EU-Wahl aus der Perspektive der Religionen und Kirchen (Erster Teil) Diskussionspapier

  • Gegen Nationalismus, für Internationalität

Religionsgemeinschaften und Kirchen haben universelle Gene in sich. Das Christentum ist deswegen zur weltumspannenden Religion geworden, weil es jeden völkischen Gedanken überwindet. Das neue Volk Gottes orientiert sich nicht am Abstammungsprinzip oder einer Blut-und-Boden-Mentalität.

Rechtspopulistische Parteien mit ihrem Fokus auf Nationalismus bis hin zum Rassismus stehen daher im Widerspruch zur Wesensmitte der Religionen und Kirchen. Wer mit „Bevölkerungsaustausch“- und „Asylchaoten“-Parolen auf Stimmenfang geht, kann sich nicht auf die Wesensmitte der Religionen und Kirchen berufen, sondern steht mit ihren Werten diametral im Gegensatz.

Ein Blick auf die Plakate und Werbespots der wahlwerbenden Parteien zeigt deutlich, was christlichen Grundwerten widerspricht. Rechtspopulistische Parteien mischen den Komplex Asyl, Migration, Ausländer und Islam zusammen. Im österreichischen Wahlkampf setzt die FPÖ mit dem Begriff „Asylchaoten“ ein eindeutiges Statement. Asylsuchende und Flüchtlinge werden mit dieser Wortwahl prinzipiell mit Chaos assoziiert. In einem FPÖ-Online-Spot serviert der FPÖ-Parteichef einem jungen Mann ein Bier und dazu heißt es: „Gehst du nicht wählen, jubeln im Hintergrund schon die rot-grünen Zuwanderungsfanatiker.“ Rechtspopulistische Parteien bauen ihren Erfolg auf national-egoistischen Parolen. „Österreich zuerst“ ist eine davon. Entsprechend sind auf den Plakaten einer österreichischen Partei zur EU-Wahl 2019 rot-weiß-rote Fahnen zu sehen, während die EU-Flagge fehlt. Es geht dieser Partei darum, Österreich zu schützen. FPÖ-Chef-Strache stellt sich in einer Pose wie aus House-of-Cards schützend und autoritär vor Österreich.

Die mit der FPÖ in der Fraktion „Europa der Nationen“ verbundene Schwesterpartei AfD greift noch tiefer in den ausländer- und islamfeindlichen Schmutzkübel. Auf einem ihrer Wahlplakate heißt es: „Damit aus Europa kein Eurabien wird.“ Gezeigt werden bösartig karikierte Muslime auf einem osmanischen Sklavenmarkt. Sie tragen alle einen Turban und begutachten eine nackte weiße Frau. Ein altes Kunstwerk wird in dem Plakat bewusst umgedeutet. Damals waren es weiße Herren aus Europa, die sich auf den Sklavenmärkten afrikanische Frauen kaufte. Was die AfD mit ihrer Umdeutung nun sagen möchte: „Muslime“ würden weiße Europäer irgendwann als Sklaven handeln. Zusätzlich ist auf dem Plakat eine nackte Brust der einfachste Trick, um voyeuristische Blicke zu lenken. Der Begriff „Eurabien“ ist eine Wortschöpfung des Terroristen und Massenmörders Anders Breivik, der in seinem Manifest vor einer „Verschwörung gegen Europa“ warnte und eben auch vor einem „Eurabia“, einer vermeintlichen „Invasion“ durch den Islam. Eine ähnliche Rhetorik hatte auch der Christchurch-Mörder, der ähnlich wie die Identitären oder zuletzt auch der FPÖ-Parteichef den Begriff „Bevölkerungsaustausch“ verwendete.

Tendenziell, wenngleich abgeschwächt, nähert sich aber auch das „Team Volkspartei“ einem migrationsfeindlichen Wahlkampf an. So heißt es bei einer Werbeeinschaltung für die Spitzenkandidatin Karoline Edtstadler: „Nur mit sicheren Grenzen nach außen gibt es ein EUROPA ohne Grenzen nach innen.“

Andererseits gibt es aber auch Parteien und EU-Parlamentskandidat*innen, die kein nationalistisches Programm erkennen lassen und sagen, worum es bei den EU-Wahlen wirklich geht. Um das gemeinsame Haus „Europa“. So heißt es beispielsweise auf einem Plakat „Kommt, wir bauen das neue Europa“. Ein Spitzenkandidat einer wahlwerbenden Partei wirbt mit dem Satz: „Europa braucht ihre Antwort.“ In einem anderen Sujet werden zwei Frauen gezeigt, die sich liebend umarmen. Dazu heißt es farblich akzentuiert in rot-blauer Gegensätzlichkeit: „Zusammenhalten oder spalten“.

  • Gemeinsames Haus, gemeinsame Lösungen

Die größten Probleme und Herausforderungen können nicht auf nationalstaatlicher Ebene gelöst werden. Dafür braucht es internationale und transnationale Organisationen und Vereinigungen von Staaten. Dies betrifft primär den Klimaschutz, die Migrationsfrage, die Fragen von Entwicklung bzw. Unterentwicklung sowie Fragen der Abrüstung und Sicherheit.

Daher liegt auch in einem Zusammenschluss der europäischen Staaten eine Chance. Die EU braucht aber die Demokratie – weswegen die Beteiligung an den EU-Wahlen quasi eine „Christenpflicht“ ist. Gewählt werden sollen freilich jene Vertreter*innen, die sich an folgenden programmatischen Pfeilern orientieren, damit diese EU eine ökologische, soziale und nachhaltige Politik verwirklichen wird.

  • Solidarität mit den Schwachen

Zu den Grundsäulen der Katholischen Soziallehre zählt das Solidaritätsprinzip. Dies bedeutet vor allem: Eine Gemeinschaft hat Sorge zu tragen für jene, die aus eigener Kraft und aufgrund ihrer Lebensbedingungen nicht allein für ein menschenwürdiges Leben sorgen können. Es ist vor allem Aufgabe und Pflicht des Staates oder internationaler Organisationen, diese Unterstützung zu gewähren.

Die Schwächsten sind die Flüchtlinge. Erst am 10.5. 2019 ist vor der tunesischen Küste in internationalen Gewässern wieder ein Flüchtlingsboot untergegangen. 60 Leichen wurden aus dem Meer gefischt. Zeitgleich fordert Salvini – der Mastermind der Rechtspopulisten in der EU – drakonische Straffen für private Schiffe, die Flüchtlinge retten. Was die EU heute bräuchte, ist ein Parlament, das auf der Basis der Menschenrechte Beschlüsse fasst. Dann wäre es auch nicht zur verhängnisvollen Aussetzung der EU-Aktion „Sophia“ zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer gekommen.

  • Klimaschutz

Für rechtspopulistische Parteien ist Klimaschutz kein Thema. Im Gegenteil: Die FPÖ war im EU-Parlament die einzige Partei, die gegen die Klimaziele von Paris gestimmt hatte. Sie verfolgt konsequent eine Politik, die Maßnahmen gegen Klimaschutz konterkariert oder verhindert. Aber auch die ÖVP versagt im Kampf gegen die Erderhitzung. Dies wird beispielsweise deutlich, dass in der großen Steuerreform zunächst keine Ökologisierung vorgesehen ist. Zentrale Forderungen wie eine ökologischen Steuerreform wie eine CO-2-Steuer werden nicht genannt. So hinkt Österreich weit hinter den Vorgaben der Senkung der Treibhausgase. Dies wird dazu führen, dass Österreich zwischen 2021 und 2030 bis zu 6,6 Milliarden für den Ankauf von Emissionszertifikaten ausgeben müsste.

Immer geht es um ein Bündel an Maßnahmen, um die katastrophalen Auswirkungen der Klimaveränderung zu begrenzen. Dafür sind politische Maßnahmen dringen notwendig – wie beispielsweise durch eine ökologische Steuerreform (beispielsweise eine Forderung der Katholischen Aktion Österreichs). Das würde die Einführung einer CO-2-Steuer, der Erhöhung der Mineralölsteuer oder die Besteuerung von Kerosin beinhalten.

Damit die so notwendige ökologische Politik im Europaparlament beschlossen wird, braucht es dort entsprechend ökologisch orientierte Abgeordnete und Parteien. Dann wird es eine EU werden, die nicht die Transitproblematik in Tirol verschärft, indem sie beispielsweise eine Senkung der Brennermaut um 25 Prozent erzwang.

Klaus Heidegger, 12. Mai 2019