes nicht zugedeckt werden. Die Feier in der Olympiahalle und die greifbare Aufbruchsstimmung, die Erfahrung einer großen Gemeinschaft ganz unterschiedlicher Menschen ist die eine Seite. Jetzt ist vielleicht nicht die Zeit, theologische Widersprüchlichkeiten anzusehen oder die schon alt gewordenen Gedanken der Reformkräfte in der Kirche, die vom Kirchenvolksbegehren, der Laieninitiative oder der Pfarrerinitiative längst formuliert worden sind, aufzugreifen. Oder vielleicht doch? Warum nicht gerade jetzt? Weil es etwas sein könnte, was Bischof Hermann als ein „weg von der kirchlichen Nabelschau, hin zu den Menschen“ (Interview, Dolomiten, 2.12.2017) bezeichnete. Meine Erfahrung mit der Kirche und vor allem im Gespräch mit den jungen Menschen zeigt mir: Ja zu dieser Hinwendung zu den Menschen, das brauchen wir als Kirche so dringend. Es sind gerade die Reformkräfte in der Kirche, die diese Hinwendung leben und einfordern. Für diese Hinwendung freilich braucht es auch den Mut und die Bereitschaft, kirchliche Strukturen kritisch zu betrachten und Änderungen einzufordern. Ich kenne keinen einzigen Schüler und keine einzige Schülerin, die Verständnis dafür hätte, dass Frauen in der katholischen Kirche eine Ordination verweigert wird. Im Gegenteil: Allein diese Tatsache führt dazu, dass sich Menschen von der Kirche abwenden und ihr fernbleiben – und damit die Kirche in ihrem Auftrag der Weltveränderung schwächen. Es genügt auch nicht auszudrücken, von der „Zerbrechlichkeit kirchlicher Berufungen“ zu wissen, ohne die Struktur des Zölibats in den Blick zu nehmen.

Das bischöfliche Weihesakrament

Bei der Feier in der Olympiahalle saß in meiner Nähe der evangelische Superintendent Olivier Dantine neben den Vertretern und Vertreterinnen von anderen Konfessionen und Religionsgemeinschaften. Es war ein schönes Zeichen der Ökumene, dass von Dantine die zweite Lesung aus dem Epheserbrief vorgetragen wurde. Ökumenisch denken, das hieße aus evangelischer Sicht auf die Weihe zu blicken. Ein Blick auf die Geschichte und die Praxis der evangelischen Kirchen – wie dies im abgelaufenen Jubiläumsjahr zu 500 Jahre Reformation geschah – beinhaltet die Frage nach der Sakramentalität des Weihesakramentes. Martin Luther rückte das „allgemeine Priestertum“ aller Gläubigen ins Zentrum. Eine Trennung des Kirchenvolkes in Laien hier und Kleriker dort sollte aufgehoben werden. Die Gestaltung der Feier in der Olympiahalle milderte zum Glück den Eindruck von einer Trennung der Kirche in Laien hier und Kleriker dort. Die Geschichte der reformatorischen Kirche könnte heute folgende Anfrage stellen: Eine Ordination ist  ohne Weihe denkbar. Wenn der ökumenische Dialog ernsthaft stattfindet, muss und darf die lutherische Frage gestellt werden, ob eine Weihe tatsächlich dem Evangelium, der Botschaft und Praxis Jesu und der Jüngerbewegung entspricht. Jesus hat Jüngerinnen und Jünger in den Dienst seiner Nachfolge berufen. Es gab die Handauflegung und die Salbung als äußere Zeichen im Dienst der Nachfolge. Doch entspricht die Praxis, mit der dann später – nach der Konstantinischen Wende – Männer geweiht und für kirchliche Ämter bestimmt wurden – nicht eher dem Charakter des Opferpriestertums und einer herrschaftlichen Organisationsstruktur? Wird damit nicht eine Herrschaftskirche stabilisiert? Die jovialen Worte des Nuntius in seiner Ansprache vermögen in meiner Erinnerung nicht die Kritik wegwischen, dass gerade in der Frage der Bischofsernennung die Struktur der Kirche so dringend einer Erneuerung bedürfte. Es genügt nicht – so notwendig und befreiend es war – Jakob Bürgler für seine Tätigkeit als Diözesanadministrator vielfach zu danken, wenn nicht zugleich das Prozedere einer Bischofsernennung ohne die Einbindung der Ortskirche endlich verändert wird.

Am Tag der Bischofsweihe stellen sich mir also wieder erneut die Fragen, die ich mir immer schon in den Jahren stellte, als ich selbst im Priesterseminar war und kurz vor der Priesterweihe stand. Wie kann das katholische Weiheverständnis verändert werden, ohne dass es verbunden werden könnte mit den magischen Elementen, die Männer in gewisser Weise ontologisch verändert, so dass sie mit einem unauslöschlichen Zeichen versehen als geweihte Männer über den Laien stehen? Wie sehr ist die Weihe mit mythisch-archaischen Elementen aufgeladen, die dann letztlich auch den Ausschluss von Frauen aus dem Priesteramt begründen könnten?

Feministischer Blickwinkel

Wenn wieder ein Mann von anderen Männern zum Bischof geweiht wird und viele andere Männer – Priester und Diakone – im Zentrum des Geschehen stehen, so wirkt hier eine Geschichte des Patriarchats fort, die sicherlich nicht der jesuanischen Praxis und der frühen Kirche entspricht. Frauen hatten sowohl in der Jesusbewegung sowie in den ersten Jahrhunderten führende und priesterliche Rollen ebenso wie die Männer inne. Sie wirkten in den Gemeinden als Apostelinnen, Prophetinnen, Lehrerinnen, Priesterinnen, Diakoninnen oder Bischöfinnen. Im Jahr 2016 wurde Maria Magdalena in der katholischen Kirche als Apostelin anerkannt. Wenn Bischöfe – so die traditionelle katholische Lehre – in der Kette der Sukzession auf die Apostel zurückzuführen sind, so sind sie auch auf die Apostelin Maria Magdalena zurückzuführen. Daraus folgt, dass es eigentlich logisch wäre, wenn in der Nachfolge der Apostelin Maria Magdalena es auch endlich einmal eine Bischöfin in der katholischen Kirche geben würde, die wie der Heilige Martin oder der Heilige Nikolaus vom Volk erwählt wurde.

Dass die katholische Kirche von der gleichberechtigten Stellung der Frauen noch ein gutes Stück entfernt ist, kristallisiert sich gerade in den Weihefesten und ganz besonders bei einer Bischofsweihe. Die Weihe geht von Mann zu Mann. Die Schar der Mitraträger ist männlich. Es genügt wohl nicht, wenn Nuntius Zurbriggen in der Ansprache meinte, man müsse weiterhin kräftig für Berufungen beten. Demgegenüber gilt: Man muss kirchliche Strukturen infrage stellen, die durch einen Ausschluss von Frauen aus den Priesterämtern und durch das Zölibat Berufungen verhindern. Aus diesem Blickwinkel ist eine Reform des Weiheverständnisses notwendig. Eine Ablehnung der Weihe von Diakoninnen in der katholischen Kirche wird auch damit begründet, dass das Weiheamt dreigliedrig sei – Diakon, Priester, Bischof. Das würde also bedeuten: Wenn eine Frau zur Diakonin geweiht werden könnte, könnte sie – so der sakramentaltheologische Schluss – auch zur Priesterin und Bischöfin geweiht werden.

Zeit der Freude

Vielleicht aber ist jetzt nicht die Zeit, die kritischen Dinge zu sehen, sondern all das Positive, was mit Bischof Hermann, seiner Person und der Art und Weise, wie seine Weihe gestaltet wurde. Es tat auch gut zu hören, dass die Bürgermeisterin einer Stadt, die bekannt wurde für Bettlerverbote und dem Schlafverbot für Obdachlose, so engagiert in ihren Worten die christlich-sozialen Verpflichtungen einmahnte. Die Person von Hermann Glettler strahlt aus. Der 2. Dezember 2017, Tag der Bischofsweihe von Hermann Glettler und Beginn des Advents, ich hoffe, dass er zum Tag wird, wo eine Kirche sichtbar wird, die so ganz in der Tradition des Evangeliums steht – und damit auch im Widerspruch zu so vielen Entwicklungen in dieser Welt. Wir brauchen eine Kirche, die den Mut zum Widerstand hat, wenn grundlegende Rechte von Menschen verletzt werden, wenn die Umwelt zerstört wird, wenn durch Aufrüstung der Frieden gefährdet wird. Da tut eine Versammlung von 8000 Menschen in der Innsbrucker Olympiahalle gut. Sie war tatsächlich auch eine Feier, in der sich die Kirche als Gemeinschaft präsentierte, die offen ist für Menschen, die zu uns gekommen sind, für Menschen, die in Not sind. Auch wenn so manches Kirchengehabe besonders im säkularen Ort einer Olympiahalle noch mittelalterlicher wirkt, so wurde doch sichtbar. Eine andere Kirche ist möglich und jetzt schon da. Wir sind Volk Gottes und nicht allein! Es braucht zugleich in der katholischen Kirche in der Frage der Gleichberechtigung und Demokratie Veränderungen, damit diese Kirche glaubwürdiger und authentischer wird. Möge dieser Aufbruch mit Bischof Hermann gelingen.

Klaus Heidegger