Ich kann verstehen, wenn Menschen aufgrund ihrer eigenen Homosexualität oder in Solidarität mit gleichgeschlechtlich liebenden Menschen enttäuscht sind, weil eine vatikanische Behörde im März 2021 – nein, nicht irgendwann im Mittelalter – meinte, dass es „nicht erlaubt“ sei, homosexuelle Partnerschaften zu segnen, da solche Verbindungen „nicht als objektiv auf die geoffenbarten Pläne Gottes hingeordnet anerkannt werden“ könnten. Es gibt dennoch so viele Gründe, trotzdem nicht aus der Kirche auszutreten. Dies würde nur manche ewiggestrigen homophoben Kräfte stärken.
Meine römisch-katholische Kirche ist nicht gleichzusetzen mit dem Vatikan, mit dem Papst, den Kardinälen und all den Kurien und Behörden. Aus dieser Kirche könnte ich austreten.
Meine Kirche ist zunächst dort, wo der Glaube an die befreiende Kraft des Evangeliums gelebt wird. Diese Kirche erfahre ich als Heimat, wo wir über die erfahrene göttliche Gegenwärtigkeit reden, wo wir die biblische Botschaft mit Blick auf unser Leben und diese Welt reflektieren, wo wir im Zusammenhalt, in Solidarität, in wertschätzender Zuwendung und im Dienst füreinander da sind. Sie beginnt dort, wo wir von „Hauskirche“ sprechen – beispielsweise im Kreis der Familie; Kirche wird gelebt in Basisgruppen, wo wir im Kreis sitzen, die Bibel in unserer Mitte, und die biblischen Texte mit unserem Leben verbinden und dann das Brot teilen. Meine Kirche erfahre ich aber auch vielfältig in kirchlichen Organisationen, bei denen ich mich selbst engagieren kann, im politischen Engagement der Katholischen Aktion, in der Männerarbeit der Katholischen Männerbewegung oder auch in der Pfarrgemeinde. Aus all diesen wirkmächtigen Kirchenerfahrungen kann und will ich nicht austreten – sondern sie verknüpfen mit der weltweiten Gemeinschaft, die sich „allumfassend“ nennt.
Mein Glaube und meine Erfahrung decken sich in manchen Punkten nicht mit Äußerungen vatikanischer Behörden, mögen sie auch unterschrieben sein mit der Feder jenes Mannes, der Pontifex – Brückenbauer – sein möchte. Wenn irgendwer in dieser Kirche gleichgeschlechtlich liebenden Menschen den Segen abspricht, dann weiß ich: dies ist nicht „meine“ Kirche, die mir Heimat ist. Dies ist die Meinung eines in Purpur gekleideten Patriarchen und seiner Höflinge, entspricht aber längst nicht jener Position, die an katholischen Universitäten gelehrt und vor allem auf tausendfache Weise an den unterschiedlichsten katholischen Lebensorten praktiziert wird. Kirche wird auch lebendig in den vielen Segnungsgottesdiensten für homosexuelle Paare und im offenen Widerspruch von Priestern, Verbänden und Lehrenden an den katholischen Fakultäten. Sie alle sagen und zeigen klar und deutlich heute: Der göttliche Plan ist es, dass Liebe gelebt werde. Weil dies alles in der Kirche geschieht, gibt es keinen Grund, eine solche Kirche zu verlassen, sondern diese Kirche zu stärken. Die scheinbare Macht mancher Kardinäle wird machtlos, wenn wir nicht aus der Kirche austreten, sondern jene andere Kirche leben.
Klaus Heidegger, 11.5.2021
Ich sehe das auch so Klaus. Auftreten statt austreten. Es braucht aber ein gutes spirituelles, religiöses Umfeld der Achtung und Wertschätzung. Das finde ich in der Kath. Pfarre, Katholische Aktion,… Gott sei Dank.
danke für die Rückmeldung, lieber Anton!