Das Böse verurteilen, nicht Menschen aburteilen – Nachlesen über die Schandtaten im ehemaligen Mädchenheim Martinsbühel

Wenn ein Mensch willentlich Böses getan hat, so ist die böse Tat zu verurteilen und der Mensch für sein Fehlverhalten zur Rechenschaft zu ziehen. Es braucht die Bereitschaft, Untaten aufzudecken, Verbrechen nicht zu vertuschen und das Böse zu benennen. Es hilft jedoch nicht weiter, wenn ein Mensch, der Böses tat, an den modernen Pranger der Medien gebunden wird, wo Vorverurteilungen oftmals gepaart sind mit sensationslüsterner Neugier an menschlichen Abartigkeiten. Es braucht das Hinhören auf die Opfer und das Eingeständnis von Schuld von Seiten der Täter, um Versöhnungsprozesse einzuleiten.

Wenn ein Mensch willentlich Böses getan hat, so sind deswegen nicht alle Menschen böse, sondern im Kern trägt jeder Mensch das Gute in sich, auch wenn die Verführungen groß sind, vom Weg der Liebe und Barmherzigkeit abzukommen.

Wenn ein Mann zum Gewalttäter wird und aus Eifersucht, Hass oder Frustration Böses tut, so ist dies absolut verwerflich. Die Tat muss bestraft werden, ohne dass Rache und Vergeltung um sich greifen. Und zugleich gilt: Nicht alle Männer sind so!

Wenn ein Politiker sich mit korrupten Geschäften bereichert, so ist dies Sache der Gerichte. Nicht alle Politiker sind so!

Wenn ein Flüchtling selbst zum Täter wird und Verbrechen begeht, so ist diese Tat zu ahnden. Und doch gilt: Nicht alle Flüchtlinge sind so!

Wenn eine Nonne, verblendet von schwarzer Pädagogik aus vergangener Zeit, vielfach überfordert mit den Herausforderungen und unter dem Schutz von Autoritäten zu bösen Methoden griff, so ist dies im Sinne der Opfer und Täter achtsam aufzuarbeiten. Nie aber darf ein Bild entstehen, das lautet: So sind die Nonnen! So ist die Kirche!

Wenn ein Priester nachweislich Missbrauch begangen hat, so muss die Untat gesühnt und dem Opfer geholfen werden, aber es muss zugleich heißen: Das Böse ist nicht gleich Kirche, das sind nicht „die“ Priester – das Böse ist der radikale Widerspruch zur priesterlichen Berufung und zum Auftrag der Kirche, Zeichen und Werkzeug der Liebe Gottes zu sein.

Nicht um Unrecht zu verschweigen und Verbrechen zu vertuschen, sollte achtsam über die grausamen Vorgänge berichtet werden, sondern um Versöhnung zu ermöglichen. Wo Täter vorverurteilt werden, wo ganze Menschengruppen unter Generalverdacht geraten, wo Pauschalisierungen grassieren, wo Sensationslust herrscht, dort werden Wege versöhnlicher Aufarbeitung verbaut.

Niemandem wird geholfen, wenn die Schreckenstaten und Verbrechen im ehemaligen Mädchenheim von Martinsbühel zu einem Kirchen Bashing benützt werden, indem beispielsweise generell dir katholische Kirche als „Täterorganisation“ bezeichnet wird oder Ordensgemeinschaften als verbrecherisch stigmatisiert werden. Für die „Kirchenfresser“ freilich sind die Verbrechen der Vergangenheit an Orten wie Martinsbühel, wo Staat, Land, Gemeinde, Behörden, Ordensgemeinschaften und Kirche ihre grundlegendste Pflicht, Kinder und Jugendliche zu schützen, nicht wahrgenommen haben, willkommene Nahrung. Die Abertausenden Nonnen und Klosterschwestern in unserem Land, die über Jahrzehnte im Dienst an den Ärmsten waren, in deren Klöster Mädchen umsichtig eine umfassende Schulbildung erhielten und in deren Krankenhäusern Menschen achtsam gepflegt wurden, sie haben bis zum heutigen Tag Großartiges geleistet.

Dr. Klaus Heidegger, 8.2.2019,
klaus.heidegger@aon.at