Die Tour am Beginn der Osterferien in den Sellrainer Bergen startete bei der Bushaltestelle kurz vor der Einfahrt in die obere Lawinengalerie. Das geplante Ziel war der Rietzer Grieskogel. Der Lawinenlagebericht hatte Gefahrenstufe 2 gemeldet. Das Wetter – mit Nebel und kräftigem Nordwind – war nichts für Schönwetter-Tourengeher. Ich mag es aber auch, wenn die Sonne nicht scheint und der Himmel nicht blau ist und wenn die Berge viel höher wirken, weil Nebelschwaden und Wolken sich in den Graten und Gipfeln verhängen. Momentan entsprach es mehr meiner Stimmung und den nächtlichen Alpträumen und meinen Gedanken an den schrecklichen Krieg in der Ukraine.
Es sind nur wenige Höhenmeter, wo wir zunächst die Schi die erste Steilstufe von der Kühtaier Landesstraße ins Klammbachtal hinauftragen müssen Zwei deutsche Tourengeher kehrten gleich um, weil sie zu wenig Schnee vermutet hatten. So blieben wir die ganze Tour alleine und ich konnte die Spur in den frischen Neuschnee legen. Über die Süd-Westhänge, über die ich die letzten beiden Male zum Rietzer Grieskogel aufstieg, hätten wir diesmal nicht gehen können. Zu wenig Schnee lag da. Das führte dazu, dass ich die Abzweigung rechts hinauf verfehlte und – auch aufgrund des Nebels – ein falsches Joch anpeilte. Dass ich falsch unterwegs war, realisierte ich dann aber erst am falschen Gipfel. Das geplante Ziel mit dem großen Gipfelkreuz zeigte sich kurz zwischen den Wolken und war weit weg. Unser Überraschungs-Gipfel war der Kreuzjochkogel, 2746 m. Vom Kreuzjoch waren es noch 200 m über den ausgesetzten winterlichen Südwestgrat. Allerdings konnten wir feste Tritte in den Schnee machen und fallweise boten Felsen Halt. Am breiten Gipfelplateau war kein Kreuz – nur ein Steinmann markierte den Gipfelpunkt. Tief unten zeigte sich manchmal, wenn der Wind die Nebel vertrieb, das Inntal im Frühlingsgrün. Wir wollten dann noch auf den Mitterzeigerkopf mit seinem imposanten Wechtengrat. Allerdings entpuppte sich das als zu unsicher bei diesen Verhältnissen und wir kehrten bei einer der vielen Wechten um, die sich wie eine Schaumrolle aufgebäumt hatte. Für diese Jahreszeit hatten wir danach eine traumhafte Abfahrt im frischen unverspurten Pulver, zunächst über einen feinen Hang in die Mulde hinein und dann auf der rechten Talseite das Klammbachtal hinaus und schließlich den Almweg zurück fast bis zum Ausgangspunkt der Tour.
- April 2022