Besinnungsweg zu den Seligpreisungen – für Religionslehrer*innen

Der Evangelist Matthäus hat sich bei der Komposition der Seligpreisungen besonders bemüht. Ein kleines literarisches Kunstwerk ist es geworden. Genau durchdacht. Eine Poesie mit Tiefgang. Zuerst vier Seligpreisungen, die uns Menschen mit vier Seinsqualitäten vorstellen. Parallel dazu dann vier weitere Seligpreisungen, die vom vierfachen Handeln dieser Menschen erzählen. Es sind auch Herausforderungen, denen wir uns in unserem Unterrichtsalltag gerne stellen können. 

Selig sind die Armen (im Geiste): 

Die Seliggepriesenen sind erstens jene, die sich selbst mit ihrer ganzen Begrenztheit angenommen haben, die nicht zwanghaft nach einem Immermehr und Immergrößer streben und sich selbst und die Mitwelt dabei kaputtmachen.

„Arm im Geist“: das passt zu den „Vögeln im Himmel und den Lilien auf dem Feld“, die Jesus als Vorbild christlicher Lebenshaltung preist.

Das kann auch zutreffen für unsere Lebenswelt als Religionslehrer*innen: Dann, wenn wir zugeben, nicht alles selbst erreichen zu können, sondern vieles wird uns einfach geschenkt. Wir sind immer zugleich im Kontext der Schulen auch in eine Mangelsituation hinein gestellt. Gott begegnet uns dort nicht als der schon Vollkommene, sondern als jemand, der uns in seiner Bedürftigkeit braucht. Gott begegnet uns auch in der Armut unserer Schüler*innen oder auch in der Hilfsbedürftigkeit von Kolleginnen und Kollegen.

Arm sein vor Gott: wo, wann kann ich mich annehmen, so wie ich bin … auch zufrieden sein mit meinen eigenen Möglichkeiten; mich beschenken lassen … Gott liebt mich, so wie ich bin … ich muss nicht immer vorgeben, mehr zu sein, als ich bin; Gott selbst vollendet das, was ich begonnen habe. Von welcher Armut möchte ich erzählen? Von welcher Armut kannst du mir erzählen?

Selig sind die Traurigen:

Selig sind zweitens jene, die sich dem oberflächlichen Fröhlichkeitsdruck einer Keepsmiling-Gesellschaft widersetzen können, jene, die empfindsam bleiben für Ängste und Leiden, beides nicht länger verdrängen wollen.

Das passt zu den vielen Begegnungen Jesu mit den Menschen. Aufgrund seines Auftretens trauten sie sich, ihre Nöte hinauszuschreien, wie der Blinde Bartimäus, zu weinen, wie die missbrauchte salbende Frau und die Frauen am Kreuzweg. Das passt vor allem auch zu den Kindern, die von Jesus in den Mittelpunkt gerückt werden – wohl auch, weil sie so ungeniert weinen können.
Das passt auch zu uns, wenn es uns als Religionslehrer*innen gelingt, die Traurigkeit unserer Schüler*innen zu erkennen. Das kann auf unseren Unterricht zutreffen, wo wir dies ansprechen können. Das passt, wenn es in unserem Unterricht nicht um billigen Spaß geht, sondern auch der Ernst des Lebens zur Sprache kommt. Das passt auch dann, wenn wir als Unterrichtende selbst traurig sein dürfen, weil uns so manches nicht gelingt oder weil wir in unserem täglichen Bemühen versagen oder behindert werden.

Traurig sein: ich lasse mich berühren vom Leid in der Welt, von den Nöten der Menschen um mich herum; mein Lebensprinzip lautet nicht: Hauptsache „Spaßhaben“; ich lasse die Tränen zu!
Von welcher Traurigkeit möchte ich erzählen? Von welcher Traurigkeit kannst du mir erzählen?

Selig sind die Sanftmütigen:

Selig sind jene, die sanftmütig sind, die ihre Interessen ohne die Mittel der Gewalt verfolgen.

Das passt zum jesuanischen Gebot der Feindesliebe und seiner demonstrativen Gewaltfreiheit.

Das passt zur Art und Weise, wie wir versuchen im Unterricht sanftmütig zu sein oder wenn wir die Botschaft der Gewaltfreiheit vermitteln. Das passt, wenn es uns gelingt, ohne Druckmittel zu arbeiten und ohne auf die Mittel einer Schwarzen Pädagogik zurückzugreifen.

Sanftmütig sein: wie ist mein Umgang mit den anderen? Wann verletze ich andere mit Worten und Taten? Wann und wie kann ich so leben, dass ich anderen möglichst nicht weh tue? Von welcher Sanftmut möchte ich erzählen? Von welcher Sanftmut kannst du mir erzählen?

Selig sind die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit:

Viertens schließlich sind jene selig, deren Hunger und Durst nach Gerechtigkeit von den Gleichgültigen oder Pragmatikern nicht ausgetrieben werden können.

Das passt zum jesuanischen Prinzip des Teilens, wo mit sieben Broten und ein paar Fischen eine ganze Volksmenge satt werden kann.

Das passt zu uns Religionslehrer*innen, wenn es uns gelingt, mit den Schüler*innen die Sehnsucht nach Gerechtigkeit zu entwickeln.

Wir können uns heute fragen: Nach Hunger und Gerechtigkeit dürsten: wie sehr kreise ich nur um mich selber – wie sehr engagiere ich mich für andere? Von welchem Hunger nach Gerechtigkeit möchte ich reden?

Die zweite Hälfte der Seligpreisungen steht zur ersten wie Ursache und Wirkung. So folgt aus der Armut im Geist die Aktion für Menschen in Bedrängnis.

Barmherzig sein: Welche Menschen fallen dir aus deinem Schulalltag ein, die barmherzig sind? Warum würdest du sie als barmherzig bezeichnen?

So folgt aus der Fähigkeit zur Trauer das Streben nach Integrität.
Ein reines Herz haben: Entspricht mein Verhalten wirklich dem, was ich will. Gelingt es mir, authentisch zu unterrichten und zu leben?

So folgt aus der Sanftmut der Einsatz für den Frieden.

Frieden stiften: wie sieht mein Streitverhalten aus?

So folgt aus dem Gerechtigkeitshunger der selbstlose Einsatz für eine solidarische Welt.
Wo habe ich mich in meinem Religionslehrer*innendasein für Gerechtigkeit eingesetzt. Um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden. Bin ich bereit, auch dann noch die Wahrheit zu vertreten, wenn es Unannehmlichkeiten für mich mit sich bringen würde?

Die Seligpreisungen des Matthäusevangeliums sind Töne, die tonangebend für unser Leben als Religionslehrer*innen sind. In zahllosen Variationen können sie erklingen. Immer wieder. Zum Beispiel auch so:

  • Die bescheidene Annahme unserer eigenen Begrenztheiten im Unterrichtsalltag und als Individuen verführt uns zur Barmherzigkeit. So gehört uns das Himmelreich.

  • Die Fähigkeit zur Trauer lässt uns an den Ungereimtheiten in unserem Leben und unserer Schulen arbeiten. So wird unser Blick frei für das Wesentliche.

  • Eine gewaltfreie, sanftmütige Einstellung ermutigt uns zum Einsatz für den Frieden. So werden wir Söhne und Töchter Gottes.

  • Unsere zugelassenen, unverdrängten Sehnsüchte nach Gerechtigkeit fordern uns zu solidarischem Handeln heraus. So entsteht Gottes Reich – auch durch uns im Kontext der Schulen und des Religionsunterrichtes.

www.klaus-heidegger.at 1. Juli 2019