Barca Nostra – ein Flüchtlingsboot bei der Venedig-BIENNALE Teil 4 meiner BIENNALE-Reflexionen

Menschenmassen schieben sich durch Venedig
monströse Kreuzfahrtschiffe speien Tausende an Land
Hunderte Gondeln finden ihren Weg in den Kanälen
Prominente und Nichtprominente posieren im Venedig-Ambiente
luxuriöse Wassertaxis holen die Reichen
die Massen fahren mit den Vaporetti

am Rande des Arsenale-Ausstellungsgelände steht ein Wrack
jene die darin starben
mehr als 700 sind es gewesen
sie hatten kein Geld für Kreuzfahrten
sie konnten nie posieren
ihre Gesichter blieben unbekannt
nicht wie die Promis bei der Film-Biennale

Menschenleben ist nicht gleich Menschenleben
einige wenige frönen dem Luxus
leben in den Palästen am Canal Grande
besteigen ihre Luxusjachten
die Masse der Menschen
genießt, konsumiert, flaniert, produziert
es sterben die Habenichtse im Meer

ein Wrack rüttelt auf
Salvini schon weg
und es soll verschwinden
populistischer Machterhalt auf Kosten von Menschenleben
ein Menschenrecht auf Leben für alle
ein Recht auf Rettung aus Seenot muss gelten
vorbei das Sterben im Meer

klaus-heidegger, September 2019

 

Im April 2015 sank vor der italienischen Insel Lampedusa ein Flüchtlingsboot mit 700 Migrantinnen und Migranten an Bord. Das Boot wurde erst im Juni 2016 geborgen. Es befanden sich noch hunderte Leichen darin, darunter jene vieler Kinder und Frauen. Vom Schweizer Christoph Büchel wurde dieses Schiff geborgen und als Kunstwerk zur Biennale nach Venedig gebracht. Er gab ihr den Titel „Barca nostra“ – unser Schiff. Es ist unmittelbar an die Ausstellungshallen und Pavillons der Biennale im Arsenale aufgebockt. Mich hat diese „Kunstaktion“ mehr als jedes andere Kunstwerk bei der BIENNALE betroffen gemacht. Ich bin dankbar für dieses Mahnmal. Kunst wird zu einer moralischen Instanz, ist nicht Zeitvertreib, sondern will beitragen zu einer Veränderung dieser Welt. Ähnlich wie die Installation vor der Spitalskirche in Innsbruck im Sommer 2019 fokussiert die „Barca Nostra“ das Gefühl und das Nachdenken auf die wichtigsten politischen Herausforderungen. (klaus-heidegger)