Christkönig oder das Ende der Welt

In diesen Tagen – mehr als sonst – bestimmen düstere Zeichen das gegenwärtige Geschehen. Die Pandemie hierzulande galoppiert. Die Betreuung von Corona-Erkrankten in den Krankenhäusern und Kliniken ist in der 4. Welle an die Kapazitätsgrenzen gelangt. Am Ende des Christkönigssonntags beginnt österreichweit der nächste Lockdown. Die Gesellschaft ist in der Frage der Impfpflicht tief gespalten. Auch jenseits der österreichischen Grenze spiegeln sich apokalyptische Szenen ab, die aus der Endzeitliteratur der Bibel stammen könnten. An der polnisch-belarussischen Grenze frieren und erfrieren Flüchtlinge. Die Erhitzung der Erde schreitet voran. Inmitten all dessen gibt es die vielen persönlichen Schicksale und Verzweiflungen und das Gefühl: Ich kann nicht mehr!

Die Kirchen feiern an diesem Wochenende das Christkönigsfest. Am Ende eines Kirchenjahres können wir auf einen Mann blicken, der seine Herrschaft anders gestaltet hat, als die Könige und Herrscher dieser Welt: Auf einen König ohne Selbstdarstellung, ohne Machtallüren, ohne narzisstisches Stargehabe. Das messianische Königtum Jesu ist keine Herrschaft, die mit Gewalt daherkommt. Der Christkönig steht für aktive Gewaltfreiheit bis zum Kreuz. Der jüdische König aus Nazareth ist kein Despot, der andere unterdrückt, um selbst groß sein zu können. Kein Regimekritiker muss in der Herrschaft Christi fürchten, inhaftiert, gefoltert oder umgebracht zu werden. Der Christkönig ist kein Autokrat, der rücksichtslos seine Interessen durchsetzt. Er ist kein Narzisst, der auf der Welle des Populismus daher schwimmt. Christus, der König, ist so ganz anders und stellt damit die heutigen Großmänner radikal infrage.

Am Ende des Kirchenjahres, wenn wir das Christkönigsfest feiern, werden wir getröstet, dass das Ende der Welt nicht ein Zusammenbruch der Gesundheitssysteme, nicht die finale Klimakatastrophe, nicht der atomare Supergau, nicht der Dritte Weltkrieg und nicht ein Orwellsches 1984 sein wird. Das neue Reich ist auch nicht ein fiktives Reich, das fundamentalistische Richtungen jeder Religion in eine jenseitige Wirklichkeit projizieren. Eine solche Vorstellung wäre gefährliche Vertröstung, die die bestehende Herrschaft stabilisierte. Die Gegenbotschaft an diesem Festsonntag ist so ganz anders: Mit Blick auf Christus lässt sich diese Welt retten: Dann gilt nicht mehr ein egoistisches Schauen auf sich selber; dann gelten die Menschenrechte für alle – insbesondere aber für jene, die in Notlagen sind. Die Waffenarsenale werden abgebaut und damit die Kriege ausgehungert. Die ökonomischen Schieflagen werden begradigt und damit Gerechtigkeit hergestellt. Der Klimawandel wird auf die Pariser Klimaziele begrenzt. Weil: Christus ist König.

Wie freilich kommt nun dieser König? Dies ist zweifellos eine Frage mit politischem Anspruch, die auch so lauten könnte: Wie kommen Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung mit der Schöpfung? Christus, der König, kommt nicht in eine heile Welt, sondern in eine Welt voller Gebrochenheiten, Zerstörungen und Kriege. Er kommt nicht mit Gewalt, sondern absolut gewaltfrei. Christus, der König, kommt heute in Gestalt von fürsorglichen Menschen in den Kliniken und Krankenhäusern, in Gestalt von Ärztinnen und Ärzten, von Hilfsorganisationen, die Flüchtlinge in Elendssituatinen unterstützen. Christus als König wird konkret greifbar in entwicklungspolitischen Organisationen, die sich nachhaltig gegen den Hunger durch Entwicklung eigener Ressourcen einsetzen. Christuskönig ist eine Frau, die für die Caritas-Sammlung von Haus zu Haus geht, weil es ihr eben nicht egal ist, dass es Arme in diesem Land gibt.  Christuskönig wird lebendig, konkret und hier und heute überall dort, wo im Kleinen wie im Großen am Reich Gottes gebaut wird. Da zählt jeder kleine Handgriff und jeder kleine Schritt. So viele Menschen können sich heute die Krone aufsetzen, die Not bekämpfen – auch die seelischen Nöte, die wohl zu den größten und häufigsten in unserem Land zählen.

Christus ist für uns Christinnen und Christen ein königlicher Leithammel. Damit wäre es eindeutig, was christliche Leitkultur ausmachen würde. Der Wertekanon ist nicht beliebig: Da wird nicht mehr gestohlen. Weltweit werden heute 50 Prozent der Flächen in den Entwicklungsländern für Futtermittel und damit für den hohen Fleischkonsum angebaut. Da wird nicht mehr für Kriege gerüstet und produziert. Wer dem Leithammel Christus folgt, legt einen anderen Lifestyle an die Tagesordnung, der sich nicht an die herrschende Kultur anpasst und sich auch in einem entsprechenden Konsum- und Mobilitätsverhalten zeigt, das ressourcen- und energieschonend ist. Man erkennt das Königliche im Einkaufs- und Mobilitätsverhalten. Und nicht zu vergessen: Wer eine weinende Person tröstet, hat selbst wie die andere ein Krönchen auf. Wer gegen die Kälte in der Welt mit Zuwendungen nicht spart, der oder die trägt wie Christus heute die Krone auf dem Kopf.

Klaus Heidegger, Christkönigssonntag 2021