Brücken sind mir Wegbegleiter in diesem Advent. Es wird wohl mit meinem Glauben und meiner Hoffnung zu tun haben, mit Erfahrungen, mit Blick auf die kleinen und großen Welten, in denen ich lebe, mit den aufgewühlten Wassern, über die wir uns Brücken ersehnen. Eingebunden in den Globe sehe ich die stürmischen Wasser: die Pandemie mit ihren Folgen, ihren Herausforderungen für das Gesundheitswesen, für die demokratischen Systeme und vor allem auch für die Wirtschaft. Die aufgewühlten Wasser sind da aufgrund von Kriegen und militärischer Aufrüstung, dem Hunger in den Elendsgebieten dieser Welt, dem unerträglichen Leid der Flüchtlinge an Europas Grenzen, der Erhitzung der Erde, dem Raubbau an den Ressourcen, dem Aussterben von Tierarten oder dem Leid der Tiere in den Massentierhaltungen. Die aufgewühlten Wasser sind die Spaltungen, die die Pandemie mit sich bringt, in der Gesellschaft und hinein in unsere Arbeitsorte und selbst in Freundschaften. Inmitten all dessen sehe ich allerorten auch die privaten aufgewühlten Wasser.
Als Jugendlicher war „A Bridge over Troubled Water“ von Simon & Garfunkel einer meiner Favourites. Ich hatte wenig LPs, weil mich Bergsteigen stets mehr interessierte als Musik. Aber bei dieser Soft-Rock-Ballade konnte ich „schwach“ sein. Mehr als 50 Jahre ist dieses Lied nun schon alt. Man könnte es wohl auch als Gospel bezeichnen. Für mich haben die Lyrics einen tiefreligiösen Inhalt. Paul Simon hatte als Inspiration für sein Gedicht, das dann sein Freund Art Garfunkel sang, einen Spiritual. Dort heißt es: “I’ll be your bridge over deep water if you trust in me.” Es geht also darum, dass jemand, der sehr traurig, besorgt und seelisch gebrochen ist, Trost erfährt. Und hier setzt die zentrale Frage an: Wer ist dieses „lyrische Ich“, das den Trost zuspricht? Gott ist es, könnte ein Religionslehrer wie ich schnell und einfach sagen. Gott da oben, der die Tränen trocknet, der in stürmischen Zeiten zu dir steht, wenn keine Freunde in Sicht sind, der dich aufhebt, wenn du am Boden bist, der dir Licht in der Finsternis ist – der wie eine Brücke über dem aufgewühlten Wasser ist? Diesen Gott, den gibt es nicht. Es gibt nur jene Gottkraft, die wirklich Tränen trocknen könnte und aufrichten, die Licht in dunklen Stunden ist – in Gestalt von Menschen, die es gut mit dir meinen, die wie eine Brücke über dem aufgewühlten Wasser sind, wo du klein und schwach sein darfst und deine Tränen getrocknet werden. Da ist Gott angekommen. Advent.
Klaus Heidegger, 30.11.2021,