Nachdenken über das Leiden und die Sterblichkeit der Menschen in einer besonderen Zeit

Heute, am 250. Geburtstag eines der größten Komponisten der Weltgeschichte, Ludwig van Beethoven, könnten wir mit seiner Biographie beginnen, wenn wir über das Sterben von Menschen nachdenken. Das Leben von Beethoven, so steht es wahrscheinlich in den Tausenden musiktheoretischen Abhandlungen, war geprägt von Genie einerseits und dem Erfahren von körperlichem und seelischem Leid andererseits. Und sicherlich hängt auch beides zusammen. In einer der dunkelsten Phase seines Lebens, gezeichnet von seinem mit Blei vergifteten Körper, Beethoven spürte wohl sein Sterben, ganz ertaubt, komponierte er noch sein grandioses Meisterwerk, die 9. Sinfonie mit dem so hoffnungsvollen Schluss der „Ode an die Freude“. Das Musikstück und seine literarische Vorlage von Friedrich Schiller bewegen bis zum heutigen Tag die Seelen von uns Menschen, gerade weil es die Kraft von Liebe und ungelebter Liebe, von einem Willen zum Leben und der Erfahrung von Leid, von beengender feudaler Gesellschaft und dem Streben nach Freiheit zum Ausdruck bringt.

Wir könnten an die Biographien vieler großartiger Menschen erinnern, die angesichts von großem Leid, angesichts der Tragik menschlichen Lebens und selbst bei großen körperlichen Beeinträchtigungen nicht danach riefen: „beendet mein Leben und damit mein Leiden“.  Sie schufen Großartiges. Ich denke an Stephen Hawking. Die ständige Aussicht auf seinen Tod schüchterte ihn nicht ein, sie trieb ihn an. Noch gefangen in einem kraftlosen Körper strotzte sein Blick vor Lebensfreude. Er hat es nicht eilig gehabt zu sterben. Sicherlich war es ihm auch gegönnt, gerade inmitten seiner Beeinträchtigungen die Liebe einer Frau geschenkt zu bekommen. Ich denke an Frida Kahlo und ihre großartige Malerei, die sie unter großen körperlichen Qualen geschaffen hatte.

In dieser Zeit der Pandemie werden wir mit der Verletzlichkeit des menschlichen Lebens und damit auch der Sterblichkeit in einer in unserer Generation noch nie dagewesenen Weise konfrontiert. Täglich neu lesen wir in einer Spalte der lokalen Tageszeitung die Zahl der Covid-Toten: „Zahl der Verstorbenen: 417“ – so steht es heute in der Tiroler Tageszeitung. Und österreichweit starben gestern, am 15. Dezember 2020, 116 Menschen aufgrund einer Covid-Erkrankung. Inmitten von dieser Zeit, in der angesichts von Intensivstationen, in denen die Betten schon knapp geworden sind, in denen Covid-Erkrankte um ihr Leben kämpfen und eine Diskussion um „Triage“ stets im Hintergrund ist, in diese Zeit fällt die neue Diskussion um „Sterbehilfe“. Und damit auch die Frage: Wie gehen wir, wie geht die Gesellschaft mit dem Leiden und dem Sterben um?

Klaus Heidegger, am 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven

Kommentare

  1. An diesen Beispielen kann man gut sehen dass Menschen auch in körperlich, seelischem Leid einen Sinn finden und diesen auch verwirklichen. Natürlich lässt sich dies nicht auf alle Menschen in Leidsituationen übertragen aber es kann Mut und Kraft geben wenn man bereit ist dies anzunehmen wie es ist. (Worte von einem kürzlich verstorbenen Freund) Danke Klaus für dein Nachdenken.

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