durchlebte Religionskritik

Gott* erfahre ich:
in menschlicher Nähe
in wechselseitiger Zuwendung
in tröstender Gegenwärtigkeit
in einem haltenden Du

mit Immanuel Kant sage ich:
Gott* muss geglaubt werden
göttliches Dasein spiegelt sich im Handeln
Leben geschieht nicht in Beliebigkeit
Leben orientiert sich am Doppelgebot der Liebe

mit Friedrich Hegel lautet meine dialektische Formel:
im Immanenten erfahre ich die Transzendenz
im Diesseitigen spiegelt sich das Jenseitige
im Begrenzten blinkt das Unbegrenzte durch
der Weltgeist wirkt in der Welt

mit Ludwig Feuerbach behaupte ich:
Gott* steht nicht gegen die Natur
die Natur offenbart göttliches Sein
die Hinwendung zum Menschen ist Hinwendung zu Gott
der entfremdete Mensch entdeckt sich nun selbst

wie die philosophischen Aufklärer denke ich mir:
die Sinne führen mich zu Gott*
ohne Sinne gibt es keine göttliche Erfahrung
in meinen Träumen verbinde ich Erde und Himmel
wie Körper, Seele und Geist sich verbinden

der Religionskritik entgegne ich:
mein Gott ist keine Projektion
göttliche Erfahrung ereignet sich,
weil mein Gott* ist nicht oben
weil Gott* ist unten bei mir

Karl Marx widerspreche ich mit Blick auf widerständische Menschen:
unser Gott* weckt auf zum Handeln
gibt sich mit Unrecht nie ab
verleitet zu Engagement
steht auf Seiten der Opfer

mit Jean Paul Sartre erfahre ich mich selbst:
eingespannt zwischen Geburt und Tod
bedürftiges Wesen in Sehnsucht nach Heil
aufbegehrend gegen die Zwänge
rufend nach dem abwesenden Gott*

Richard Dawkins werde ich widersprechen:
die Mythen der Bibel sind nicht wie Kochbücher zu verstehen
die Evolution widerspricht nicht den religiösen Schöpfungsberichten
die Kirchen sind nicht geleitet von Eigeninteressen
wenn Gott lebt in der Mitte der Kirchen

mit dem biblischen Hiob klage ich:
Gott* ist manchmal so fern:
die Sinne spüren ins Leere
viele News lassen verzweifeln
hungrig nach Leben enden die Tage

Gott* erfahre ich:
in vertrauensvoller Nähe
in liebender Zuwendung
in geschenkter Gegenwärtigkeit
in der Gnade eines Wir

klaus.heidegger