Die höheren Gipfel stecken schon im Schnee. Manche Gipfelanstiege bleiben im Schatten. Doch es gibt sie noch, bevor der Schnee kommt: Gipfelziele ohne Schnee und Schattenanstiege am Ende des Novembers. Einer davon steht als Vorgipfel vor der unnahbaren Wechselspitze und vor dem alles beherrschenden Bettelwurfmassiv noch weiter dahinter. Sie heißt einfach: „Hüttenspitz“ und ist 1858 m hoch. Eigentlich hat diese Spitze zwei Namen. Manche nennen sie auch Halltaler Zunterkopf. Ein Aufstieg – es ist der heutige – geht direkt von der Brücke über den Weißenbach beim Hackl zur Halltaler Hütte und dann Richtung Alpensöhnehütte. Kurz davor zweigt der Steig ab. Die Sonne scheint warm an diesem Samstagnachmittag. Inversionswetterlage. Oben ist es wärmer als unten. Der Himmel ist tiefblau. Smog liegt über dem Inntal und der Lärm der Tausenden Autos liegt wie eine Glocke darüber. Die Konturen der einzelnen Gipfel – Rumerspitze, Speckkarspitze, Bettelwurf, Fürlegg sind scharf. Die roten Punkte beim Steig hinauf sind spärlich und ausgewaschen und kaum mehr zu erkennen und obwohl ich den Steig schon öfters gegangen bin, verliere ich ihn kurz. Es gibt etwas ausgesetzte Stellen, doch keine Schwierigkeiten. Wahrscheinlich ist der Steig hinauf nicht gewartet, weil die Steinschlaggefahr insbesondere in einer Rinne nicht unbeachtlich ist. Sie heißt Merkel-Rinne – aber die deutsche Bundeskanzlerin war wohl nie hier. Beim Gipfelkreuz mit Panoramablick – weit hinein in die Tuxer- und Stubaier Alpen: Hier oben kann die bedrückte Seele atmen. 1100 Höhenmeter Anstieg waren es, knapp unter 2 Stunden. Beim Abstieg geht es heute über die Alpensöhnehütte hinunter zum Bettelwurfeck und gemütlich auswandernd talauswärts zurück zum Parkplatz am Beginn des Halltales, wo mein Rad steht. Daheim höre ich in den Nachrichten von den überfüllten Parkplätzen bei den Einkaufszentren und von Menschenmassen in den Straßen der Städte. Die Massen tun so, als hätten sie noch nie etwas von freiwilliger Kontaktbeschränkung gehört und von der Notwendigkeit, in Zeiten der Pandemie vorsichtig zu sein.