Was stünde in einem Katechismus, einem Lehrbuch der Kirche, geschrieben mit der Feder der Liebe, über Menschen gleichen Geschlechts, die sich lieben auch mit der sexuellen Sprache ihrer Körper? Nicht mehr würde verboten werden ein Segen, der liegt in ganzheitlicher Annahme, in wertschätzendem Zusammensein und in achtsam-zärtlichen Begegnungen. Dort wäre als erstes geschrieben: Gott ist die Liebe, in ihr liegt göttliche Gegenwärtigkeit. Solches Statement wäre der Ausgangspunkt aller Überlegungen. Diese Liebe ist bunt, ist bunt wie der Regenbogen, ist hetero oder schwul oder lesbisch oder queer, lässt sich orten vor und nach und in und außerhalb der Ehe, ist dort zu finden, wo Liebe nicht besitzergreifend ist, sondern befreit, wo Liebe nicht einengt, sondern frei macht, wo Liebe nicht selbstsüchtig ist, sondern sich hingibt.
Wie wäre die Verkündigung der Kirche, die fortführte die Botschaft der Bibel? Sie erzählte von Adam und Eva, die sich ihrer Nacktheit nicht schämen mussten, und von einer Gottkraft*, die zufrieden das Schöpfungswerk betrachtete und meinte, es sei „sehr gut“, damals im Garten Eden, als sie die Menschen in ihrer irdenen Nacktheit sah. Solche Verkündigung würde neu erklingen lassen das Hohe Lied der Liebe und sie würde mit dem Apostel Paulus formulieren, „aber das Größte von allem ist die Liebe“. Diese Verkündigung nähme die Menschwerdung des Göttlichen ganz ernst, ein Gott* mit Haut und Haaren, wo Leiblichkeit nicht verteufelt wird, sondern Himmlisches sich mit Erde verbinden darf.
Wie wäre eine Moraltheologie, die berücksichtigte die Erkenntnisse der Wissenschaft? Sie klassifizierte Homosexualität nicht als anormal, sondern betrachtete sie gleichwertig wie Heterosexualität. Anormal wären dann jene kruden Theorien ewig gestriger Männer, die Homosexualität als heilbare Krankheit bezeichnen. Als bodenlose Dummheit wären erkannt jene Sätze, die zwar Homosexualität nicht mehr verteufeln, zugleich aber sexuelle Ausübung ebendieser als Sünde bezeichnen. Endlich würde aufgegeben jenes längst überholte naturrechtliche Konstrukt, dass Sexualität stets offen sein müsste für Nachkommenschaft.
Wie wäre eine kirchliche Pastoral, die sich nicht länger mit schönen Worten zufriedengäbe? Sie würde jeglicher Diskriminierung in kirchlichem Handeln gegenüber Homosexuellen begegnen. Man würde nicht mehr Segnungen für wiederverheiratet Geschiedene oder unverheiratete heterosexuelle Paare erlauben, solche für Homopaare aber verweigern wollen. Man würde Segnungsfeiern für Paare nicht an der geschlechtlichen Orientierung aufhängen und selbst eine kirchliche Trauung und Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wäre „normal“.
Wie wäre ein Religionsunterricht, in dem verantwortungsbewusst mit Schülerinnen und Schülern an den Fragen der Sexualität aus religiös-kirchlichen Perspektiven gearbeitet wird? In den Klassenzimmern müsste nicht länger die Kirche verteidigt werden, als seien alle in ihr homophob, man würde endlich auch mit den Heranwachsenden das Thema der Verantwortung in Fragen der Empfängnisverhütung ansprechen können, ohne mit dem Vorurteil konfrontiert zu werden, die Kirche würde doch jeden Sex außerhalb der Ehe verbieten.
Ich glaube an eine Kirche, die schuldbewusst die homophoben Verirrungen der Vergangenheit erkannt hat und heute umso mehr jeglichen strukturellen Diskriminierungen begegnet. Sie sieht die Sünde dort, wo Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen strukturell benachteiligt oder ausgeschlossen werden. Dann wird meine Kirche eine regenbogenbunte sein, in der Gott* in ganzer Buntheit ein Zuhause hat.
Ich sehe diese regenbogenbunte Kirche in all den Menschen, die hier und heute klar sagen: Nein zu einem Verbot von der Segnung homosexueller Paare. Der Widerstand wird gelebt, wo gerade jetzt Priester und Bischöfe sagen, wir lassen uns diesen Segen nicht verbieten, wo kirchliche Initiativen gemeinsam mit LGTBQ*-Initiativen auftreten, wo Regenbogenfahnen von Kirchtürmen wehen und mit bunter Kreide Regenbogen vor die Kirchenportale gemalt sind. Der sensus fidei, das prophetische Wirken des Heiligen Geistes, lässt sich durch römische Dekrete nicht aufhalten.
Klaus Heidegger