Ein Sonntag im April. Bergsteigerdorf Praxmar. Frühmorgens knapp nach sechs. Bachstelzen sind munter in ihrem wippenden Flug über die Schneefelder. Föhnstimmung liegt in der Luft. Wird der Wind die Wolken noch zurückhalten können? Vor uns wählen zwei extremere Skitourengeher eine Steilflanke hinauf zum Grat am Zischgeles. Wir gehen den Normalanstieg zu einem der großen Skitouren-Klassiker. Angst vor Lawinen brauchen wir bei der heutigen Lawinenwarnstufe keine zu haben. Trotzdem haben wir unsere LVS-Ausrüstung dabei. Beim Weggehen piepst die Kontrollstelle und gibt grünes Licht. Da sind viele Spuren vom Vortag. Gedankenversunken und in moderatem Tempo ziehen wir unsere Kurven hoch auf 3000 Meter. Meine Gedanken kreisen um das heutige Sonntagsevangelium und den Kommentar, den ich dazu geschrieben habe und um die Art und Weise, wie ich dazu mit meinen Schülerinnen und Schülern morgen arbeiten möchte. Für den Gipfelaufbau bin ich wieder froh um meine Steigeisen. Sie geben halt mehr Sicherheit. Tatsächlich hält der Wind noch die dicken Regenwolken aus dem Süden zurück. Die hohen Gipfel der Stubaier und Zillertaler Alpen sind wie eine Mauer. Dahinter ist es düster, bei uns scheint noch die Sonne. Heute sind nur wenige Tourengeherinnen und Tourengeher unterwegs. Der Wetterbericht hielt wohl viele ab. Mit uns ist noch ein junges verliebtes Paar am Gipfel. Wir fahren die ersten Hänge hinunter und beschließen dann spontan mit den anderen zwei, die lange Querung hinüber zur Lampsenspitze (2875m) zu nehmen, die wir zum Abschluss noch besteigen. Zusammen waren es 1900 Höhenmeter. Auf der Lampsenspitze ist mehr los. Der Südostgrat ist fast ganz schneefrei. Inzwischen ist auch die Sonne von den Wolken verdeckt. Wir ziehen im butterweichen Sulz über die vielen Kuppen und Hänge unsere Schwünge zurück nach Praxmar.