Für eine Öffnung der Ehe für Homosexuelle aus katholischer Sicht

Katholische Kirche geschlossen gegen eine „Ehe für alle“?

Das Bild der katholischen Kirche in Österreich erscheint einheitlich gegen die vom VfGH geforderte Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare. Entschieden wird dessen Erkenntnis vom 4. 12. 2017, dass auf der Basis des Gleichheitsgrundsatzes und darauf aufbauend des Diskriminierungsverbotes gleichgeschlechtliche Paare im Eherecht mit verschiedengeschlechtlichen Paaren gleichgestellt werden sollen, von Bischöfen, Theologen und Vorsitzenden der Laienverbände abgelehnt. Wenn ich im Religionsunterricht über diese Frage rede, merke ich, wie meine Kirche in dieser Frage nicht verstanden wird. Für fast alle Jugendlichen ist es gar keine Frage, warum gemischtgeschlechtliche Paare anders als gleichgeschlechtliche behandelt werden sollten. Als Religionslehrer begegnen mir dann sofort die berechtigten Anfragen von Seiten der Schülerinnen und Schüler: Warum stemmt sich die Kirche gegen eine Ehe für alle? Ist die Kirche im Kern nicht bleibend homophob eingestellt? Warum sind kirchliche Vertreter nicht froh darüber, wenn Diskriminierungen gegenüber Schwulen und Lesben endlich aufgehoben werden? Warum mischt sich die Kirche ein, wenn es um eine zivile Ehe geht? Vergeblich warte ich auf innerkatholische Stellungnahmen, um sagen zu können: Nein, meine Kirche ist nicht so. Meine Kirche nimmt Schwule und Lesben in Schutz und signalisiert keine versteckte homophobe Grundtendenz. Meine Kirche begrüßt die Judikatur des VfGH, damit Diskriminierungen aufgehoben werden. Meine Kirche geht vielleicht soweit, dass sie aufgrund ihrer positiven Bewertung von Treue, Verlässlichkeit und ihrer wertschätzenden Haltung gegenüber der Sexualität auch die Sakramentalität gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in Erwägung zieht.

Problematische Kritik am Verfassungsgerichtshof

Unabhängig vom konkreten Inhalt des VfGH ist es aus politischer Sicht nicht unbedenklich, wenn dessen Erkenntnisse so massiv infrage gestellt werden oder wenn er überhaupt wegen seines Engagements kritisiert wird. Es liegt tatsächlich in der Kompetenz des Höchstgerichtes, die Rechtmäßigkeit von Gesetzen auch in einer Weise interpretieren zu können, die im Widerspruch zu politischen Kräfteverhältnissen steht. Tatsächlich hat der VfGH immer wieder aufgrund seiner Kompetenzen sich quasi politisch eingemischt – und wohl fast ausnahmslos im Sinne dessen, was auch der Kirche wichtig war. Erinnert sei beispielsweise daran, dass der VfGH das Bettelverbot in Salzburg als unzulässig sah. Es könnte eine Zeit kommen, in der wir noch sehr froh sein könnten, wenn der VfGH auf der Basis von Menschenrechten tatsächlich ein Wächteramt ausübt.

Gleichstellung, weil Gleichwertigkeit

Wenn der Staat gleichgeschlechtliche Ehen ermöglicht, verdeutlicht er, dass schwule und lesbische Beziehungen nicht länger einen minderen Status haben. Dadurch können Vorurteile aufgebrochen werden und homosexuelle Paare stehen in einem Schutzverhältnis.

Zeugungsfähigkeit als Kriterium für eine Ehe?

Die Hauptkritik an der kirchlichen Position gegen eine Ehe für alle betrifft in erster Linie das Junktim von Ehe und Zeugung von Nachkommenschaft. Gegner der Homoehe, von FPÖ wie von Bischöfen kommend, sagen: Weil Ehe immer mit der Zeugung von Nachkommenschaft verbunden sei, könne es eine Ehe auch nur zwischen einem Mann und einer Frau geben, weil nur aus einer solchen Verbindung Kinder entstehen können. Meine Schülerinnen und Schüler wundern sich jedenfalls mit einfachem Hausverstand über derlei Argumentationsweise. Da kann doch nicht die Fortpflanzungsfähigkeit als konstitutives Element von Ehe konstruiert werden, wenn diese auch bei vielen Heteropaaren längst nicht mehr, beispielsweise aufgrund von Alter oder anderen Umständen, gegeben ist.

Wesensmerkmale der Ehe: Freiheit und Treue

Warum treten nun Bischöfe auf, die von einer staatlichen Ehe reden, die sich von der kirchlichen immer weiter entferne? Auf die Gemeinsamkeiten wird kaum verwiesen. Dies ist erstens der Grundsatz der Freiheit. Eine Ehe kann nicht durch Zwang zustande kommen. Eine Homoehe würde prinzipiell nicht gegen diese Grundsäule verstoßen. Zweiter Wesenszug der Ehe ist die Treue. Untreue gilt auch aus staatlich-säkularer Perspektive als gesetzlicher Regelbruch. Ausgehend von diesem Wesenszug der Ehe würden gleichgeschlechtliche Paare klar dokumentieren, dass auch ihre Beziehungen nicht auf Vorläufigkeit, sondern auf Dauer angelegt sind. Die Freude der Liebe, „Amoris laetitia“, von der Papst Franziskus in seinem päpstlichen Rundschreiben so schön schreibt, ist kein ausschließliches Gut für Heteropaare. Wenn, so der Papst, Zärtlichkeit als Bildnis für die Liebe Gottes gilt, so gilt dies wohl nicht nur für heterosexuelle Paare.

Sakramentalität der Ehe auch für homosexuelle Paare

Heute wäre es höchst an der Zeit, wenn Vertreter der katholischen Kirche nicht nur davon ablassen würden, staatliche Regelungen und entsprechende höchstgerichtliche Entscheidungen zu kritisieren, die gegen jegliche Diskriminierung schwuler und lesbischer Paare sind, sondern vielleicht sogar einen Schritt weitergehen würden und auch die Sakramentalität der Ehe nicht ausschließlich auf heterosexuelle Paare beziehen würden. Das 1×1 im katholischen Eheverständnis lautet, dass die Ehe ein „Natursakrament“ ist und insofern einen besonderen Charakter hat, weil es nicht von einem Priester oder Bischof gespendet wird, sondern die Eheleute sich dieses Sakrament durch die freie Zusage selbst spenden. Natursakrament bedeutet, dass in einer ehelichen Beziehung von sich aus Transzendenzerfahrungen möglich sind, dass hier eine lebendige und wirksame Gegenwart des Göttlichen im menschlichen Leben und Tun vorhanden ist. Ehe ist zugleich auch Sakrament, insofern es hier um einen kirchlichen Lebensvollzug geht. Sie ist Kernzelle christlicher Gemeinschaft und gilt als Ort personal gelebten Glaubens. Drittens schließlich ist die Ehe auch Sakrament, insofern sie zeichenhaft die Liebe und Treue Gottes zu seinem Volk sichtbar macht. Das Einssein Gottes mit den Menschen drückt sich im Einssein der Sich-Liebenden aus.  Und wieder muss gefragt werden: Sind es nicht Wesenszüge, die in gleicher Weise für gleichgeschlechtlich Liebende gelten? Würde daraus also nicht folgen, dass sich kirchliche Vertreter nicht nur länger gegen eine zivilrechtliche Ehe für alle stemmen, sondern auch in ihrem Bereich zumindest einmal Segensgottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare ermöglichen würden, wie dies längst schon in anderen Kirchen möglich ist.

Ehe als Institution für Vertrauen, Verlässlichkeit und Verantwortung

Wer sich auf eine Ehe einlässt, entscheidet sich ganz für einen Partner bzw. Partnerin – und dies auf „Lebenszeit“. Das widerspricht dem Zeitgeist postmoderner Beliebigkeit und entspricht aber so ganz einem wesentlichen Punkt der traditionellen katholischen Ehelehre. Wer Ja zur Ehe sagt, stellt sein oder ihr Leben in den Dienst einer anderen Person, ist bereit, ganz für sie da zu sein in Gegenwart und Zukunft. In einer Zeit, in der mehr und mehr Menschen ohne Trauschein zusammenleben und in der fast die Hälfte aller Ehen wieder geschieden wird, ist es ein wunderschönes Zeichen, dass Schwule und Lesben die eheliche Lebensform für sich entdecken.

Ein Traum finaler Gleichberechtigung

Die Geschichte ist geprägt von einer Missachtung grundlegender Rechte für homosexuelle Menschen – und auch in der Geschichte der Kirche beschädigten homophobe und diskriminierende Urteile und Verhaltensweisen das Bild der Kirche. Umso mehr ist es zu bedauern, wenn die katholische Kirche in der öffentlichen Wahrnehmung nun wieder so erscheint, als stünde sie mit ihrer Lehre und Praxis einer Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben im Wege.

Noch ist es nur eine Wunschvorstellung. Schwule und lesbische Paare können sich gleichberechtigt wie heterosexuelle Paare das Sakrament der Ehe spenden und die Kirche erkennt solche Verbindungen an. Es wird eine Kirche sein, die sich von der Bürde und Schuld einer homophoben Vergangenheit endgültig befreit hat. Es wird deutlich sein, dass nie mehr Homosexualität und auch nicht homosexuelle Handlungen als solche als Sünde angesehen werden. Sünde ist der Missbrauch der Sexualität. Sünde ist der Sexismus und die Abwertung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts oder der sexuellen Orientierung.

Klaus Heidegger, 13.12.2017, dem Festtag der Hl. Lucia, klaus.heidegger@aon.at

 

 

 

 

Kommentare

  1. hi

    wenn man die homo ehe in die kirche bringt, dann kippt man paulus (kein sex ohne fortpflanzung) aus seiner position id offenbarung direkt nach den herrenworten. dann kippt man zugleich auch die garantie dafür, dass
    die öffnung für nichtjuden möglich ist, weil paulus offenbarungstatus gerade das garantiert.
    dann heisst es: entweder können nichtjuden christen sein, oder homosexuelle heiraten. beides geht nicht

    lg
    m

    1. … bitte 1 Kor 13 lesen, vom hohen Wert der Liebe, die ohne Homo- oder Heterolabel ist … und dann den Paulus nicht fundamentalistisch, sondern historisch-kritisch interpretieren … und so könnten wir uns verstehen … mlg

  2. hi
    in kor 1.13 lese ich nichts von ehe oder sex, sondern von liebe. auch verwendet er das wort agape, das eindeutig nicht sexuell gemeint ist, ich würde sogar so weit gehen, dass er hier von jesus spricht, aber das muss man nicht.
    wenn sie historisch-kritisch interpretieren wollen, gut. dann sage ich: alles an paulus deutet darauf hin, dass sexualität schlecht ist, nur im rahmen der ehe (dh kinderaufzucht) gestattet ist. ehe ist meiner meinung nach im historischen kontext des ersten jahrhundert gerade das: kinderzeugung, kinderaufzucht, und nicht lust am sex. ich kann mir nicht vorstellen warum prostitution negativ bewertet wird, wenn rein körperliche lust an sich gut sein soll. ich kann mir nicht vorstellen warum paulus explizit darauf hinweist, dass die befriedigung der triebe nur im rahmen der ehe möglich sein sollte, wenn er es ganz anders gemeint hätte.
    und wenn das fällt, sind wir wieder am anfang der diskussion.
    es gäbe noch so viel mehr zu sagen, aber ich würde mich freuen von ihnen zu hören
    mlg
    m

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