Nachruf für meinen Papa, Ernst Heidegger, beim Begräbnisgottesdienst am Festtag des Hl. Nikolaus von der Flüe, Prutz, 25. 9.2018

Liebe Trauergemeinschaft!

Selig sind die Sanftmütigen, so haben wir es im Evangelium gehört. Selig sind die Sanftmütigen, spricht Jesus in einer der Schlüsselstellen des Evangeliums. Selig sind die Sanftmütigen: Ich habe an diese Worte oft gedacht, als wir in den letzten beiden Wochen immer wieder mit unserem Papa auf der Klinik zusammen sein konnten. Wir haben gemerkt und gespürt: Unser Papa ist selig, ist glücklich – und diese Seligkeit hängt mit seiner Sanftmut zusammen. Als einige von euch den Spruch auf der Parte oder der Andenkkarte sahen, haben sie spontan gesagt: Ja, so war der Ernst, man könnte keine passenderen Worte finden. Liebe Trauergemeinde, wer meinen Papa kannte, hat Sanftmut und damit auch Seligkeit kennengelernt. Deswegen möchte ich mit euch auf dieses selige Leben blicken. Es sind fünf Dimensionen, in denen die Sanftmut in seinem Leben so deutlich hervortreten. Für jede dieser fünf Dimensionen habe ich Symbole aus seinem Leben mitgenommen.

  • Die erste Dimension: Das arbeitsame Leben als Schuhmacher und Geschäftsmann in Prutz

Als Symbol für die Lebensdimension Beruf und Arbeit habe ich einen dreibeinigen Schusterstuhl mitgenommen, der in der Schuhwerkstatt stand und auf dem mein Papa wohl schon als Lehrbub gesessen ist. In der Werkstatt hing ein Bild: Es zeigt die Patrone der Schuhmacher, die Heiligen Crispin und Crispinianus..

Karl Heidegger war der Vater von Ernst, ein Südtiroler, der mit nichts an Besitz aber viel handwerklichem Geschick über den Reschenpass gekommen ist, hierher in dieses Oberinntaler Dorf am Ausgang des Kaunertales in der Zwischenkriegszeit. Aus Steinen und fast von Hand wurde das gemeinsame Haus und die Schuhwerkstatt gebaut. Seine Frau Berta stammte aus einer Bergbauernfamilie vom Zammer Berg. Ihr jüngstes Kind, Ernst, wurde am 31. Juli 1930 in Prutz geboren. Mein Papa hatte noch eine ältere Schwester, Berta, und einen älteren Bruder, Karl, der mit ihm und seinem Vater in der Schuhwerkstatt arbeitete.

Zu diesem Leben in Prutz in der Zwischenkriegszeit, den Kriegsjahren und der Nachkriegszeit passt wohl auch die erste der Seligpreisungen: Selig die Armen, selig die Einfachen, die sich durch Armut und Entbehrungen nicht entmutigen lassen, sondern im Gegenteil: für die ihr bescheidenes Leben ein Ansporn ist, Visionen zu haben und etwas aufzubauen.

Hier in dieser Kirche wurde Ernst getauft. Sein Taufpate Joachim war ein mutiger Mann, der aus der Wehrmacht desertiert ist und sich über ein Jahr in der Nähe der Asterhöfe versteckt hielt. Auf ihn und die Deserteure aus Prutz würde wohl die Seligpreisung passen: Selig, die wegen ihrem Streben nach Frieden verfolgt werden.

Einige wenige von euch unter der älteren Generationen haben diese Zeit noch miterlebt. Für mich sind es vergilbte Fotos. Sie zeigen Häuser, deren Wände keinen Verputz haben. Dazwischen spielen Kinder auf noch unasphaltierten Straßen Speckerlix. Mein Papa war in den 40er Jahren nicht bei der HJ, sondern zog es vor, hier in der Kirche Ministrant zu sein.

Die Gesellen- und Lehrjahre hatten ihn geprägt. 1952 legte er die Meisterprüfung ab, übernahm dann bald das Geschäft und arbeitete zugleich als Vertreter für Schuhfirmen in Halbösterreich. Das Geschäft wurde immer größer. Es wurde dazu gebaut, aufgebaut und es kamen Angestellte dazu. Um Schuhe zu kaufen, fuhren Einheimische wie Touristen nicht in ein Einkaufszentrum, sondern gingen zum Heidegger. 1994 übergibt Ernst endgültig das Geschäft und tritt die wohlverdiente Pension an.

  • Die zweite Dimension: Sein Leben als Partner und Ehemann

Ernst und Isolde lernten sich kennen und lieben. Damals waren die Innauen noch gut geeignet zum Schwimmen. Schon bald, 1956, wurde geheiratet. Ich habe als Symbol einen goldenen Ballschuh mitgenommen, den Ernst für Isolde für einen der ersten gemeinsamen Bälle selbst gefertigt hatte. Den Hochzeitsanzug hatte er sich ausgeliehen und um Geld für die Hochzeitsreise zu haben, verkaufte er sein Motorrad. Mein Papa und meine Mama haben erst vor zwei Jahren die Diamantene Hochzeit gefeiert. Es waren 62 Jahre, in denen sie sich gegenseitig unterstützt haben – bis zum letzten Tag.

Ein alter Hobel ist ein anderes Symbol für diese Partnerschaft, die geprägt war von gemeinsamer Arbeit. 1963 beginnt der Hausbau. Alles wird mit eigenen Händen vom Keller bis zum Giebel gefertigt und stets hieß es auch – gemeinsam mit Mama – im liebevoll gepflegten Garten anzupacken. Zusätzliches Geld verdienten sie mit der Fremdenpension, wie es damals so hieß.

  • Dritte Dimension: Sein Leben als Familienmensch

Ernst Heidegger war ein Familienmensch wie aus einem Bilderbuch. So war seine Ehe gesegnet mit fünf Kindern, zu denen dann 11 Enkelkinder und 3 Urenkelkinder kamen. 1995 markiert den wohl schwersten Schickssalsschlag, als seine Tochter Angelika im Alter von 21 Jahren gestorben ist. In der Ewigkeit sind nun beide wieder vereint.

Als Symbol habe ich eine alte Filmkamera mitgenommen. In fast unüberschaubarer Weise hat sich Papa auf Dias, später mit 8-mm-Kameras und zuletzt auch digital das Leben mit der Familie festgehalten. Gerne hätte er wohl noch mehr Zeit gefunden, um Ordnung in diese Datenfülle zu bringen.

Papa liebte das Reisen, auch wenn dafür wenig Zeit blieb. Ich denke an die jährlichen Familienurlaube am Gardasee oder am Mittelmeer, an eine abenteuerliche Interrailreise, wo er selbst noch wie ein Jugendlicher mit Rucksack und Schlafsack unterwegs war. Stets hat sich Ernst als Familienvater fürsorglich um seine Kinder gekümmert, ob es die Unterstützung beim Hausbauen war oder beim Kindsen von Enkelkindern. Dabei hatte er auch Zeit, mit seinen Enkelkindern zu spielen. Sein Enkel Luis hat sich daher als Symbol eine Schachfigur ausgesucht.

  • Die vierte Dimension: Sein Leben in der Dorfgemeinschaft

Als Sanftmütiger hat sich Ernst nie in den Vordergrund gedrängt. Er werkelte vielmehr im Hintergrund, meist still und bescheiden. Viele Jahre war er Obmann des Fremdenverkehrsverbandes Prutz-Faggen-Fendels, nahm in dieser Funktion die Ehrungen für die Gäste durch und überlegte, wie der Tourismus in der Region gestärkt werden könnte. Als Geschäftsmann war er Aufsichtsratsvorsitzender vom Raiffeisenverband Prutz. Er war im Wirtschaftsbund tätig. Kirchlich bedeutsam waren für ihn die Familienrunde, der Stefanuskreis und die Katholische Männerbewegung. Im Dorfleben war er im Theaterverein und im Schachklub aktiv. So ist es heute auch schön, dass beim Begräbnisgottesdienst Mitglieder von Papas Familienrunde dabei sind sowie als Repräsentant der Dorfgemeinschaft der Bürgermeister von Prutz.

  • Die fünfte Dimension: Seine Hobbys und Leidenschaften

Seligkeit bedeutete für Ernst Heidegger auch, den eigenen Leidenschaften und Hobbys nachzuhängen. Papa war ein Bewegungsmensch. Legendär wurde seine Romreise mit dem Rad im Heiligen Jahr. Symbol dafür ist eine Fahrradpumpe. Markus und Manuel haben erst im letzten Jahr diese Reise nachgemacht. Mein Papa hat mit Interesse und Freude die 1000 Kilometer zwischen Prutz und Rom verfolgt. In den letzten Jahren haben ihn einige von euch mit einem elektrobetriebenen Fahrrad rund um Prutz fahrend sehen können. Ernst war in der Pension vielen bekannt, als er fast täglich Spaziergänge mit der Collihündin Slash machte. Ich könnte hier noch vieles aufzählen, was für Papa Seligkeit bedeutet: Vom Mostpressen bis zu seiner Hollywoodschaukel, vom Schwammerlsuchen bis zu seinen morgendlichen Runden im Swimmingpool. Zuletzt war er ganz selig, als er daheim in den letzten Stunden noch Sauerbrunn trinken konnte.

Ich habe noch ein abschließendes Symbol mit: sein Handy. Es steht für sein Interesse an Technik, das er stets verknüpfte, um bis zu seinem Tod mit seinen Lieben über WhatsApp in Verbindung zu sein. Jetzt haben wir eine andere Verbindung mit ihm in die Ewigkeit.

In all den fünf Dimensionen des Lebens von Ernst Heidegger, von meinem Papa, strahlt die Seligkeit durch: Seligkeit in seinem Arbeiten und Schaffen, Seligkeit in seiner Ehe und Partnerschaft, Seligkeit, weil er sein Leben nicht nur für sich gelebt hat, sondern immer auch für seine Familie, Seligkeit in seinem Engagement für Dorfgemeinschaft und Kirche, Seligkeit, weil er Zeiten und Räume für sich selber gefunden hat.

Hier und heute können wir es im Leben von meinem Papa, von Ernst Heidegger, nachspüren, was Jesus sagte: Selig die Sanftmütigen – ihnen gehört das Himmelreich.

Kommentare

  1. Danke Klaus! Gott gebe deinem Vater die ewige Seligkeit! Euch Dankbarkeit und Freude für sein Leben!
    Das „Schuastaschamal“ hat mich in meine Kindheit versetzt: Papa hat auch in unserer winzigkleinen Küche geschustert!!
    Für dich immer Segen für jeden Tag!

  2. Lieber Klaus,
    ein wunderbarer Nachruf für deinen Papa. Muss ehrlich sagen, dass ich in dir, deinem Leben, deinen Aktivitäten sehr viele Parallelen erkennen kann. Danke, dass du auch immer wieder deine Talente, deine Ideen, deine Gedanken einbringst und so nachhaltig lebst – einfach vorbildlich!

    Viel Kraft und liebe Grüße,
    Maria

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