in einer Welt
die bedroht ist von nuklearem Feuer
die erhitzt ist von dem Feuer der Gier
in der die Wälder brennen
in der die Polkappen schmelzen
in der die Wasserspiegel der Meere steigen
will ich achtsam sein wie Christophorus
will wie er die Not erkennen
will dich auf der Schulter tragen
will dich über die gefährlichen Wasser bringen
will stark sein für dich
weil ich dich liebe!
k.h., 24.7.2020
Christophorus
Wenn ich durch meine Heimat – und sie ist nicht nur nördlich von Reschenpass und Brenner – radle, kann ich bei vielen Kirchen und Kirchlein nicht einfach vorbei fahren. Da sucht meine Seele etwas Ruhe. Oft sind die Türen der älteren Kirchen gesperrt, doch eine Gestalt bleibt meist nicht verborgen. Sie ist unübersehbar auf den Außenwänden der Kirche. Ich kann zu ihr im doppelten Sinne aufschauen. Christophorus. Christusträger. Nothelfer. Riese.
Christophorus ist zwar kein Heiliger, über den ein spezifisches vitum curriculum geschrieben werden könnte, und dennoch ist er real-biographisch begreifbar in Abertausenden Menschen bis heute. Christophorus als Gestalt, die ausgestattet mit übernatürlich-natürlichen Kräften ihre Gegner nicht tötet, sondern vom Glauben an Christus überzeugt; die nicht dem teuflischen Fürsten Dienst erweist, sondern dessen Verderblichkeit erkennt; die nicht nur viele große Worte macht, sondern ein Tatmensch ist; die helfen möchte, dass niemand in den reißenden Wassern zu Tode kommt.
Die ikonographische Darstellung der legendarischen Gestalt ist eindeutig. Ein hünengroßer bärtiger Mann mit äußerst kräftiger Statur trägt auf seinen Schultern ein Kind über einen reißenden Fluss. In der einen Hand stützt er sich auf einen Stab, der oftmals die Dimension eines Baumstamms haben kann. Meist schmiegt das Kind liebevoll seinen Arm um den Kopf des Riesen. Mit seinem Heiligenschein und oftmals der segnenden Geste der rechten Hand ist es als Jesuskind definiert.
Auch aufgrund der aktuellen Ereignisse in meiner Kirche – ich denke an die jüngste Instruktion über die Rolle der Laien in den kirchlichen Verantwortungsebenen – ermutigt mich die Christophorus-Geschichte. Das kirchliche Lehramt wollte den Kult des Christophorus verbieten. Regionale Synoden entschieden, dass er nicht mehr verehrt werden dürfe, weil er ja kein richtiger Heiliger sei. So wurde er vor 60 Jahren aus dem offiziellen Heiligenkalender gestrichen. Doch die Christophorus-Verehrung verschwand nicht. Die vatikanische Logik setzte sich nicht durch und nahm schließlich Christophorus wieder ins Martyrologium Romanum auf. Es ist zu hoffen, dass auch die klerikal-patriarchale Sonderwelt sehr bald überwunden sein wird.
Mit Blick auf die Zerstörungsrealitäten in unserer Welt taugt der Name Christophorus nicht für das Mindset einer Automarke, die zum Sinnbild für möglichst schnelle Autos steht. Eine Gestalt, die Christus trägt, trägt nicht jene Kräfte, die zur Zerstörung des Planeten beitragen. Hubschrauber, die unter der Bezeichnung Christophorus Verletzte bergen, passen dann wohl eher zu diesem Volksheiligen.
Heute, an seinem Gedenktag, möchte ich jedenfalls meinen Blick zu Christophorus heben und beten, dass ich selbst genug achtsam sein kann, um zu erkennen, wo es mich braucht, dass ich stark sein kann, um dann zu helfen. Und dann wieder wünsche ich mir auch selbst Christophorus, wenn es gilt, reißende Wasser zu überwinden.
Klaus Heidegger, 24.7.2020