biblisches Role Model

die namenlose Frau
keine Frau aus dem erwählten Volk
keine aus der eigenen Gemeinschaft
aus einer kulturellen Ordnungsperspektive:
zunächst die andere
die Andersgläubige
die Ausländerin und Fremde

die namenlose Frau
kämpfend für die Rechte von anderen
selbstlos in ihrem Einsatz
widerständisch gegen Unrecht
selbst kundig der heiligen Schriften
nicht auf den Mund gefallen
aufrecht und gewaltfrei

die namenlosen Frauen mit ihren vielen Namen
wie die Frau aus einer Stadt im heutigen Libanon
sie begegnen uns wie ein roter Faden in der Bibel
die hebräischen Sklavinnen am Beginn des Exodus
Mirjam beim Durchzug durch das Meer
Ruth und Noemi solidarisch geeint
Maria von Magdala am Kreuzweg und als Zeugin der Auferstehung

sie begegnen uns in der Geschichte
wie die Suffragetten im Einsatz für Frauenrechte
wie die Frauen der Rosenstraße in Berlin
wie die Madres de Plaza de Mayo für ihre verschwundenen Männer
wie die russischen Soldatenmütter gegen die Einberufung ihrer Männer
wie Frauen heute gegen das weißrussische Regime
wie Malala oder Getra Thunberg

die namenlose Frau aus Tyros und Sidon
sie hat viele Namen
widerständisch
aufständisch
seelenstark
aufrecht
mutig

klaus.heidegger, 16.8.2020
(zum Sonntagsevangelium, Mt 15,21-28)
Bild: auf dem Weg zum Similaun, Eis-Fels-Pyramide im Hintergrund, 3614m, 15.8.2020

Matthäusevangelium: Kapitel 15

21Jesus ging danach von dort weg und zog sich ins Gebiet von Tyrus und Sidon zurück. 22Und seht, eine kanaanäische Frau aus jener Gegend kam herbei und schrie: »Nimm dich meiner an, °auf dich höre ich! Bist du doch °Nachkomme Davids. Eine schlimme und unheimliche Krankheit hat meine Tochter gepackt.« 23Jesus antwortete ihr mit keinem Wort. Seine Jüngerinnen und Jünger kamen dazu und baten ihn: »Befreie sie davon, denn sie schreit hinter uns her.« 24Er widersprach: »Ich bin nur zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel gesandt.« 25Sie aber kam, fiel vor ihm nieder und sagte: »Ich höre auf dich, hilf mir.« 26Er antwortete: »Es ist nicht gut, den Kindern das Brot zu nehmen und es den Hunden hinzuwerfen.« 27Und sie entgegnete: »Ja, doch ich gehöre dir und die Hunde fressen von den Krümeln, die vom Tisch der Menschen fallen, denen sie gehören.« 28Da antwortete Jesus und sagte zu ihr: »Frau, dein Vertrauen ist groß. Es geschehe dir, wie du willst.« Und ihre Tochter war von diesem Augenblick an geheilt.