Teil 1: Analyse – Die Lage des Planeten
1.1 Letzte Chance
Greta Thunberg und mit ihr die Fridays-for-Future-Bewegung haben Recht. Es ist „unsere letzte Chance zu handeln, bevor die Welt, wie wir sie kennen, in einen Zustand der unumkehrbaren Krise gerät!“
Wenn wir unseren Planeten betrachten, dann nehmen wir wahr und lesen täglich in den Medien darüber:
Erderhitzung: Erwärmung der Ozeane, Abschmelzen der Gletschermassen, Unwetterkatastrophen, Wirbelstürme, Überschwemmungen, Ausbreiten der Dürregebiete und Wüstenbildung. Klimatische Veränderungen sind es auch, die zu den verheerenden Folgen des Zyklons in Mosambik und den benachbarten Staaten führten.
Flächenverberbrauch und Abholzung der Regenwälder bedeutet, dass weniger CO-2 gebunden werden kann und Lebensräume für Tier- und Pflanzenarten zerstört werden.
Artensterben: Bienensterben, Hummelschwund, Schmetterlingsverlust.
Ressourcenfluch: Begrenzte Ressourcen werden verbraucht. Deren Abbau ist mit enormen ökologischen und sozialen Folgen verbunden, Verschmutzung der Weltmeere und Küstenstriche durch Off-Shore-Bohrungen, vermehrter Energieeinsatz, um die letzten Ölvorräte zu erschließen.
1.2 2-Grad-Ziel
Bis zum Jahr 2030 muss der CO2-Ausstoß aller Länder der Welt auf Null gebracht werden, damit bis 2100 die 2-Grad-Grenze nicht überschritten wird. Diesen Zielwert haben die Vereinten Nationen festgelegt, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu vermeiden.
Wissenschaftler*innen zeigen auf, dass es zwar möglich wäre, die Emissionen bis 2030 so weit zu senken, dass das 2-Grad-Ziel erreicht wird, doch dies wird extrem schwierig. Die Möglichkeit zum Erreichen von 1,5 °C scheint ohnehin nicht mehr realistisch zu sein.
In einer aktuellen Studie über mögliche Klimaszenarien heißt es: „Wenn alle Länder ihre Ziele und Versprechen einhalten, die sie während des Pariser Klimaabkommens 2015 verkündeten, werden die Emissionen trotzdem weiter zunehmen und bis 2030 einen neuen Spitzenwert erreichen. Damit befände sich die Welt auf direktem Kurs in eine Zukunft, in der wir bis 2100 einen mittleren globalen Temperaturanstieg von 3,3 Grad C verzeichnen würden.“[1]
Es sei auch nicht Zeit, die Hoffnung auf einen groß angelegten Einsatz von Technologien zum Entfernen von CO2 – Direct Air Capture oder Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung – oder natürliche Methoden wie die Aufforstung zu setzen. Eine Studie warnt davor, dass der Verlass auf „einen groß angelegten Einsatz nicht erprobter Technologien [zur Kohlenstoffbindung] ein unverantwortliches und unangemessenes Risiko darstellt, wenn die Konsequenzen eines Fehlschlags potenziell katastrophal sein können“. Negative Emissionstechnologien könnten sich im nötigen Umfang als nicht machbar erweisen.
1.3 Politisches Handeln der Regierungen
Die EU-Staats- und Regierungschef haben beim EU-Gipfel in Brüssel (März 2019) scheinbar den Ernst der Lage erkannt und beschlossen, dass die EU bis 2050 klimaneutral werden möchte. Wirtschaft, Verkehr und Energieversorgung sollen so umgestellt werden, dass keine neuen Treibhausgase entstehen. Neuerlich wurde ein Bekenntnis zum Pariser Klimaabkommen 2015 abgegeben. Auch die Tiroler Landesregierung verfolgt das ambitionierte Ziel mit „Tirol Klima 2050“, bis zu diesem Jahr „energieautonom“ zu werden. Doch wie glaubwürdig sind solche Worte?
Blicken wir auf das Handeln der österreichischen Bundesregierung, so scheint die Reaktion auf die bereits stattfindenden und drohenden Klimakatastrophen und deren Folgen darin zu liegen, das Leben für die Asylsuchenden möglichst schwer zu machen, an einer Festung Europa kräftig mitzubauen und das eigene Heer massiv aufzurüsten.
Fakt ist jedenfalls, dass Österreich im Jahr 2018 weit hinter den Verpflichtungen und Ankündigungen zurück geblieben ist. Von Jahr zu Jahr steigen die Treibhausgas-Emissionen – zuletzt um 3,3 Prozent, das sind mehr als 2,1 Millionen Tonnen. Laut Klimaschutzgesetz sollte zuletzt die Grenze von 49,5 Millionen Tonnen nicht überschritten werden. Tatsächlich waren es 2017 51,7 Millionen Tonnen CO-2-Äquivalente. Die größten Steigerungen gab es im Mobilitätssektor. Dort sind seit 1990 die Emissionen um 70 Prozent gestiegen.
1.4 Fallbeispiel Nigeria
Ein Blick auf bestimmte Länder zeigt die verheerenden Folgen des Klimawandels. Nigeria als Beispiel. Es ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas – und zugleich jener Staat, der besonders stark vom Klimawandel betroffen ist. Im Norden wächst die Wüste der Sahara, im Süden gibt es entlang der Küste aufgrund der Ölförderungen Küstenerosion und massive Umweltverschmutzung. Der größte See im Land, der Tschadsee, ist um 95 Prozent geschrumpft. Regen bleibt aus. Es kommt zu Konflikten um das weniger werdende Wasser. Im Süden wiederum kommt es entlang der großen Flüsse hin zum Nigerdelta immer wieder zu Überflutungen. Küstenerosion bedeutet, dass das Land weniger wird. Der Meeresspiegel steigt an. Solche Faktoren sind Hauptgründe für Migration. Menschen ziehen ins Landesinnere. Es kommt zu sozialen Konflikten. Würde es zu einer globalen 2-Grad-Erwärmung kommen, so wären Länder wie Nigeria besonders betroffen. Hier stiege die Temperatur weit stärker an. Bestimmte Getreide- und Gemüsesorten könnten nicht mehr angebaut werden. Das Beispiel Nigeria zeigt: Jene, die am wenigsten zur Klimaveränderung beitragen, sind am meisten davon betroffen.
1.5 Schulstreiks müssen weiter gehen
Greta Thunberg sagt, dass nicht darüber geredet werden soll, ob die Streiks nun erlaubt sind oder nicht. Die Schulstreiks sollen bewirken, dass über das Klima gesprochen wird, und sie sollen so lange fortgesetzt werden, solange von der Politik nicht entsprechende Klimaschutzmaßnahmen gesetzt werden. Schüler*innen sagen zurecht, es gibt keine Zeit mehr, um darüber zu diskutieren, ob und wie während der Schulzeit gestreikt werden darf. Sie haben genug von den leeren Versprechungen der Regierungen und ihren Beschlüssen, die den Klimazielen oft so konträr laufen.
Es mutet jedenfalls merkwürdig an, wenn von Seiten des österreichischen Bildungsministeriums zwar bekundet wird, die Anliegen der Schüler*innen zu verstehen, andererseits aber quasi Sanktionen angedroht werden, wenn für die Teilnahme an den Freitags-Kundgebungen Stunden entfallen würden. Dafür gäbe es keinen Entschuldigungsgrund, so die Weisung an alle Bildungsdirektionen in den Bundesländern und damit auch an alle Schulen.
Eigentlich ist im Schulunterrichtsgesetz im neunten Abschnitt genau geregelt, wie das Fehlen eines Schülers oder einer Schülerin vom Unterricht entschuldigt werden kann. Das Fehlen ist nur erlaubt bei gerechtfertigter Verhinderung, also bei Krankheit, außergewöhnlichen Ereignissen oder wenn die Gesundheit gefährdet sein könnte. 30 unentschuldigte Fehlstunden darf man derzeit sammeln. Doch würde nicht der Blick auf die Lage des Planeten zeigen, dass Entschuldigungen akzeptiert werden müssten?
Wenn immer wieder den Schülerinnen und Schüler gesagt wird, sie müssten selbst ihr Verhalten überprüfen, so ist dies zwar richtig, zugleich geht es den jungen Klimaaktivist*innen vor allem um eine politische Botschaft. Als Einzelne auf Flugreisen, Plastikverpackungen oder Fleisch zu verzichten reicht nicht mehr. Es braucht politisches Handeln – und zwar sofort!
Von vielen Seiten gibt es jedenfalls Verständnis und Solidaritätsbekundungen für die Anliegen der Friday for Future-Bewegung. Bischof Hermann sagte in seiner Predigt bei der Diakonatsweihe im Innsbrucker Dom: „Junge Mädchen sind aktuell große Vorbilder entschlossenen Handelns. Ich spreche von Malala Yousafzai im Kampf für Bildung in Pakistan, von Emma Gonzalez im Kampf gegen die Waffenlobby in den USA und von der 16-jährigen Greta Thunberg in ihrem Kampf für ein effektives Umdenken im Klimaschutz“. Schon Mitte Jänner hatte der Innsbrucker Bischof Greta Thunberg in einem Fernsehgottesdienst den jungen Menschen als Leitfigur vorgestellt, um ermutigt und herzhaft zu handeln.
Vor allem aber sind es Wissenschafter*innen, die die Jugendlichen unterstützen. In der Initiative Scientists 4 Future, der unter anderen die Klimawissenschafterin Helga Kromp-Kolb angehört, haben sich mehr als 12.000 Wissenschafter*innen zusammengeschlossen. Einer von ihnen, der Präsident des Wissenschaftsfonds, meinte: „Wir fahren gerade unsere Erde an die Wand und geben auch noch Gas dabei.“[2]
[1] https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2019/03/das-zeitfenster-fuer-eine-ertraegliche-klimazukunft-schliesst-sich?fbclid=IwAR29aNkimGaH9FFIL6aWEtn_9_80sb5Ym06prlzbYNmh11V8E_TSZgAU85g, online 27.3.2019.
[2] Zit.in: DER STANDARD, 13.3.2019