Amazonien-Synode
Die Amazonien-Synode, die in den letzten drei Oktoberwochen 2019 im Vatikan stattfand, hat die Diskussionen über die Zulassungsbedingungen zu den Ämtern in der katholischen Kirche neu belebt. Die Ergebnisse der Synode und die daran anschließenden Schlussfolgerungen seitens der Ortsbischöfe geben wenig Anlass zur Hoffnung auf eine dringend notwendigen Änderung der kirchlichen Strukturen. Wenn es allerdings der Kirche aufgrund längst überholter Zulassungsbedingungen erstens nicht gelingt, gleiche Rechte für Frauen und Männer zu realisieren, und zweitens eine lebensnahe Pastoral vor Ort zu verankern, dann wird die Kirche nicht jenes Zeichen und Werkzeug sein können, um die großen politischen Herausforderungen anzupacken, die bei der Amazonien-Synode eindrucksvoll benannt wurden. Eine Kirche, die aufgrund ihrer Strukturen unglaubwürdig wirkt, steht sich selbst im Wege und verrät damit ihren Weltauftrag. Wenn Bischöfe sich auf das Message Control festgelegt haben, dass eine Veränderung der Kirche nicht von den Strukturen abhänge, so stimmt es nur teilweise. Tatsächlich muss auch gesagt werden, dass Strukturen einer geistigen Erneuerung der Kirche und ihrem Aufbruch im Wege stehen können.
Viri probati oder personae probatae
Die Amazonien-Synode hat mit äußerster Vorsicht angeregt, über die Zulassung bewährter verheirateter Männer zum Priesteramt nachzudenken – dies aber nur in Ausnahmesituationen und für Diakone. Ein bereits vor Jahrzehnten gemachter Vorschlag wurde auf dem Hintergrund des so genannten Priestermangels neu aufgelegt. Was bedeutet er aber konkret? Ein Beispiel aus meiner näheren Umgebung kann dies illustrieren.
Im gleichen Seelsorgeraum arbeiten in unterschiedlichen Pfarren eine Pfarrkuratorin und zwei Pfarrkuratoren. Alle sind gleich qualifiziert, haben gleiche Verantwortungsbereiche, sind fast gleich lange im Dienst der Kirche, haben den gleichen Pfarrer als Pfarrmoderator. Ein Pfarrkurator konnte sich zum Diakon weihen lassen und wäre wohl ein „vir probatus“, würde also gut in dieses Konzept passen. Anders aber die Pfarrkuratorin. Ihr bliebe sowohl der Weg zum Diakonat verwehrt und eine „femina probata“ wird ja nicht überlegt. Der Blick nach Amazonien zeigt noch diese Wirklichkeit noch viel schärfer. Dort sind es vor allem Frauen, die die Gemeinden leiten und dafür sorgen, dass auch ohne Priester die wichtigsten kirchlichen Grundvollzüge am Leben erhalten werden. Warum soll für sie nicht noch mehr gelten, was für Männer angedacht ist?
Das Konzept von „viri probati“ ist zum einen also ein Weg, der nicht in Richtung Gleichberechtigung führt, sondern die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen in der Ämterfrage einzementiert. Zum anderen wird in diesem Konzept auch nicht die grundlegende Frage nach dem Weihecharakter des Priesteramtes gestellt.
Der Pastoraltheologe Michael Zulehner wählt demgegenüber mit der Petition „Amazonien auch bei uns!“ einen anderen Weg. Um die „Wunde des Priestermangels“ zu heilen und damit auch den „eucharistischen Hunger“ zu stillen, brauche es die Schaffung von Priestern neuer Art in lebensfähigen Gemeinden.“ An erster Stelle müssten die „lebendigen Gemeinden“ sein, die dort entstünden, wo „kein Mitglied unberufen und unbegabt ist“. Nicht um bewährte Männer („viri probati“), sondern bewährte Personen („personae probatae“) – also Männer und Frauen – müsse es daher gehen. Damit schlägt Zulehner einen Weg vor, bei dem auch Frauen über das Diakonat zum Priesteramt kommen können. Diese Personen sollen von den Gemeinden bestimmt werden und aus ihnen herauswachsen.
Festhalten am Zölibat als priesterliche Lebensform
Unbeirrbar geben die heimischen Bischöfe vor, an der Zölibatsverpflichtung für Priester festzuhalten. Dabei zeigt sowohl der Blick auf die pastorale Situation hierzulande wie auch auf andere theologische Aspekte, dass Ehelosigkeit und Priestersein nicht mehr gekoppelt aneinander gesehen werden sollten.
Die Aufhebung des Zölibats könnte dazu führen, dass die vielfältigen Berufungen zu einem priesterlichen Dienst ernst genommen werden. Männer, die sich zwar zu einem priesterlichen Leben berufen fühlen, den Zölibat aber nicht leben können, könnten die großen Lücken füllen, die in unseren Pfarren sowie in der kategorialen Seelsorge bestehen. Der Blick auf die priesterlosen Gemeinden, die immer größer werdenden Seelsorgsräume, die Reduzierung der Eucharistiefeiern oder auf Priester, die bis ins hohe Alter für immer noch mehr Gläubige zuständig sind, wirft nicht erst heute die Frage auf, ob die verpflichtende Ehelosigkeit für römisch-katholische Priester wirklich die Antwort für eine missionarische Kirche der Gegenwart und Zukunft ist. Solange jedenfalls die Sakramente als Wesensmerkmale der römisch-katholischen Kirche an das Priesteramt geknüpft sind, werden immer weniger Priester dafür sorgen müssen, dass das Recht der Gemeinden auf die Sakramente von der sonntäglichen Eucharistiefeier bis zur Krankensalbung gewährleistet werden kann. Gläubige in diesem Land brauchen die Sakramente, v.a. die Eucharistie – aber auch die Krankensalbung. Sie brauchen keine anonyme Versorgung mit Sakramenten von „Blaulichtpriestern“, sondern Seelsorger, die mit den Menschen vor Ort unterwegs sein können.
Freilich ist der Mangel an Priestern – diesen gibt es tatsächlich und er kann nicht wegdiskutiert werden – nicht das einzige Motiv, warum Zölibat und Priesteramt entflochten werden sollten. Die Entkoppelung von Priesteramt und Zölibat würde weiters bedeuten, dass das Charisma der Ehelosigkeit, das manche in der Nachfolge Jesu wählen, durch den Charakter der Freiwilligkeit stärker akzentuiert würde. Die Bedeutung der freigewählten Ehelosigkeit für Ordensleute würde ebenfalls unterstrichen und nicht vermischt mit dem Zölibatsgesetz für weltliche Priester.
Priester, die ihrer Berufung treu bleiben und zugleich aber für sich den Wert von Partnerschaft erfahren, würden nicht in untragbare Widersprüche geraten. Hinter der Zölibats-Frage stehen Geschichten von Männern und deren Beziehungen – also auch die Geschichten von Priester-Frauen und deren Kinder. Es sind Biographien von Männern, für die ein Leben als Priester nicht auch gleichbedeutend war mit einem Leben ohne Partnerschaft.
Unabhängig von pastoralen Erwägungen würde auch der Stellenwert der Sexualität in der römisch-katholischen Kirche eine besondere positive Aufmerksamkeit erlangen. Wenn Sexualität und Spiritualität auseinander gerissen werden, kann das Herz zerreißen. Wenn es stimmt, dass Sexualität eine Quelle der Spiritualität sein kann, dann kann diese Dimension auch positiv in das Leben von Priestern integriert werden.
Festhalten am Ausschluss von Frauen von der Ordination
Wenn über die Entkoppelung von Weihe und Ehelosigkeit für Männer nachgedacht wird, so muss dies zugleich immer verbunden werden mit der Forderung, Frauen den Zugang zum Diakonat und Priesteramt zu ermöglichen. Die Verdrängung der Frauen von diesen Ämtern ist Sexismus, weil es eine Selektion aufgrund des Geschlechts ist, bleibt somit eine Wunde in der Kirche, die völlig im Widerspruch steht zur Stellung der Frauen im Neuen Testament und der Jesusbewegung. Damit soll die Zulassung der Frauen zum Weiheamt nicht so sehr aufgrund eines Weihemangels geschehen, sondern aus Gründen einer viel tieferliegenden Gendergerechtigkeit, die dem Wesen des Evangeliums entspricht.
Gleichzeitig mit geänderten Zugangsbedingungen zum Weiheamt muss zurecht vor der Gefahr des Klerikalismus gewarnt werden, die Papst Franziskus schon öfters angesprochen hat. Nur Frauen als Priesterinnen zu weihen und Männern im Priesterdienst die Ehe zu ermöglichen könnte tatsächlich auch bedeuten, dass Aufgaben, die gegenwärtig aufgrund des Mangels an Priestern auf viele Gläubige verteilt werden, wieder auf Kleriker konzentriert werden könnten.
Im Abschlussdokument der Amazonien-Synode werden Diakoninnen nicht explizit genannt. Es klingt fast wie eine Vertröstung, wenn es nun heißt, diese Frage sei weiter im Gespräch. Braucht es noch „Studienkommissionen“, um zu klären, ob Frauen in der Kirche Männern gleichberechtigt sein können? Sollen Frauen mit der Aufwertung ihrer Tätigkeitsfelder außerhalb der Ämterfrage quasi abgespeist werden? Jedenfalls macht es kein gutes Bild, wenn Frauen bei der jüngsten Synode kein Stimmrecht hatten und aus dem Abstimmungsprozess ausgeschlossen wurden.
Bereitschaft zur Reform
Ob es die Abschaffung des Zölibats ist oder die Frage der Ordination der Frauen: Es sind Anliegen, die Laienorganisationen an die Ortsbischöfe vorlegen. Theologen und Theologinnen, kirchliche Reformbewegungen, Pfarrerinitiativen und Laienorganisationen verlangen seit vielen Jahren ein Konzil, in dem die Kirche den Mut hat, sich den neuen Herausforderungen auf der Basis des Evangeliums anzupassen. Als einer der Wünsche für die Jugendsynode im Vatikan wurde von einem jugendlichen Teilnehmer formuliert: „Pfarrer sollen heiraten dürfen, auch Frauen sollten Pfarrer werden.“ Das sei notwendig für die Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit der Kirche. Eine Änderung der Kirchenstrukturen kann Hand in Hand gehen mit dem missionarischen Aufbruch, der jetzt schon möglich ist. Zölibat und der Ausschluss der Frauen von den Weiheämtern bleiben Stolpersteine, die im Weg dieses Aufbruchs liegen.
Klaus Heidegger, November 2019