Begrenzungslinien und Absperrungen

Begrenzungslinien und Absperrungen

Grenzen gezogen mit der Härte der Vernunft
Mauern aufgestellt mit eisernem Willen
Zäune abgesichert durch Normen und Gesetze
das Herz hat nichts zu melden

die Welt hat ihre Ordnung
Emotionen werden beschwichtigt
Gefühle werden ertränkt
das Herz pocht stark und wild

Welt und Mensch funktionieren wieder
Ordnung und Sitte sind die Sieger
an der Oberfläche wird gelebt und gelacht
tief im Inneren weint das Herz

klaus-heidegger, 8.8.2019

Kunstintervention

Seit Anfang August 2019 stehen zwei Werke des Kramsacher Künstlers Alois Schild in der Marien-Theresien-Straße vor der Rokokofassade der Spitalskirche bzw. im Innenraum der Kirche. Die Skulptur vor der Kirche trägt den Titel „Prototyp der neuen Dimension“. Das zweite Werk im Inneren der Kirche wird „Korridor der Barmherzigkeit“ genannt. Es ist wohl kein Zufall, dass damit auch ein theologisches Programm verstrickt ist. Vor der Kirche in der politischen Wirklichkeit werden brutale Mauern aufgebaut. Die Kirche selbst möchte in ihrem Inneren dazu beitragen, dass Wege der Barmherzigkeit beschritten werden.

Brutale Mauer

Die 8-Meter-hohe Stahlskulptur entspricht originalgetreu jenen monumentalen Grenzbalken, die der US-amerikanische Präsident zwischen Mexiko und den USA errichten lässt. Im Endausbau wird diese Begrenzungsmauer rund 2,5 Millionen Tonnen Stahl und 12 Millionen Tonnen Beton benötigt haben.

Die rostbraune Stahlkonstruktion mit den klingenscharfen Ritzen fordert dazu auf, an die politischen Grenzziehungen zu denken, die in Europa und auch in Österreich stattfinden. Bewusst wird dieses Monumentalwerk bis zum Tag der Nationalratswahlen am 29. September stehen. Das Thema des Mauerbauens muss auch ein Thema in den Wahlkampfdiskussionen sein. Schon beginnen die Vertreter der bekannten Parteien mit ihrer ausgrenzenden Rhetorik.

Aber auch im privaten Bereich – bis hinein in die intimsten Zonen – gibt es dieses Mauerbauen mit messerscharfen Abgrenzungen.

Korridor der Barmherzigkeit

Das Werk im Inneren ist ein 12-Meter langer Maschendrahtzaun, durch den man wie in einem Korridor durchgehen kann und der in alle Richtungen durchsichtbar ist. Er ist wie eine Rettungsgasse, die offen ist zum Altar der Kirche. Im Maschendrahtzaun hängen noch 17 merkwürdige Gegenstände, die kaum definierbar sind. Es sollen Gegenstände darstellen von Menschen, die geflohen sind. Die wichtigste Aufgabe der Kirche – gerade angesichts der politischen Situation – bleibt es wohl, solche „Korridore der Barmherzigkeit“ zu schaffen und offenzuhalten, Brücken zu bauen und nicht Mauern und Zäune hochzuziehen. Dies gilt im privaten wie im politischen, in unseren Gemeinden sowie in der Kirche, in den Familien wie in Beziehungen und Freundschaften.