Zitronenduft statt Modergeruch: Bilder einer Ausstellung zu Petrus Canisius – Objekt 1

Eine unscheinbare Installation

Bei meinem ersten Besuch der Installationen zum Petrus Canisius-Jahr ließ ich mich einfach leiten von meinem eigenen Wahrnehmen und den Assoziationen, die die Spitzenwerke moderner zeitgenössischer Kunst in mir auslösten. Ich wollte gar keine Beschreibungen lesen. Keine Interpretation anderer Menschen sollte mein eigenes Wahrnehmen und Empfinden beeinflussen. Vielleicht blieb auch deswegen eine Installation ganz in der südöstlichen Ecke der dunklen Schneiderkirche unbeachtet. Vielleicht auch deswegen, weil die beiden Videoinstallationen, die in dieser Kirche positioniert wurden, so viel Aufmerksamkeit an sich ziehen.

Eine längst vergessene Kirche

Die Schneiderkirche steht unbeachtet ganz im Schatten der großen Pfarrkirche St. Nikolaus. Erst die Ausstellung zu Petrus Canisius bringt dieses alte Kirchlein nun wieder ins Licht einer Aufmerksamkeit, weil es als einer der Ausstellungsorte ausgewählt worden ist. Die Fassade wirkt vergammelt. An ihr befinden sich Bilder, auf die ich in einem der nächsten Beiträge eingehen möchte. Ja, man vermutet gar keine Kirche dahinter, eher eine Lagerhalle. Tatsächlich wurde sie über Jahrhunderte als Depot benützt. An der Südfassade, hinter einem provisorischen Bauzaun, kann man noch eine Säule erkennen und darauf die abbröckelnden Reste eines Freskos. Hubert Salden, der Kurator der Ausstellung, erklärt, dass er zunächst jeden Ort genau ausgesucht habe und dann die Installation, die mit diesem Ort in einer Kommunikation steht und zugleich hat beides für ihn die Funktion, fast selbsterklärend Licht auf die Gestalt des Petrus Canisius und seiner Bedeutung für die Kirche bis zum heutigen Tag zu werfen.

Ein offener Schrank mit duftenden Zitronen in leuchtendem Gelb

Die Künstlerin Eva Grubinger hat in einen alten, fast schon zerbrechlich wirkenden Sakristeikarten frische Zitronen gelegt. Im Dunkel der Kirche leuchten sie in strahlendem Gelb. Der frische Duft soll aufwecken, soll die Gedanken und die Seele erfrischen – so wie die vielen Kosmetika, die mit Lemonenduft und Zitronenfrische ein lustvolles Aufgewecktwerden versprechen. Zitronen gelten landauf landab auch als einfaches Hausmittel gegen üble Gerüche. Wichtig ist: Die Tür des Kastens ist weit offen. Der Duft kann hinaus. Das Licht kann hinaus. Die hölzerne Rückwand des Kastens hat einen Riss. Helles Licht fällt durch die Ritze, die sich von oben bis unten zieht.

Gerade so soll wohl auch die Kirche sein. Die Türen sind weit offen – so wie zu Pfingsten. Da kommt nun Frische hinein – und Licht – und Farbe. Es wird eine Kirche sein, die duftet und nicht nach Leichen im Keller stinkt. Es wird eine Kirche sein, die Licht in die Dunkelheiten dieser Welt bringt. Dafür steht ja auch die Säure im Saft der Zitronen, die als Batterien für kleine Lampen dienen können.

Die Installation des mit Zitronen bestückten Sakristeikastens lässt mich ermutigt zurück. In Gedanken nehme ich mir jetzt eine der Zitronen und werde sie in meine Tasche stecken und an jene Kirchenorte bringen, die Frische und Duft benötigen. Hubert Salden meinte kritisch beim Hinausgehen, diese Kirche würde ganze Kisten von Zitronen brauchen – und die Diözese sollte sich diese leisten können.

Klaus Heidegger, 23.5.2021