Jesus-Selfies Teil II: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Rebzweige

Vergangenen Sonntag war das Evangelium vom Guten Hirten. Der Evangelist Johannes identifiziert Jesus mit einem „Guten Hirten“, der sich liebevoll um seine Schafe kümmert. (http://www.klaus-heidegger.at/?p=3241 ) Heute lesen wir in im 15. Kapitel bei Johannes davon, dass Jesus seine Jüngergemeinde mit Rebzweigen vergleicht, die vom Weinstock her leben. Im Süden Tirols, dort wo Weinberge die Landschaft prägen, dürften diese Bilder besser verstanden werden. Aus meiner Nordtiroler Sicht gibt es im Herbst die Weintrauben und über das Jahr verteilt schätze ich die Rosinen als Kraftspender. Der Weinstock und die Rebzweige sind zunächst nicht in meinem Blickfeld. Da muss ich mich etwas in die Botanik dieser Pflanze hineinfühlen und einen Blick in die Weinbaugebiete machen, um zu verstehen, was Johannes und sein Team mit diesem Bild wohl meinten.

Erstens ist es wohl die Erfahrung einer tiefen Beziehung mit Jesus, die gerade in schwierigen Situationen – und für die Gemeinde des Johannes ging es um ein tägliches Überleben angesichts einer Verfolgungssituation – Lebenskraft und Lebenswillen spendet. Jesus ist nicht der Wein, der uns trunken machen könnte. In Verbindung mit dem Weinstock Jesus können seine Jüngerinnen und Jünger leben und lieben, zugleich werden es die Rebzweige sein, die vegetativ den Weinstock aufleben lassen.

Zweitens ist es die Erfahrung, dass diese Beziehung eine Rebenexistenz ermöglicht. Weil es die Nährstoffe und den Saft aus dem Weinstock gibt, der sich tief in die Erde verwurzelt, können die Rebzweige in die Höhe und Breite wachsen, immer wieder neu, jeden Frühling wieder austreiben, bis die Blätter und Blüten wachsen, aus denen dann Trauben und Beeren hervorgehen. In der Hitze des Sommers werden die Blätter der Reben Schatten spenden für jene, die darunter ausruhen wollen. Reben sind widerstandsfähig und verlieren auch im Alter nicht ihre Kraft.

Damit ist das Bildgleichnis vom Weinstock und den Rebzweigen vor allem eine Beziehungsgeschichte. Eine Rebe kann nie für sich sein. Es stellt mich vor die Frage: Wie sehr lebe ich aus einer Jesusbeziehung? Und zugleich führt dies weiter zur Frage: Wie sehr bin ich als Rebzweig bereit, wie Jesus selbst für andere da zu sein? Ich nehme es mit in den heutigen Sonntag: Zufrieden zu sein mit einer Proexistenz, dass durch mich Früchte wachsen können, selbst wenn die Dankbarkeit der Menschen scheinbar nur den Beeren und dann dem Traubensaft und Wein gilt. Mein Leben soll fließen in zwei Richtungen und wenn die Verbindung zum Stock nicht verklebt ist, dann wird das Leben gelingen.

29.4.2018, Klaus Heidegger