Die Menschen suchen Jesus im vielleicht schon längst überfällig Gewohnten, in überholten Traditionen, in längst nicht mehr stimmiger Gesetzlichkeit, im Status quo, im Stillstand, im Sich-Abfinden mit Bestehendem, im Arrangement mit den Mächtigen. So hält „man“ sich an verdorrten Hölzern fest und glaubt, einen lebendigen Baum zu umarmen. Jesus fährt jedoch ans „andere Ufer“ (Joh 6,24). Dort, so hören wir es im heutigen Sonntagsevangelium, finden sie ihn. Die bleibend frohe Botschaft lautet: Sei bereit für Veränderungen und für die Umkehr zu neuem Leben. Das „andere Ufer“ ist auch eine Metapher für die Notwendigkeit zur revolutionär geprägten politischen Veränderung, die sich – auch das ist zentraler Inhalt des Evangeliums – daran orientieren muss, dass es genügend Brot für alle gibt, damit es keinen Hunger mehr geben wird. In den Bibelauslegungen zu dieser Perikope geschieht oft eine Spiritualisierung, so als würde der Sinn darin liegen, das materielle Brot sei gar nicht wichtig, sondern der Glaube an Jesus. Wenn aber Jesus „das Brot des Lebens ist“, das sich am „anderen Ufer“ finden lässt, so bedeutet es ganz konkret politisch: Daran zu glauben, dass die Strategie des Teilens und des Gewaltverzichts funktioniert, damit kein Mensch mehr hungern oder wegen Hunger fliehen muss. Der Glaube an das jesuanische Brot bedeutet, dass niemand in Österreich mit 150 Euro im Monat abgespeist wird und die sozialen Förderungen nicht gekürzt werden. Am anderen Ufer gibt es ein neues reales Leben: Menschen, die füreinander einstehen, Zeit für kranke Familienangehörige finden und Zeit für Menschen mit Beeinträchtigungen. Man traut sich am eutopischen Ufer endlich zu leben und unendlich zu lieben, weil man Jesus vertraut und Verkrustetes hinter sich gelassen hat. An diesem Ufer haben Vorwürfe keinen Platz mehr, weil man sich gegenseitig mit den Eigenheiten zu schätzen weiß. An diesem Ufer lebt Jesus mitten uns – heute schon!
Klaus Heidegger, 5. August 2018